Nr. 1 / April 1995


















Gästebuch


Life Action Underground Comic Book

Ein Interview mit Gerald V. Casale von Devo

von Harald Fette

Leeson: Die letzte Platte von Devo erschien 1990. Danach ist die Gruppe in der Versenkung verschwunden. Was ist inzwischen passiert?

Gerry: Ich habe als Regisseur von Musikvideos gearbeitet. Eine zeitlang war ich bei Medialab in London, dann bei Midnight Film, einer Firma für die auch Julian Temple arbeitete. Danach war ich bei einem Laden namens Madhatter, so wie der Name war auch die Firma. Schließlich habe ich an eine Drehbuch zu einem Film über Betty Page geschrieben, weil ich immer noch einen Film über sie machen möchte. Und mit dem Thema Film sind wir auch schon beim aktuellen Projekt.
Bereits 1981 habe ich das Feature "The big picture" geschrieben. Die Helden darin waren die Smart Patrol. Die Smart Patrol verkörpert die Essenz von Devo, unser Konzept - aber wir waren das nicht selbst. Wie wollten das nicht selber spielen, sondern im Hintergrund bleiben, nur die Musik einspielen. Die Smart Patrol wäre so etwas geworden wie die Monkees. Aber daraus wurde nichts, bis ich 1987 die Idee wieder aufgriff und zusammen mit einer Produktionsfirma als Serie herausbringen wollte. Aber die wollten uns keine Anteile an den Rechten der Serie lassen. Sie wollten mich nicht als Produzenten oder Regisseur an Bord haben. Sie wollen uns nur ein paar Dollar geben und abschieben. Damit war das erledigt.

Leeson: Ihr geht also mit der CD-ROM an die Ursprünge zurück?

Gerry: Uns ist es mit Devo glaube ich nie ganz gelungen, unsere Botschaft zu vermitteln. Wir fingen mit der richtigen Idee an und sind dann von der Plattenfirma got riddled down - !!!! - zu einer Musikgruppe reduziert worden. Jetzt, 1995, ist es, als würden wir wieder ganz von vorne anfangen, als Devo ein Konzept war und keine Band.
Denn 1976 haben Mark und ich unser erstes Musikvideo gedreht - auf 16 mm Film, mit Geld, das wir mit dem Verkauf von T-Shirts zusammen bekommen haben. Wir haben alles alleine gemacht. Damals gab es keine Band. Wir hatten nur diese Idee im Kopf. Das Video lief in Ann Arbor auf dem Filmfestival. Danach wollten die Leute die Band sehen, die darin vorkam. Viele riefen bei uns an und fragten nach Konzerten. Wir mußten also eine Band gründen, die es bis dahin nicht gab. So haben Devo angefangen.
Aber die Wirklichkeit hat uns dann eingeholt. Wir waren plötzlich eine Band bei einer Plattenfirma. Die erzählten uns, was wir tun sollten; wir sollten eine kommerzielle Single einspielen.
Jetzt gehen wir zur ursprünglichne Idee und dem Konzept von Devo zurück. Außerdem können wir jetzt Geschichten erzählen und Charaktere mit unterschiedlichen Blickwinkeln sehen. Das war bei Devo alles in den Hintergrund gerückt. Die subtilen Botschaften und die Charaktere können jetzt im Rampenlicht stehen. Eine schöne Gelegenheit, zu realisieren was wir von Anfang an vor hatten.

Leeson: Das klingt sehr enthusiastisch. Andererseits sind die Produktionskosten für eine CD-ROM sehr hoch. Der Produktionszeitraum erstreckt sich über Monate. Im Gegensatz zu früher könnt ihr nicht mehr schnell und unabhängig euere Ideen umsetzen.

Gerry: Ja, mit Devo haben wir uns im Keller zusammengesetzt und mit einem kleinen Aufnahmegerät genau das herausbekommen, was wir uns vorgenommen haben. Das hat kaum Geld gekostet. Nur viel Zeit und Einsatz von uns.
Mit dem neuen Medium ist es wie mit Filmemachen. Aber ich mag das. Es entspricht meiner Denkweise. In den letzten Jahren bin ich in diese Richtung gedriftet. Ich möchte nicht nur Musik machen. Ich bin ein visueller Typ.

Leeson: Welche Visionen packt ihr in die CD-ROM hinein?

Gerry: Die Smart Patrol wird wieder leben. Das ist so wie Devo in der nächsten Generation. Das Monster Tricky Monkey bricht aus einem Labor aus. Damit beginnen die Nachforschungen dieser verrückten Welt, in der alles umgedreht ist, wo nichts Sinn ergibt. So wie die Wirklichkeit - da gibt es auch nicht diese Schwarzweißmalerei wie etwa im Film.
Wir haben immer behauptet, daß das ganze Übel und das größte Problem auf diesem Planeten darin bestehe, wie das Gehirn des Menschen arbeitet. Meist passieren Dinge, die nicht gewollt sind. Manches ist nahezu vorherbestimmtes Schicksal. In anderen Worten: in unseren Geschichten waren wir immer Opfer unserer Biologie, mehr als das irgendjemand wahrhaben wollte.
Wir wollten auch verwischen, daß immer nur eine Person den Blickwinkel vorgibt. Mit der neuen, interaktiven Technik wie einer CD-ROM können wir glaube ich, unsere Ideen wirklich umsetzen. Devo haben ihre Botschaft nie so ganz vermitteln können. Für eine Gruppe bei einer Plattenfirma war das unmöglich. Mit der Smart Patrol kann man tatsächlich interaktiv und auf mehreren Ebenen agieren. Unsere Musik, die die Smart Patrol dann aufführt, wird es nur auf CD-ROM geben. Wenn das einer im Radio spielen möchte, muß er schauen, wie er damit zurechtkommt.

Mehr Informationen zu Devo auf der Devo Homepage

Letzte Änderungen: 28.12.2001
Produziert von
Peter Pötsch