I’m A Stone
In The Path Of The Enemy
Ein Interview
mit dem indianischen Singer/Songwriter Mitch Walking Elk
Trotz gegenwärtigem
Booms in Sachen Singer/Songwriter US-amerikanischen Zuschnitts fallen
sie eher unter den Tisch: die indianischen Vertreter der Songschreiber-Zunft.
Einer von ihnen, Mitch Walking Elk, tourt seit einigen Jahren regelmäßig
durch die Schweiz und trat jüngst auch zum zweitenmal in Konstanz
auf. Wir sprachen mit dem 44jährigen Musiker und "Cultural
Teacher" aus Minnesota.
Von
Thomas Bohnet
"Meine
Großmutter und meine Mutter haben sie ein Stück weit zu Weißen gemacht.
Bei mir waren sie nicht so erfolgreich", erzählt Mitch Walking
Elk, der uns mit Frau, Kind und den beiden Begleitmusikern Wade
Fernandez und John Schulc im Hotelzimmer gegenübersitzt. Mit "sie"
meint er die Repräsentanten des US-amerikanischen "Boarding
School"-Systems für junge Indianer, oder besser "native
americans", wie die politisch korrekte Bezeichnung für die
Ureinwohner Nordamerikas lautet. "Boarding Schools" sind
Internate, in denen die Kinder zwangsweise zu "richtigen, weißen
Amerikanern" erzogen werden sollen. Mitch Walking Elk, zur
Hälfte dem Stamm der Cheyenne zugehörig, zur anderen Hälfte Arapahoe,
rebelliert früh gegen diese Zwänge. Zu Anfang allerdings noch ohne
das Bewußtsein seiner eigenen Kultur, wie er erzählt. Bewegte Jahre
in der Biografie des heute 44-jährigen folgen. Einige Jahre verbringt
er davon im Gefängnis. "Ich hatte damals, wie viele junge Indianer,
Probleme mit dem Alkohol. Das Trinken führte zu anderen Dingen.
Bei mir bis zum bewaffneten Raubüberfall."
Im Knast findet
er ein Stück weit zu sich selber. Dort werden ihm vor allem die
Zusammenhänge zwischen seiner Situation und der Lage der Indianer
in den USA klar. 1980 wieder auf freiem Fuß, läßt er sich zum Sozialarbeiter
ausbilden, studiert Psychologie und arbeitet als Drogenberater.
Parallell dazu schreibt er Songs und tritt als Singer/Songwriter
mit seiner Gitarre auf. Zwei eigen produzierte Cassetten und eine
CD mit seinen Liedern sind bislang erschienen (siehe Discographie
weiter unten).
Die andere
Seite des "american dream"
In seinen Liedern,
die er am Abend zuvor im kleinen Konstanzer
Kulturzentrum K 9 vor den gut hundert Besuchern spielt, schildert
er die Situation der Indianer heute in seiner Heimat. Triste Lebensverhältnisse,
geprägt von Resignation, Alkoholismus, Armut und Arbeitslosigkeit.
Die andere Seite des "American Dream" sozusagen. Mitch
zieht in den Songs Parallellen zur Geschichte seines Volkes. Die
blutige Unterdrückung und das regelrechte Abschlachten in den "Indianerkriege"
genannten Eroberundsfeldzügen der Weißen in Nordamerika. Die Einweisung
in Reservate, die falschen Versprechungen der Regierung. Die Vertragsbrüche
der Weißen und die Vertreibung aus den Reservaten, wenn dort Bodenschätze
gefunden wurden.
Ein Stein
im Pfad des Feindes
Begleitet vom
26jährigen, sehr versierten E-Gitarristen Wade Fernandez und dem
nur wenig älteren Bassisten John Schulc zeigt sich Mitch Walking
Elk beim Konzert als sehr vielseitiger Songwriter. Bluesbeeinflußte
Songs stehen gleichberechtigt neben Countryballaden, die Mitch mit
seiner markanten Stimme singt. Und vor allem im zweiten Teil des
Abends lassen es die Drei bei Songs wie dem kämpferischen "Guerilla
Fighter" oder dem Titelsong seiner letzten CD "Ain`t No
Simple Thing" richtig rocken. Ein wunderschöner Folksong ist
dagagen das Stück "I`m A Stone" mit der Textzeile: "Ich
bin ein Stein im Pfad des Feindes ........"
Ist dieses Stück
gewissermaßen das Credo des Musikers "Mitch Walking Elk"?
"Das kann man so sagen", meint der 44-jährige, der sich
selber, auf eine diesbezügliche Frage hin, als "politischen
Songwriter" sieht. "Der Kern vieler Songs ist aus einer
politischen Perspektive geschrieben", sagt er. Andererseits
schreibe er aber auch Blues-Songs oder, wenn ihm einer einfalle,
einen guten Countrysong. "Lakota Lullabye" andererseits
ist zum Beispiel ein Schlaflied.
Keine Resignation
So hart und
eindeutig die Texte auch sein mögen, resignativ sind sie nicht.
Mitch Walking Elk entspricht nicht dem Klischee des leidenden Folksängers:
die Songs sind bei aller Melancholie kämpferisch und optimistisch.
Humor beweist der großgewachsene Sänger nicht nur beim Konzert sondern
auch beim Interview, wenn er auf die etwas ungeschickte Frage des
Mitinterviewers von einem Anzeigenblatt - "Are you born as
a indian?" - trocken antwortet: "No, I was born as a white
guy but turned.."
Obwohl Mitch
Walking Elk über eine klasse Stimme verfügt und einige der Songs
in klassischer US-amerikanischen Songwriter-Tradition daherkommen,
hat er es in den USA nicht gerade leicht. "Die Mainstream-Musik
kann aus uns, aus Leuten wie Keith Secola, John Trudell oder mir,
kein Geld holen", meint er. Zudem passe er aufgrund der musikalischen
Vielseitigkeit in kein Verkaufsschema. Die eindeutigen Texte mag
der durchschnittliche, "patriotische" Amerikaner wohl
auch kaum hören.
Wenn er in einem
Text davon singt, er wolle "seine Kinder nicht in euren dreckigen
Krieg ziehen lassen", dann hört sowas Uncle Sam nicht gerne.
"Wir haben bei uns zuviele Patrioten", meint Mitch. "Die
Leute machen, was ihnen die Regierung erzählt. Sie können auch nicht
zwischen den Zeilen lesen. Wobei das eigentlich nicht einmal ihr
Fehler ist, weil sie einfach so aufgewachsen sind, so erzogen wurden.
Von Anfang an bekommst Du in den USA in der Schule eingetrichtert:
Serve your country, Diene deinem Land. Es ist vollkommen egal, wen
du tötest, warum oder was du tötest. Wichtig ist einfach: Tu es.
Und ich will das hinterfragen."
Es ist ebenso
bezeichnend, daß einer der wenigen Songwriter, der etwas Kritisches
zum Golfkrieg zu sagen hatte, ausgerechnet ein Indianer war. John
Trudell fand in seinem Song "Bombs Over Baghdad" ziemlich
eindeutige Worte. Ansonsten gab`s ja nicht so viele angloamerikanische
Songwriter, die sich gegen den allgemeinen patriotischen Taumel
zu Wort gemeldet haben? - "Logisch, wir hatten ja George Bush,
der dastand und meinte, man müsse Kuwait gegen den aggressiven act
des Iraks verteidigen", meint Mitch. "Aber sie vergessen
immer ihre eigene Geschichte, mit einer der übelsten Aggressionen
überhaupt - gegen die Indianer. Für mich stellt sich das heute so
dar, als gingen die USA quer durch die Welt, um kleine Kriege zu
führen. Sie müssen auch Stärke zeigen, um die Niederlage in Vietnam
zu verdauen. Stärke, indem sie Ländern mit geringer Bevölkerungszahl
die Scheiße aus dem Kopf prügeln. Ländern, die nie im Traum daran
denken würden einen richtigen Krieg gegen die großen USA zu führen.
Die Regierung führt die Leute an der Nase herum. Und eigentlich
geht es immer nur um eines: um die Behauptung eines bestimmten Lebenstiles.
Andererseits, wenn sie schon durch Aggressionen so betroffen sind,
wie im Falle Kuwaits, warum zum Teufel sind die Marines nicht jetzt
in Bosnien? Weil es dort eben kein Öl gibt. Das ist die ganze Geschichte."
Respekt vor
indianischer Kultur
Mehr Erfolg
als in seiner Heimat hat er inzwischen in Europa. Sieben Mal ist
er bereits in der Schweiz gewesen und hat sich dort inzwischen ein
kleines, treues Publikum erspielt.
Während er in den USA vorwiegend vor indianischem Publikum auftritt
oder Konzerte bei Politveranstaltungen gibt, mischen sich in Europa
unter sein Publikum viele Indianer-Fans. Findet er es nicht etwas
seltsam, wenn ihm junge Schweizer oder Deutsche im Indianerlook
gegenübertreten und ihm "ihre" Indianernamen verraten?
- "Es ist schwierig...manchmal....", druckst Mitch Walking
Elk herum und man merkt ihm an, daß er um eine höfliche Antwort
bemüht ist. Nach längerem Zögern sagt er dann doch noch: "Die
Welt kann eine Menge von indianischer Tradition lernen. Ich bin
mir aber nicht sicher, ob sie die indianische Kultur richtig respektieren,
wenn sie sie sich aneignen."
Europa heißt
für ihn aber auch: Geld zu verdienen. Mit dem Geld, das von dieser
Tournee übrigbleibt, will er ins Studio, um die neue CD aufzunehmen.
Das Material hat er schon zusammen, erzählt Mitch. Ist da auch dieser
Song "Locks & Chain" dabei, den er am Abend vorher
im Konzert gespielt hat? "Nein", erzählt Mitch, "das
ist eigentlich ein sehr altes Stück, wobei ich es so gut wie nie
live spiele. In den USA habe ich das nur ein paarmal bei Konzerten,
die ich in Gefängnissen für Gefangene gegeben habe gespielt."
Gefängnis-Konzerte?
Wie Johnny Cash? Mitch lacht: "Naja, so ähnlich." Da kann
er dann ja auch ein Album "Live aus San Quentin" machen.
Mitch lacht und fügt dem ein "And hopefully I`m just visiting"
zu......Wie gesagt, der Mann hat Humor.
Indianische
Survival Schools
Heute arbeitet
der hochgewachsene Cheyenne-Arapahoe übrigens als "cultural
teacher" in einer indianischen Schule in St. Paul im US-Bundesstaat
Minnesota. "The Red School House", so der Name der Schule,
ist eine der ersten "Native American Survival Schools"
("survival" = "überleben"), die in den sechziger
Jahren, im Zuge der neuen Indianerbewegung, entstanden sind, erklärt
Mitch. Junge "native americans" erhalten dort neben der
akamdemischen Ausbildung, von der Grundschule bis zur High School,
eine Ausbildung, die sie mit der indianischen Tradition vertraut
macht. Da die Schulen in privater Hand sind, kämpfen diese Bildungseinrichtungen
permanent ums finanzielle Überleben...An den Überlebenskampf sind
die Indianer Nordamerikas allerdings gewöhnt.
Discographie:
MITCH WALKING
ELK
"Dreamer"
(nur Cassette, 1986)
"Indians" (nur Cass., 1989)
"Ain`t No Simple Thing" (CD, 1993)
Mitchs Cassetten
und die CD sind bei ihm direkt zu beziehen: Mitch Walking Elk, 8
le Cimarron, Lake Elmo, Minnesota 55042, USA.
In Europa
erhältliche Tonträger anderer indianischer Songwriter:
KEITH SECOLA
"Circle"
(CD, 1993, Normal/Indigo)
"For Our Ancestors" (CD, 1995. Normal-Reihe "Return
To Sender", nur über Normal Mail Order, Bonner Talweg 276,
53129 Bonn, erhältlich)
JOHN TRUDELL
"AKA Graffity
Man" (CD, 1992, Rykodisc)
"Johnny Damas And Me" (CD, 1994, Rykodisc) |