Ein texanischer
Jude im New Yorker Village
Zum Werk des
Ex-Countrysängers und Krimi-Autors Kinky Friedman
"Jesus
und ich sind die einzigen beiden Juden, die man in Texas kennt".
Sagt "der Kinkster", inzwischen in New York lebender,
zum Amateurdetektiv gewendeter Countrysänger, in "Nie wieder
Tequila". "Musical Chairs", so der Originaltitel,
ist der jüngste, auf Deutsch erschiene Kinky- Roman des 49jährigen
Shooting-Stars der US-amerikanischen Krimiszene Kinky Friedman.
Von
Thomas Bohnet
Die "Kinkster"-Romane,
inzwischen sieben an der Zahl (auf Deutsch sind bislang erst fünf
erschienen, siehe Bibliografie), haben in den USA längst Kult-Status
und auch hierzulande wächst die Fangemeinde des Detektivs mit der
Vorliebe für "Cats, Countrymusic And Cigars" und seinen
drei Säulenheiligen Hank Williams, Anne Frank und Ernie Kovacs beständig.
1986 erschienen - nachdem er bei mehreren Verlagen abgeblitzt ist
- hat sich Friedmans Erstling "Greenwich Village Time"
auf Anhieb hundertausendmal verkauft. 1992 startete Haffmanns die
Veröffentlichung der Kinkster-Bücher auf Deutsch.
Autor und Hauptfigur
der amüsanten Romane heißen nicht nur gleich, sondern haben auch
einiges gemeinsam: In Texas aufgewachsen, tourte Kinky mit der Countryband
"Kinky Friedman & The Texas Jewboys" (mit dem heimlichen
Hit: "They Ain`t Build Jews Like Jesus Anymore" und der
herrlichen Persiflage auf Merle Haggards Redneck-Epos "Okie
From Muskogee", "Asshole From El Paso") durch die
Staaten, zwischendurch war er beim Friedenskorps auf Borneo stationiert
und ist letztendlich in New York, im (Greenwich) Village gestrandet.
Hier nun läßt
der Autor seinen Detektiv diverse Abenteuer bestehen und abstruse
Morde aufklären. Einmal geht es um Schwulenmorde, ein anderes Mal
um die Kokainmafia. Ein Nazikomplott gilt es ebenso aufzudecken
wie die mysteriösen Morde nach dem Zehn-Kleine- Negerlein-Prinzip
an seiner alten Backing-Band, den Texas Jewboys. Am schönsten ist
allerdings sein zweiter Roman, "Lone Star" (Original "A
Case Of Lone Star", 1987), in dem ein Mörder mehrere Countrysänger
ermordet, denen er Hank-Williams-Songzitate schickt, die auf die
Tötungsart schließen lassen.
Wobei die Stories
eigentlich nicht das Beste an Friedmans Romanen sind. Da wird zwar
nach dem klassischen Who-Dunit-Verfahren gearbeitet: letztendlich
ist die Frage, wer denn nun der Mörder war, nebensächlich. Bei "Nie
Wieder Tequila" gar ist die Auflösung derartig daneben, daß
man den Eindruck hat, Friedman sei entweder am Schluß nichts mehr
eingefallen oder er nehme bewußt nun die weitest entfernt liegende
Variante. - Egal. Kinky- Romane liest man wie Cavanagh-Krimis (Titelheld:
bisexueller Detektiv Duffy in London) oder Arjouni-Krimis (türkischer
Privatdetektiv in Frankfurt) nicht in erster Linie der Stories wegen.
Traditionelle Krimi-Fans kommen also weniger auf ihre Kosten. Friedmans
Erfolg bei den Fans machen wohl eher die gewitzten, coolen Sprüche
des Kinksters aus, sowie das in allen Romanen wiederkehrende seltsame
Personal. Man kann die Bände allerdings auch als Kneipenführer durch
New York lesen: denn alle Orte, in denen getrunken und gegessen
wird (ersteres reichlich) gibt es "im Village".
Kinky wohnt
in der 199B Vandam Street, einem zugigen Loft im dritten Stock eines
ehemaligen Lagerhauses. Gemeinsam mit seiner Katze, der er gelegentlich
die "Verantwortung überträgt". Dort befinden sich auch
eine große Sherlock-Holmes-Büste, in der er Zigarren aufbewahrt,
eine Espressomaschine sowie die beiden roten Telefone, die am gleichen
Anschluß hängen. - "Die Telefone klingelten". - Das doppelte
Klingeln, so der Kinkster, erhöhe die Bedeutung des Anrufes. Eine
Besonderheit ist auch der abgerissene Negerpuppenkopf, an dem ein
Fallschirm hängt. Dort deponiert Kinky seinen Hausschlüssel, den
er unten auf der Straße stehenden Besuchern zuwirft.
Über Kinkys
Loft befindet sich die Lesben-Tanzschule von Winnie Katz. ("Winnie
Katz Lesbenschule war wie Gott. Die Menschheit kriegte sie nie zu
sehen, aber man wußte, daß sie immer da war.")
Gegen Lesben hat Kinky ürigens an sich nichts, bis auf: "Zu
den beunruhigerenden Seiten der Lesben gehört der fast absolute
Mangel an Begeisterung für Countrymusik."
Der Inner Circle
Wenn der "Kinkster"
im New-York-typischen Outfit mit Cowboyhut, texanischer Jagdweste
und Cowboystiefeln aus Brontosauriervorhaut (!) durch das Village
stiefelt, wird er oft von einigen seiner seltsamen Freunde begleitet.
Da ist vor allem Mike McGovern zu nennen. Halb Ire, halb Indianer,
Redakteur im Innenpolitik-Ressort der "Daily News". Kinkys
liebster Trink-Gefährte, der allerdings in den meisten Läden seit
mehreren Jahren Lokalverbot hat. McGovern nährte den Ruhm des Amateurdetektivs,
indem er diverse Zeitungsartikel veröffentlichte. Kinky wiederum
befreite ihn einmal von einem Mordverdacht.
Eine sehr skurrile
Erscheinung ist Kinkys amerikanischer "Dr. Watson" Ratso
alias Larry Sloman. Jude, wie Kinky, ist Ratso Redakteur des "National
Lampoon" - "loyal, intelligent und überaus geizig".
Seine bizarre Verkleidung macht ihn, so Kinky, als "Vertreter
der Flohmarkt-Eleganz" aus. Ratso trägt eine Waschbärenmütze
(ohne Schwanz) und rote Schuhe, die "einmal einem Toten gehört
haben". Ratso besitzt ungefähr zehntausend Bücher über seine
Hausheiligen Jesus, Hitler und Bob Dylan.
Aus unerklärlichen
Gründen gibt es einen zweiten Menschen, der sich, so Kinky, "freiwillig"
Ratso nennen läßt und zu Kinkys Hilfstruppe gehört. Ratso II (bürgerlich
Jimmie Slim) ist libanesischer Druse, ehemaliger Rock `n Roll-Gitarrist
und lebt in Washington. Vierter im Bunde und ebenfalls zum Inner
Circle des Kinky-Clans gehördend, ist der Mann fürs Grobe, Rambam:
Ein Draufgänger, "eine Art militanter jüdischer Jim Rockford".
Rambam, italienisch-jüdischer Abstammung, ist Privatdetektiv ohne
Lizenz, der einige Jahre "im Innern des staatlichen Niemandslandes",
also im Knast, verbracht hat und behauptet, es werde heute noch
in allen Staaten, die mit "I" anfangen, nach ihm gefahndet.
Einem Steve Rambam schickt Kinky Friedman, übrigens in der Dankesliste
des jüngsten Romans, Grüße für "technische Beratung" nach.
Die Gegenspieler,
wenn man so will, des Hobby-Detektivs sind zwei Detective Sergeants
vom 6. Revier, genauer, der Special Crimes Task Force. Buddy Fox
ist "groß, schlank und fies und mag keine Countrymusik"
und Mort Cooperman ist "kleiner und stämmiger". Beide
sind keine großen Fans von in NY herumschnüffelnden jüdischen, texanischen
Ex- Countrymusikern.
Frauen kommen
übrigens in Kinkys kleiner Welt, zumindest im Inner Circle, abgesehen
von Winnie Katz, nicht vor. Wir erfahren sowohl von Dowtown Judy
als auch Uptown Judy, den gelegentlichen Bettgeschichten, sehr wenig.
An einer Stelle schwadroniert Kinky über die Gemeinsamkeiten von
Frauen und Katzen und kommt zum Schluß, daß er Katzen bevorzuge,
weil sie "das Wort Beziehung nicht kennen".
Politically
correct, pc, sind Kinkys Sprüche und Auslassungen übrigens nicht
immer. Wobei die Mischung aus bodenständiger texanischer Lässigkeit
und abgeklärter New Yorker Coolness ihm trotzdem keinen Beifall
von der falschen Seite bringen dürfte. Davor dürfte ihn seine Ironie
und der gelegentlich bösartige Zynismus bewahren.
Im Folgenden
einige Anmerkungen des Kinksters zu verschiedenen Themen:
Glauben, Religion:
"In sechs
Tagen schuf Gott Himmel und Erde und all die Wunder darin. Es gibt
manche unter uns, die meinen, ER hätte sich damit vielleicht ein
bißchen mehr Zeit nehmen sollen."
"Der einzige
Fehler bei den Südstaaten-Baptisten ist, daß man sie bei der Taufe
nicht lange genug unter Wasser hält."
Lebensphilosophie:
"Du wirst
allein geboren. Stirbst allein. Also kannst Du Dich auch daran gewöhnen."
"Die halbe
Welt ist ein Haufen paranoider Trottel, die Angst vor dem Leben
haben, und die andere Hälfte kümmert sich einen Scheiß darum. Mit
der letzteren Gruppe hat man gewöhnlich mehr Spaß beim Trinken."
Jagd als
Sport:
"Was für
ein großartiger Sport, die Jagd. Wesen zu töten, die schöner sind
als man selbst. Vögel zu schießen, die höher fliegen als die Träume.
Viel Büffel zu töten. Ab und zu reinigt man seine Flinte und bläst
sich versehentlich den Kopf vom Hals. Gut."
Unterschied
Country und Rock:
"Country
macht die Augen des Publikums feucht, Rock ihren Schritt."
Katzen:
"Katzen
stehen politisch gesehen ziemlich rechts. Sie sind Anhänger des
Status quo. Sie mögen nichts, was eine Änderung bedeuten könnte."
Hüte:
"Eine der
wenigen Gemeinsamkeiten, die Cowboys und Juden haben, ist daß sie
im Haus Hüte tragen und dem einen gewissen Grad von Bedeutung beimessen.
Hank Williams trug seinen Hut im Haus. Davy Crockett ebenfalls.
Ein Freund von mir, Bob McLane, der der frühere Vorsitzende des
"Schwule-Texaner-für-Bush-Komittees" war, erzählte mir,
daß George Bush immer den Hut abnahm, wenn er irgendwo reinkam.
Das ist ein weiterer guter Grund, im Haus einen Hut zu tragen."
KINKY FRIEDMAN,
Bücher:
"Greenwich
Village Time" (1986, dt. 1992)
"A Case Of Lone Star" (1987, dt. "Lone Star"
1993)
"When The Cat`s Away" (1988, dt. "Wenn die Katze
weg ist" 1993)
"Frequent Flyer" (1989, dt. 1994)
"Musical Chairs" (1991, dt. "Nie wieder Tequila"
1994)
"Elvis, Jesus & Coca Cola (1992 - noch nicht auf deutsch
erschienen)
"Armadillos & Old Lace" (1994 - noch nicht auf deutsch)
Die deutschen
Ausgaben sind alle bei Haffmanns erschienen. Weitere Bände folgen.
KINKY FRIEDMAN
& THE TEXAN JEWBOYS: "Old Testaments & New Revelations"
(Greatest Hits, Live-CD, 1992 bei Fruit Of The Tune Music erschienen).
Weitere Alben stehen zur Wiederveröffentlichung an. |