Neues aus der
Schweiz
Von
Thomas Bohnet
Das
englische Wire nannte Peter Kraus Solostücke "jazz dissident
electronics", was die Stücke des ehemaligen Alboth!-Mitbegründers
auf dem Soloalbum "Lewis" [Komfort, kraut@bluewin.ch]
ganz gut beschreibt: Experimentelle elektronische Musik, Breakbeats,
Maschinengeräusche, Kontrabass, eine Rhythmik, die sowohl aus den
verschiedenen Dancefloor-Stilen als auch dem Jazz schöpft, wobei
der Keyboarder und Pianist hier auch viel mit Samples arbeitet.
Ein spannendes Werk, das bei allem Drang zum Experiment und gelegentlicher
Strenge, auch für Nicht-Electronicer listenable ist.
Schade, dass
er nun doch nicht am der Endrunde des Schlager-Grand-Prixs teilnehmen
darf, dabei ist die "Bye Bye Bar" doch so ein nettes Liedchen
– wenngleich Michael von der Heide eigentlich noch bessere
Stücke draufhat. Fürs deutsche Publikum war jedoch wohl auch schon
der Song zu sophisticated. Immerhin gab`s ja Platz 4 für unseren
Helden, dem wir schon in Ausgbe 8 gewünscht hatten, am Grand Prix
teilzunehmen. Nun gibt`s auch erstmals eine Von-der-Heide-Veröffentlichung
in Deutschland: Das Mini-Album "Bye Bye Bar" [RCA/BMG]
bringt 6 Titel, darunter die potentiellen Hits "Grau"
und "Der Briefträger ist tot". Wobei Letzteres in der
eingedeutschten Version gegenüber dem schwyzerdütschen Original
einiges an Klasse verliert: "Jetzt isch är dooot, dä Briäfträger
isch dooot" hört sich halt doch besser an als "Jetzt ist
er tot, der Briefträger ist tot".
Eher nach Fusion,
denn HipHop klingt das, was Rob Da Mob auf "Interessant"
[Sound Service] zusammen mit seiner Band macht. Sehr jazzy und rockig
kommen die meisten Tracks daher, wobei dann auch mal in "Süd
nach Nord" eine fürchterliche Schweinerock-Gitarre aufgefahren
wird. Insgesür meine Ohren sehr bemüht, wird wohl eher dem typischen
Rockfan gefallen, der mit HipHop ansonsten wenig am Hut hat. Der
State-Of-The-Art im deutschsprachigen HipHop ist zur Zeit woanders,
siehe die jüngsten Verîffentlichungen von Kinderzimmer Productions,
Doppelkopf oder Eins Zwo.
Etwas
besser gefällt da schon die Allschwil Posse mit ihrem neuen Album
"Mitleid" [RecRec]. Vor vier Jahren verunsicherte die
Gang nicht nur die Szene sondern auch Erziehungsberechtigte, die
hier neue Gewaltbereitschaft der Jugendlichen witterten. Solange
bis herauskam, dass sich hinter der Allschwil Posse niemand anderes
als Boni "Baby Jail" Koller versteckte, ein rechter Schelm,
der mit dieser Gangsta-Rap-Parodie für Furore sorgte. Auch "Mitleid"
darf als grosse Parodie auf das Genre gelesen werden: Ob sich nun
"Er lebt nicht mehr" über die ganzen öden, vor Betroffenheit
strotzdenen Problem-Raps lustig machen oder andere Titel Gangsta-Rap
transzendieren. Deutsche öîrerInnen lernen hier noch nette schwyzerdütsche
Worte wie zum Beispiel "schiissegliich" (=scheissegal).
öberhaupt Boni Koller. Produktiv wie eh und je, macht er noch beim
jüngsten Wiglaf-Droste-Werk mit und bringt mit seiner anderen Band
den Schtärneföifi ein neues Album "Heimleifiss" [Tudor]
mit neuen Kinderlieder zwischen Rock und Latin. Herzig!
Eine klasse
Idee hat das Zürcher Radio LoRa mit seiner 4-Spur-Show verwirklicht:
Einmal im Monat werden dort von HörerInnen, Bands und KlangbastlerInnen
eingesandte Musiktitel durch den Äther gejagt. Jüngst haben die
Macher mit "4 Spur Show, Vol. 1" die erste Cassetten-Compilation
mit 19 Beispielen verîffentlich. Unter den Songs und Skizzen auch,
mein Favorit, Stellas "Viens mon bébé" (von DER Stella?).
Wer Lust hat mitzumachen, sende Material an: Roli Strobel, Neptunstr.
10, 8032 Zürich. Kontakt auch: phil_amrein@hotmail.com
Richtig
gut gefällt mir die neue CD der Züri West, "Super 8" [Sound
Service], wenngleich es auch kritisch anzumerken gilt, dass Kuno
Lauener & Co., siehe den Instrumental-Eröffnungstrack "Cruiser"
und das beschwingte "Molto", ein wenig spät auf den Easy-Listening-Zug
aufzuspringen versuchen. Oder habe ich was falsch verstanden. Jedenfalls
ist ihnen eine sehr lässige Platte gelungen.
Was ich vom
neuesten Werk der "Les Reines Prochaines" [Make Up/RecRec]
leider nicht ganz sagen kann. Deren Mixtur aus französischem Chanson,
deutschem Kunstlied, Humoresken, etc. klingt mir ein wenig zu bemüht
manchmal. Da gefallen mir ältere Werke der Damen (vor allem "Lob
Ehre Ruhm Dank" von 1993) viel besser. Was nicht nur mit daran
liegen mag, dass damals noch lovely Pipilotti Rist mit von der Partie
war. Schiisegliich.
Der
aussterbenden Spezies der derben Garagenrocker gehören die Berner
Monsters an. "Bird Eat Martians" [Voodoo Rhythm/EfA] heisst
das jüngste Album der wilden Truppe, die sich mit ihrem dreckigen
Garagenpunk zwischen Sonics und Cramps, Oblivians und Stooges auch
gut auf dem Label für solche Fälle, Crypt, gut machen würden. Aaarggh!
|