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Ars Acustica:
riverrun
[Schott-Wergo]
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Neue Vocalsolisten
Stuttgart: Diverse
[col legno Musikproduktion]
[fs]
Am Anfang , vor jeder Formung war das Geräusch. So müßte die Genesis
der "Ars Acustica" beginnen, und sie setzt wirklich mit
der Befreiung des Klangs aus seiner harmonischen Syntax ein, mit
Luigi Russolo und seinen systematischen 6 Geräuschfamilien ("Die
Geräuschkunst", 1913) und seinen Intonorumori, diesen geräuscherzeugenden
Maschinen, die ihren autonomen Stellenwert innerhalb der Orchestrierung
einforderten. Nicht nur Maschinellerzeugtes, auch die Intonationen
der Mundhöhle strebten wie auch bei Artauds "Theater der Grausamkeit"
nach Geltung: Eine stimmlich atmende Gebärdensprache kombinierter
Kontraktions- und Entspannungszustände vor jeder Äußerung, Fragmente
des Sprachlich-sinnlichen. Eine weitere Spur: die neo-semantische
"phonetische Poesie" Jandls ("Spaltungen" der
Stimme), die den Ausdrucksgehalt in die Gestaltung der Syntax verlagert,
an eine Sprache erinnert, deren Geheimnis die Sprache verloren hat.
"Voicings" (CD1) und "soundscapes" (CD2) erinnern
an die Grenzen der semantischen Artikulation, operieren in einem
Grenzbezirk, der unbestimmte Laut- und Milieuklänge zu unzähligen
Synthesen montiert: Henri Chopins poésie sonore (Mundhöhle als Klangfabrik),
Bermanges Artikulation im leeren Raum ("SOS"), Kagels
Reflexionen auf Orwell oder "Nah und Fern", ein Radiostück
für Glocken und Trompeten mit Hintergrund (Utrecht), Pierre Henrys
Ruttmann-Homage "La ville" (Paris) oder Pauline Oliveros´
Indienerinnerungen "Humayun´s Tomb" unter dem übergreifenden
Motto: Versuche nicht den Klang zu ändern, laß den Klang sich selbst
ändern. Das Geheimnis aber lichtet sich spätestens mit den Neuen
Stuttgarter Vocalsolisten mit Werken von Scelsi, Neuwirth, Dohmen,
Xenakis oder Schnebel, eine stimmliche Alchimie im Grenzbezirk ihrer
Autonomie. Die Stimme dient in ihrer Reinheit hier ebensowenig als
semantische Begleitfunktion, eher als Gestalterin des eigenen Milieus,
und somit ergänzen die drei CDs (auf zwei Editionen verteilt) die
Entdeckungsreise ins Reich stimmlich-artikulierter Forschung trefflichst.
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