Nr. 10 / Mai 1999

















Gästebuch


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Rückblick Moderne:
Orchestermusik im 20. Jahrhundert

[col legno Musikproduktion]

[fs] Letztlich ist es ein müßiges Unterfangen, eine wahre Sisyphosarbeit, die hier vereinten Werke unterschiedlichster Coleur in ihrem Gesamtheit erfassen, zu wollen, und hieran erschöpft sich auch die mit 8 CDs versuchte Unterteilung, es bleibt bei aller Bemühung doch nur ein Fragment aus Stuttgart: Von Stravinskys skandalumwehter Rhythmusperle "Sacre du printeps", Varèses tönendem Elektronenmodell "Ionisation" für 13 Schlagzeuger über eine kryptographische "In-Schrift" vom Plasmakünstler W. Rihm zu Werken von Messiaen oder Maderna, die repräsentativ für den rezeptiven Zustand dieses Jahrhunderts nach wie vor einer breiteren Rezeption harren. 8 Tage-CDs schaffen zwar einigen Platz, nur der ist der wohlbekannte Tropfen auf dem musikindustriellen Stein, der im Geraune der öffentlichen Befindlichkeit an Kontur zu verlieren droht. Ganz im sokratischen Geist der Hebammenkunst stehen dann die Herren Zender, Gielen, Davis oder Hollinger, auch mit seinem stilistisch zwischen Mahler und Berg angesiedelten "Drei Liedern an Georg Trakl": Ein Erlebnis von Lyrik, die Musik zur Sprache bringt – und umgekehrt: Musik, die Lyrik zum Klingen bringt. Am selben Tag trifft man dann neben der Zweiten Wiener Schule noch auf Carters symptomatischen "musikalischen Charaktere" die via "metrische Modulationen" in einen Zusammenhang eingelassen werden, der die Alterität der Charaktereinheiten stiftet und sie so "piu cantabile" (Tagesmotto) untereinander kommunizieren läßt (nicht allein ein primäres Anliegen Carters). Schon diese liebevoll gestaltete Schuber-Edition mit 118-seitiger edel illustrierter Informationsdreingabe zur Tagesordnung ("Explosion/Implosion", "Images", "Konzept" "minimal postludien" und zwei Podiumsgespräche), zu Werk und Gestalt lädt ein zu einem sensitiven Gespräch mit der Neuen Musik, ist Ausblick, Rückblick und Einblick zugleich, und das ist eine Aufforderung.

Letzte Änderungen: 28.12.2001
Produziert von
Peter Pötsch