Nr. 10 / Mai 1999

















Gästebuch


Northern Beats

Palace of Pleasure, dbut records und die Osloer-Szene

"I love to dance, I love to swing my hips" verkündet eine dröge, gesampelte Frauenstimme auf "Beat", Palace of Pleasures Beitrag zum formidablen norwegischen Elektronicsampler "The Oslo Agreement" [Homebase Communication / Indigo]. Darunter obskure Beats, verfremdete Saxophonschreie und allerlei Electonica. Palace of Pleasure gehören zusammen mit Per Platou und Ulf Knudsen (ex-Sister Rain) alias Nood, dem zwölfköpfigen Musikerkollektiv Jaga Jazzist und Flötenweirdo Sternklang sowie Perculator zu den interessantesten Acts der umtriebigen Osloer Szene. Abgesehen von Jaga Jazzist haben sie allesamt auf dem norwegischen Label dbut Records eine Heimat gefunden, haben im weiten Feld zwischen Ambient, Drum & Bass, Dub und Hip Hop ihre eigene musikalische Handschrift entwickelt. In Deutschland kümmert sich Hombase Communications, der Electronic-Ableger des Hamburger Labels Stickman Records um die Errungenschaften der Nordlichter. Leeson traf die 1994 gegründeten Palace of Pleasure und unterhielt sich mit Jeroen, Stian, Björn, Sigmund und Ketil alias M´ba Larsen, Mr. Sister , Jomba La Bomba, MC/ DC und Justin Tyme über Oslo, die Musiker-Fun-Guerilla-Organisation "Popens Interesseorganisasjon" und DJ-Kicks-Starlette Nicolette.

Von Markus Zinsmaier

Könnt ihr mir etwas über die Osloer-Musikszene erzählen?

Jeroen:"Es gibt in Wirklichkeit eine ganze Reihe von Szenen in Oslo. Die Szene der wir uns zugehörig fühlen, das ist die Underground-Electronic-Szene. Das sind Acts wie Sternklang, Perculator oder Sketch. Dann gibt es da noch eine House-Szene, die vor allem in den Clubs aktiv ist."

Stian:"Wir sind Musiker und gehören nicht zur DJ-Szene. Das ist sehr stark getrennt, wenngleich wir uns natürlich kennen. Wir sind auf einer kleinen Plattenfirma und machen fast alles selbst."

Björn: "Es ist einfach, weil wir unser Konzerte selbst organisieren. Wir kennen die Leute von den Clubs, die das booking machen..."

Jeroen:"Sie rufen einfach bei uns an und wir sagen zu. Norwegen ist so ein kleines Land, so daß es in der Regel kein Problem ist Gigs zu bekommen, auch in anderen großen Städten in Norwegen."

Stian:"Das Problem ist eher wem man absagen muß..."

Jeroen:" Wir sind, um das mal auf den Punkt zu bringen, vollkommen unabhängig, die (Lachen) vermutlich "most independent band" in Norwegen..."

Ihr seid auf der Oslo-Agreement-Compilation mit dem Stück "Beat" vertreten. Was mir beim Anhören aufgefallen ist, ist daß das gesamte Album irgendwie wie eine Einheit, ein geschlossenes Ganzes klingt. Liegt das daran, daß ihr euch alle kennt, auch zusammen in anderen Projekten mitwirkt, bzw. euere Sachen gegenseitig remixt?

Stian:"Ja, vermutlich kann man das Hören..."

Sigmund:"Andererseits gab es da eine große Jury. Wir spielten uns gegenseitig Demos vor und da wir einen ähnlichen Geschmack haben, wurden Stücke ausgewählt, die irgendwie zusammen passen."

Björn: "Vieles auf dem Sampler ist irgendwie laidback, so eine Art Chill-out-Musik. Das ist eine Tendenz der Osloer Musikszene..."

Jeroen:"Wir sind nicht laidback..."

Stian:"Wir waren laidback...Unser erstes Album ist sehr viel ambientmäßiger. Heute mischen wir mehere Stile zusammen, haben Spaß an Beats und auch daran live zu spielen..."

Sigmund:"Das neue Album wird ganz anders sein: Viel beatlastiger, mit mehr Gitarren..."

Jeroen:"...und besseren Songs. Das ist etwas, was ich bei vielen elektronischen Bands vermisse: Songstrukturen, gute Melodien..."

Sigmund:"Auf dem neuen Album ist auch ein Rapper dabei sowie ein Dj von Pen Jakke an den Turntables, der scratchen wird..."

Stimmt es eigentlich, daß ihr mit Nicolette zusammengearbeitet habt. Ihr seid ja auf ihrem "DJ-kicks" Album vertreten?

Alle zusammen beschämt: NEIN....

Sigmund:"In Wirklichkeit haben wir nur mit ihr zusammen getrunken... Wir haben sie auf einem Festival Backstage getroffen... Wir waren etwas schüchtern..."

Jeroen:"Wir haben da einen Freund, der Journalist bei einem Radiosender ist, der hat uns mit ihr und mit Leftfield, die auch dort waren, bekannt gemacht."

Björn:"Wir sagten, daß wir ihr unsere CD schicken würden. Sie hat es sich angehört, hat ein Stück ausgewählt, hat einen Remix davon gemacht und es auf ihre Compilation gebracht."

Sigmund:"Aber um auf die Frage zurück zu kommen: Drinken ja, Arbeiten nein..."

Immerhin ein Anfang... Was ist für Euch der Unterschied zwischen Euren Studioproduktionen und Eueren Liveauftritten. Improvisiert ihr live viel?

Jeroen:"Live das heißt: Schreien, Springen, Hüpfen, Tanzen..."

Björn:"Live sind wir mehr wie eine Rockband..."

Sigmund:"Wir wollen in Kontakt treten mit dem Publikum, sind dann mehr Musiker, haben weniger Maschinen..."

Stian:"Es gibt auch auf den CDs eine ganze Menge Improvisation. Vor allem auf dem ersten Album "Release the pleasure", aber auch auf "Emperor Norton". Oftmals überarbeiten wir auch Songs. "Rainy Day" z.B.- von unserer letzten Ep – ist eines unserer ältesten Sücke. Es ist die glaube ich vierte Version dieses Songs."

Was ganz anderes: Ihr seid alle Mitglieder der Musiker-Fun-Guerilla-Organisation "Popens Interesseorganisasjon" kurz PIO. PIO verteidigt die Rechte und Verbindlichkeiten der norwegischen Musiker, setzt sich für breakfast in bed, kostenlose Boottrips nach Dänemark und die Auslöschung der Rockmusik auf dem Planeten ein. Rockmusik werde – Zitat – "von fettleibigen, pickeligen Dilettanten mit langen Nasenhaaren" gespielt und PIO hätte für diese "degenerierte Musikform" nur Verachtung übrig. Widerspricht das nicht ein bißchen Euerem Live-Gebärden. Ihr benutzt ebenfalls Gitarren, Baß, letztlich Rockinstrumente?

Björn:"PIO repräsentiert die Popmusik. Wir machen auch Popmusik.... Aber es geht auch um Frauen...."

Jeroen:"Die Philosophie von PIO ist: Sei Deiner Frau oder Deinem Mann treu und hab´sehr viel Spaß. Hab´eine gute Zeit und..."

Sigmund lasziv: "...spiel´ P-O-P-M-U-S-I-C..."

Jeroen:" P-O-P das sind natürlich zugleich auch die Initialen von Palace of Pleasure... Du kannst ein Mitglied von PIO werden. PIO kümmert sich um Gratisessen und um vieles mehr...um Konzerte und Bustrips zu Musikfestivals etc etc etc..."

Ich bedanke mich für das Gespräch

Diskographie:

1996 Release the Pleasure (Album, sold out)

1997 V.A.- Nicolette DJ-kicks CD" (!K7 Records)

1997 V.A.- The Oslo Agreement (dbut Records / Homebase Communications)

1997 Emperor Norton (Album, dbut Records / Homebase Communications)

1998 In the sky (EP, dbut Records / Homebase Communications)

Letzte Änderungen: 28.12.2001
Produziert von
Peter Pötsch