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Donaueschinger
Musiktage: 1998
[col legno Musikproduktion]
[fs] Just zu
den aktuellen Musiktagen erscheint nach gewohnter einjähriger
Selektions- und Inkubationszeit das Portrait der 1998er Donaueschinger
Musiktage, die ihrerzeit unter dem Zeichen »Musikalische Konfigurationen
der Beziehung zwischen Individuum und Kollektiv« standen.
Wie komplex dieser thematische Bezug und ihre Vermittlung [nach
Adorno] auch anmuten mag, wie problematisch in seiner umfassenden
Realisation, so wagt col legno auf vier CDs doch wieder einen repräsentativ-dokumentarischen
Versuch mit Exponaten wie Hosokawa, Pagh-Paan Wolff oder Zeller,
um nur einige herauszugreifen:
»Silent
Flowers« gestaltet die Vermittlung auf der Basis von Stille,
die wie bei Webern oder Nono ein farbig-leuchtende, wenn auch vergängliche
Blütenpracht entfalten, um in das kollektive Schweigen wieder
abzutauchen. »SOWON ... Borira« besingt die Fremdheit
in der Sprache und ihr Begehren nach Überwindung, nach dem
unerfüllbaren Wunsch, der das »Bewusstsein für die
Dimension des Möglichen« oder Freiheit eröffnet.
»John, David« kündigt technisch in bekannter Cage-I-Ching-Manier
den autoritären Charakter des Orchesters auf und löst
im Gegenzug das Begehren nach Solo-Individualität ein. Und
»Babylon«? »Wohlauf, lasst uns herniederfahren
und dort ihre Sprache verwirren, dass keiner des anderen Sprache
verstehe!« Ich denke, das ist Credo genug, Credo für
die anhaltende Verwirrung über uneinlösbar erscheinende
Integrationsstrategien, Strategien zur Wiederfindung des verlorenen
Kollektivs. Und kurioserweise begegnet doch etwas Ganzes, wenn auch
als Pseudo oder Wunsch verfremdet. Die Suche um Vermittlung und
Sprache geht weiter, und sie muss. Wohldenn! |