Nr. 11 / Februar 2000

















Gästebuch


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Donaueschinger Musiktage: 1998

[col legno Musikproduktion]

[fs] Just zu den aktuellen Musiktagen erscheint nach gewohnter einjähriger Selektions- und Inkubationszeit das Portrait der 1998er Donaueschinger Musiktage, die ihrerzeit unter dem Zeichen »Musikalische Konfigurationen der Beziehung zwischen Individuum und Kollektiv« standen. Wie komplex dieser thematische Bezug und ihre Vermittlung [nach Adorno] auch anmuten mag, wie problematisch in seiner umfassenden Realisation, so wagt col legno auf vier CDs doch wieder einen repräsentativ-dokumentarischen Versuch mit Exponaten wie Hosokawa, Pagh-Paan Wolff oder Zeller, um nur einige herauszugreifen:

»Silent Flowers« gestaltet die Vermittlung auf der Basis von Stille, die wie bei Webern oder Nono ein farbig-leuchtende, wenn auch vergängliche Blütenpracht entfalten, um in das kollektive Schweigen wieder abzutauchen. »SOWON ... Borira« besingt die Fremdheit in der Sprache und ihr Begehren nach Überwindung, nach dem unerfüllbaren Wunsch, der das »Bewusstsein für die Dimension des Möglichen« oder Freiheit eröffnet. »John, David« kündigt technisch in bekannter Cage-I-Ching-Manier den autoritären Charakter des Orchesters auf und löst im Gegenzug das Begehren nach Solo-Individualität ein. Und »Babylon«? »Wohlauf, lasst uns herniederfahren und dort ihre Sprache verwirren, dass keiner des anderen Sprache verstehe!« Ich denke, das ist Credo genug, Credo für die anhaltende Verwirrung über uneinlösbar erscheinende Integrationsstrategien, Strategien zur Wiederfindung des verlorenen Kollektivs. Und kurioserweise begegnet doch etwas Ganzes, wenn auch als Pseudo oder Wunsch verfremdet. Die Suche um Vermittlung und Sprache geht weiter, und sie muss. Wohldenn!

Letzte Änderungen: 28.12.2001
Produziert von
Peter Pötsch