Nr. 12 / Juli 2000

















Gästebuch



Ausserirdische? Spassvögel? Schrullige Rentner?

Die englischen Kornkreise interessieren Croppies aus aller Welt

Nun ist es wieder soweit: Wie jeden Sommer tauchen im Süden Englands die rätselhaften Kornkreise in den Feldern auf. Die mysteriösen Erscheinungen locken jedes Jahr Hobbyforscher und Kornkreis-Fans, "Croppies" aus aller Welt auf die Insel. Einer davon ist der Zürcher Musiker Christian "Die Welttraumforscher" Pfluger, der für LEESON Licht ins Dunkel bringt. Oder auch nicht.

Von Christian Pfluger

Als zwei englische Privatpiloten Mitte der siebziger Jahre erstmals auf ihren Flügen kreisrunde Eindrücke in Getreidefeldern der Grafschaft Wiltshire entdeckten, sprachen sie scherzhaft von "UFO-Nestern". Zu sehr erinnerten sie die absolut perfekt ins Getreide gedrückten Kreise an die Spuren gelandeter und wieder gestarteter UFOs. Über zwei Jahrzehnte später spricht niemand mehr von UFO-Landeplätzen - zu bizarr, vielfältig und komplex sind die sogenannten Kornkreise inzwischen geworden. Gleichwohl sind die UFOs ein Thema geblieben. - Wer sonst, als die Ausserirdischen sollte in der Lage sein, Jahr für Jahr und in schönster, unbeirrbarer Regelmässigkeit geometrische Muster in der Grösse von Fussballfeldern erscheinen zu lassen? Und wer anders als "ET" sollte an einem solch nutzlosen Unterfangen, ein Interesse haben, an einem Unterfangen, dessen einziger Grund ja wohl die schonungsvolle Kontaktaufnahme mit uns Erdlingen sein kann?

In diesen fünfundzwanzig Jahren hat sich das Phänomen auf geradezu atemberaubende Art und Weise entwickelt und nur eines hat auf sich warten lassen: Die Antwort, weshalb überhaupt in schönster Regelmässigkeit Jahr für Jahr Kornkreise in den südenglischen Felder entstehen. Nur eines ist sicher: Sie entstehen über Nacht und sie sind von einer atemberaubenden Präzision und Schönheit. Und sie haben ihre vermeintlichen Schöpfer, die beiden Rentner Doug und Dave, die sich im Jahre 1992 als deren alleinige Hersteller in der Presse outeten, überlebt. Die Welt freilich konnte mit der Antwort, zwei schrullige Rentner drückten nur mal eben so zum Spass so an die sechzig komplizierteste Formationen über Nacht ins Getreide, ohne auch nur einmal erwischt zu werden, gut leben und liess es bei dieser Antwort bewenden. Leider hat diese Antwort nachweislich einen kleinen Schönheitsfehler: sie ist falsch!

Also doch Studenten, die sich einen Ulk erlauben? Arbeitlose Fanatiker, die UFO-Gläubige an der Nase herumführen wollen? Oder einfach esoterische Lustwandler, die sich einen Spass daraus machen, auf Antworten aus dem All wartenden Individuen die Rechnung zu präsentieren? Vorstellbar sind solche Theorien aber nur auf den ersten Blick. Wer hätte schon die Ausdauer, über 25 Jahre hinweg allsommerlich in den manchmal unangenehm feuchten und kalten englischen Nächten unterwegs zu sein und stets mit neuen Designs zu glänzen? Und wie kommt es, dass in diesen 25 Jahre n noch kein einziger "Kornkreis"-Macher entdeckt worden ist - auf frischer Tat schon gar nicht? Schliesslich gibt es Kornkreise, die physikalisch nicht herstellbar sind - etwa die "Basket" getaufte Siebenstern-Formation von 1999, in der das Getreide richtiggehend ineinandergeflochten war und ein dreidimensionales Teppichmuster bildete.

Die Kornkreis jedenfalls entstehen weiter Jahr für Jahr. Sie werden nicht nur immer komplizierter und grösser, sondern sie erscheinen auch in immer mehr Regionen auf der Erde. Längst schon tauchen die meist aus Sicheln, Kreisen, Sternen, Linien und Dreiecken zusammengesetzten, kunstvoll verschachtelten Formen auch in Tschechien, den USA, Kanada, Deutschland, Belgien und Holland auf. Und überall sind die sogenannten "Croppies" auf der Spur, selbsternannte Forscher, die zumeist im Urlaub in die Regionen mit den meisten Kornkreisen reisen, um mit Gleichgesinnten aus aller Welt dem Rätsel nachzuspüren. Obwohl sich diese Amateure mit Forschereifer ganze Nächte draussen in den Kornfeldern um die Ohren schlagen, hat bis jetzt noch keiner die Entstehung eines Kornkreises miterleben können. Oder doch? 1996 tauchte eine Videoaufnahme auf, die die Entstehung eines Kornkreises bei Olivers Castle in der südenglischen Kleinstadt Devizes zeigt. Frühmorgens von einem Hügel aus gedreht, zeigen die verwackelten Aufnahmen ein unversehrtes Getreidefeld, über dem plötzlich fliegende Lichtkugeln erscheinen, über dem Feld zu kreisen beginnen und dann in Sekundenschnelle das überdimensionale Muster eines Schneesterns ins Korn drücken. Wurde hier zum ersten mal die Entstehung eines Kornkreises gefilmt oder handelt es ich um eine gut gemachte Computeranimation? Zwei Dinge jedenfalls stehen fest: Der junge Engländer, der diese Aufnahmen gemacht hat, wurde am Abend zuvor im Stammpub der englischen "Croppies", im "Barge Inn" gesichtet. Dort sprach er über sein Vorhaben, am Olivers Castle in einem Zelt zu übernachten. Und der Kornkreis, der in dem Video entsteht, war tatsächlich am nächsten Tag in dem Feld zu bewundern: ein siebzig Meter grosser, in seiner schlichten Harmonie beeindruckender Schneestern.

Nach wie vor bleibt also die Antwort uns selbt überlassen. Und das ist auch gut so und vielleicht sogar von den wahren Schöpfern der Kornkreise so gewollt. Es ist beinahe wie mit den UFOs: Niemand muss, aber jeder kann an sie glauben. Die Kornkreise freilich gehen einen Schritt weiter als die umstrittenen unbekannten Flugobjekte. Sie sind da und für jeden sichtbar - mag er nun an Kornkreise glauben oder nicht. Sollten also tatsächlich freundlich gesinnte Ausserirdische ihre Hände im Spiel haben, so könnte man jetzt einfach sagen: Sie sind mit den Kornkreisen einen Schritt weitergegangen. Was aber, wenn in diesem gross angelegten Szenario auch noch ein dritter Schritt geplant wäre? - Interessante Frage.

 

Letzte Änderungen: 28.12.2001
Produziert von
Peter Pötsch