Ausserirdische? Spassvögel? Schrullige Rentner?
Die englischen
Kornkreise interessieren Croppies aus aller Welt
Nun ist
es wieder soweit: Wie jeden Sommer tauchen im Süden Englands
die rätselhaften Kornkreise in den Feldern auf. Die mysteriösen
Erscheinungen locken jedes Jahr Hobbyforscher und Kornkreis-Fans,
"Croppies" aus aller Welt auf die Insel. Einer davon ist
der Zürcher Musiker Christian "Die Welttraumforscher"
Pfluger, der für LEESON Licht ins Dunkel bringt. Oder auch
nicht.
Von Christian Pfluger
Als zwei englische
Privatpiloten Mitte der siebziger Jahre erstmals auf ihren Flügen
kreisrunde Eindrücke in Getreidefeldern der Grafschaft Wiltshire
entdeckten, sprachen sie scherzhaft von "UFO-Nestern".
Zu sehr erinnerten sie die absolut perfekt ins Getreide gedrückten
Kreise an die Spuren gelandeter und wieder gestarteter UFOs. Über
zwei Jahrzehnte später spricht niemand mehr von UFO-Landeplätzen
- zu bizarr, vielfältig und komplex sind die sogenannten Kornkreise
inzwischen geworden. Gleichwohl sind die UFOs ein Thema geblieben.
- Wer sonst, als die Ausserirdischen sollte in der Lage sein, Jahr
für Jahr und in schönster, unbeirrbarer Regelmässigkeit
geometrische Muster in der Grösse von Fussballfeldern erscheinen
zu lassen? Und wer anders als "ET" sollte an einem solch
nutzlosen Unterfangen, ein Interesse haben, an einem Unterfangen,
dessen einziger Grund ja wohl die schonungsvolle Kontaktaufnahme
mit uns Erdlingen sein kann?
In diesen fünfundzwanzig
Jahren hat sich das Phänomen auf geradezu atemberaubende Art
und Weise entwickelt und nur eines hat auf sich warten lassen: Die
Antwort, weshalb überhaupt in schönster Regelmässigkeit
Jahr für Jahr Kornkreise in den südenglischen Felder entstehen.
Nur eines ist sicher: Sie entstehen über Nacht und sie sind
von einer atemberaubenden Präzision und Schönheit. Und
sie haben ihre vermeintlichen Schöpfer, die beiden Rentner
Doug und Dave, die sich im Jahre 1992 als deren alleinige Hersteller
in der Presse outeten, überlebt. Die Welt freilich konnte mit
der Antwort, zwei schrullige Rentner drückten nur mal eben
so zum Spass so an die sechzig komplizierteste Formationen über
Nacht ins Getreide, ohne auch nur einmal erwischt zu werden, gut
leben und liess es bei dieser Antwort bewenden. Leider hat diese
Antwort nachweislich einen kleinen Schönheitsfehler: sie ist
falsch!
Also doch Studenten,
die sich einen Ulk erlauben? Arbeitlose Fanatiker, die UFO-Gläubige
an der Nase herumführen wollen? Oder einfach esoterische Lustwandler,
die sich einen Spass daraus machen, auf Antworten aus dem All wartenden
Individuen die Rechnung zu präsentieren? Vorstellbar sind solche
Theorien aber nur auf den ersten Blick. Wer hätte schon die
Ausdauer, über 25 Jahre hinweg allsommerlich in den manchmal
unangenehm feuchten und kalten englischen Nächten unterwegs
zu sein und stets mit neuen Designs zu glänzen? Und wie kommt
es, dass in diesen 25 Jahre n noch kein einziger "Kornkreis"-Macher
entdeckt worden ist - auf frischer Tat schon gar nicht? Schliesslich
gibt es Kornkreise, die physikalisch nicht herstellbar sind - etwa
die "Basket" getaufte Siebenstern-Formation von 1999,
in der das Getreide richtiggehend ineinandergeflochten war und ein
dreidimensionales Teppichmuster bildete.
Die Kornkreis
jedenfalls entstehen weiter Jahr für Jahr. Sie werden nicht
nur immer komplizierter und grösser, sondern sie erscheinen
auch in immer mehr Regionen auf der Erde. Längst schon tauchen
die meist aus Sicheln, Kreisen, Sternen, Linien und Dreiecken zusammengesetzten,
kunstvoll verschachtelten Formen auch in Tschechien, den USA, Kanada,
Deutschland, Belgien und Holland auf. Und überall sind die
sogenannten "Croppies" auf der Spur, selbsternannte Forscher,
die zumeist im Urlaub in die Regionen mit den meisten Kornkreisen
reisen, um mit Gleichgesinnten aus aller Welt dem Rätsel nachzuspüren.
Obwohl sich diese Amateure mit Forschereifer ganze Nächte draussen
in den Kornfeldern um die Ohren schlagen, hat bis jetzt noch keiner
die Entstehung eines Kornkreises miterleben können. Oder doch?
1996 tauchte eine Videoaufnahme auf, die die Entstehung eines Kornkreises
bei Olivers Castle in der südenglischen Kleinstadt Devizes
zeigt. Frühmorgens von einem Hügel aus gedreht, zeigen
die verwackelten Aufnahmen ein unversehrtes Getreidefeld, über
dem plötzlich fliegende Lichtkugeln erscheinen, über dem
Feld zu kreisen beginnen und dann in Sekundenschnelle das überdimensionale
Muster eines Schneesterns ins Korn drücken. Wurde hier zum
ersten mal die Entstehung eines Kornkreises gefilmt oder handelt
es ich um eine gut gemachte Computeranimation? Zwei Dinge jedenfalls
stehen fest: Der junge Engländer, der diese Aufnahmen gemacht
hat, wurde am Abend zuvor im Stammpub der englischen "Croppies",
im "Barge Inn" gesichtet. Dort sprach er über sein
Vorhaben, am Olivers Castle in einem Zelt zu übernachten. Und
der Kornkreis, der in dem Video entsteht, war tatsächlich am
nächsten Tag in dem Feld zu bewundern: ein siebzig Meter grosser,
in seiner schlichten Harmonie beeindruckender Schneestern.
Nach wie vor
bleibt also die Antwort uns selbt überlassen. Und das ist auch
gut so und vielleicht sogar von den wahren Schöpfern der Kornkreise
so gewollt. Es ist beinahe wie mit den UFOs: Niemand muss, aber
jeder kann an sie glauben. Die Kornkreise freilich gehen einen Schritt
weiter als die umstrittenen unbekannten Flugobjekte. Sie sind da
und für jeden sichtbar - mag er nun an Kornkreise glauben oder
nicht. Sollten also tatsächlich freundlich gesinnte Ausserirdische
ihre Hände im Spiel haben, so könnte man jetzt einfach
sagen: Sie sind mit den Kornkreisen einen Schritt weitergegangen.
Was aber, wenn in diesem gross angelegten Szenario auch noch ein
dritter Schritt geplant wäre? - Interessante Frage.
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