Nr. 12 / Juli 2000

















Gästebuch


Da geht was und da geht noch mehr

Die Hamburger Dynamite Deluxe zum "Sell-Out"-Vorwurf

Selloutvorwürfe gehören wohl zu HipHop, wie kein Zucker in’n Kaffee. Fast zyklisch tauchen sie in jeder neuen Generation von Headz und solchen, die es werden wollen, auf. Sie halten sich hartnäckig und bislang scheint kein Kraut gegen sie gewachsen. Ein, zwei Gedanken zum Thema von Samy Deluxe.

Von Markus Hablizel

Sam Semilla ist ein Battlemonster. Das hat inzwischen wohl jeder mitbekommen. Die, die es nicht wissen wollten, übrigens auch. Ob Freestyle oder geschriebener Reim, ob auf der hauseigenen Dynamite-Deluxe-LP ’Deluxe Soundsystem’, oder auf einer der diversen Kollabos. Den imaginären Gegenspielern wird unmißverständlich klar gemacht, dass man unter dem von DD vorgelegten Niveau den Stift erst gar nicht aufs Papier zu setzen und die Hand nicht ans Mic oder den 1210er zu legen hat. Wenn das dann, wie auf dem Non LP-Track ’Ich hoffe ihr versteht’, in smart-ironischen Größenwahn ausartet, letztlich aber doch irgendwie versöhnlich klingt, dann dürfte auch den größten Skeptikern klar geworden sein, dass sich Competition und Humor eben nicht ausschließen: "MCs eure Zeit ist um/ ihr wart für niemand je eine Bereicherung/und es wär’ besser wenn ihr geht/MCs es ist überhaupt nicht bös’ gemeint/aber ich will und muß einfach der Größte sein/und ich hoffe ihr versteht."

 Allerdings scheinen nach dem überwältigenden Erfolg von ’Bambule’, Jan Delays &Dennis Dubplates ’Irgendwie, Irgenwo, Irgendwann’ und dem Dynamite-Deluxe-Debüt, nicht alle alles verstanden zu haben. Schnell ist man mit den üblich dumpfen Ausverkaufsvorwürfen bei der Hand, wirft Eißfeldt und Denio die Nena-Coverversion als kalkulierte Goldeselaktion vor und vermutet DD wohl auf dem nächsten Bravo-Cover. Ein Bild, das Samy Deluxe gründlich zurechtzurücken weiß."Die Leute haben überhaupt keine Ahnung, dass man bei so einem Coverversionending überhaupt kein Geld kriegt. Die denken alle, man covert irgendwas und macht damit dann Scheine. Wenn das so leicht wäre; das ist doch totaler Schwachsinn." Als wollten sie allen bisherigen und zukünftigen ’Die-Hansestadt-geht-Pop-und-verrät-den-Untergrund-Dogmatikern’ den Wind aus den Segeln nehmen, remixen DD auf dem Beginner Remix-Album ’Boombule’ den Track ’Geht was’. Die bisherigen Beginner-Lyrics werden gekickt und Herr Deluxe droppt einen komplett neuen Text, in dem er auf eine ziemlich lustig zurückgelehnte Art und Weise verdeutlicht: "Untergrund und kredibil haben nix zu tun mit ’nem Motor- oder Emi-Deal/. Wir sind nicht ohne Grund wo wir sind, bei uns geht eben was."

"Für uns ist dieses Sellout-Thema sowieso keine Frage. Jeder von uns macht eben so seine Musik und ist da für sich sicher, dass es gute Musik ist. Wenn man mal so’n paar Jahre in Deutschland rumgereist ist, ist es auch echt zu klein und es gibt zu wenig Leute, die wirklich Ahnung haben, als dass man sich von diesen Dogmen einschränken lassen könnte. Wenn alle Leute, die diese Dogmen vertreten, selber was am Start hätten, dann könnte man das ja noch ernst nehmen."

Ein Grund für die relative Entspanntheit im Umgang mit etwaigen Kritikern ist sicher das gut funktionierende Netz an Labels, Studios oder Promotioncompanies, das man sich in Hamburg geschaffen hat. Buback und Yo Mama sind eben nicht die gesichtslosen Majors, die starre Marketingkonzepte über Künstler stülpen. Und anstatt sich mit dem verdienten Geld 40 Meter lange Limos zu bestellen oder mal eben zum Frühstück nach Las Vegas zu jetten, reinvestiert man konsequent in unzählige eigene, kleinere Projekte wie z.B. La Boom (Tropf von DD & Eißfeldt) oder bringt neue Künstler auf Eimsbush heraus. Wenn man das Heft selbst in der Hand hat, verheddert man sich auch kaum in einem allzu starren HipHop-Verständnis, sondern läßt seinen Vorlieben für (Dub-)Reggae, Pop oder sonstigen Kram, freien Lauf. Ob das nun goutiert wird oder nicht, ist erst mal egal. Die Verwertungsfrage muß man sich bei der Produktion eben nicht stellen. Bei so einer Vorgehensweise entstehen Dinge, die einen immer wieder aufs Neue staunen, lachen und hoffen lassen. Eine Portion Hamburg würde also auch einem Teil der anderen HipHop-Spechte in Deutschland ganz gut stehen. Denn wie sagt Samy so schön: "Da geht was und da geht noch mehr."

Letzte Änderungen: 28.12.2001
Produziert von
Peter Pötsch