Da
geht was und da geht noch mehr
Die Hamburger
Dynamite Deluxe zum "Sell-Out"-Vorwurf
Selloutvorwürfe
gehören wohl zu HipHop, wie kein Zucker in’n Kaffee. Fast zyklisch
tauchen sie in jeder neuen Generation von Headz und solchen, die
es werden wollen, auf. Sie halten sich hartnäckig und bislang
scheint kein Kraut gegen sie gewachsen. Ein, zwei Gedanken zum Thema
von Samy Deluxe.
Von
Markus Hablizel
Sam Semilla
ist ein Battlemonster. Das hat inzwischen wohl jeder mitbekommen.
Die, die es nicht wissen wollten, übrigens auch. Ob Freestyle
oder geschriebener Reim, ob auf der hauseigenen Dynamite-Deluxe-LP
’Deluxe Soundsystem’, oder auf einer der diversen Kollabos. Den
imaginären Gegenspielern wird unmißverständlich
klar gemacht, dass man unter dem von DD vorgelegten Niveau den Stift
erst gar nicht aufs Papier zu setzen und die Hand nicht ans Mic
oder den 1210er zu legen hat. Wenn das dann, wie auf dem Non LP-Track
’Ich hoffe ihr versteht’, in smart-ironischen Größenwahn
ausartet, letztlich aber doch irgendwie versöhnlich klingt,
dann dürfte auch den größten Skeptikern klar geworden
sein, dass sich Competition und Humor eben nicht ausschließen:
"MCs eure Zeit ist um/ ihr wart für niemand je eine Bereicherung/und
es wär’ besser wenn ihr geht/MCs es ist überhaupt nicht
bös’ gemeint/aber ich will und muß einfach der Größte
sein/und ich hoffe ihr versteht."
Allerdings
scheinen nach dem überwältigenden Erfolg von ’Bambule’,
Jan Delays &Dennis Dubplates ’Irgendwie, Irgenwo, Irgendwann’
und dem Dynamite-Deluxe-Debüt, nicht alle alles verstanden
zu haben. Schnell ist man mit den üblich dumpfen Ausverkaufsvorwürfen
bei der Hand, wirft Eißfeldt und Denio die Nena-Coverversion
als kalkulierte Goldeselaktion vor und vermutet DD wohl auf dem
nächsten Bravo-Cover. Ein Bild, das Samy Deluxe gründlich
zurechtzurücken weiß."Die Leute haben überhaupt
keine Ahnung, dass man bei so einem Coverversionending überhaupt
kein Geld kriegt. Die denken alle, man covert irgendwas und macht
damit dann Scheine. Wenn das so leicht wäre; das ist doch totaler
Schwachsinn." Als wollten sie allen bisherigen und zukünftigen
’Die-Hansestadt-geht-Pop-und-verrät-den-Untergrund-Dogmatikern’
den Wind aus den Segeln nehmen, remixen DD auf dem Beginner Remix-Album
’Boombule’ den Track ’Geht was’. Die bisherigen Beginner-Lyrics
werden gekickt und Herr Deluxe droppt einen komplett neuen Text,
in dem er auf eine ziemlich lustig zurückgelehnte Art und Weise
verdeutlicht: "Untergrund und kredibil haben nix zu tun mit
’nem Motor- oder Emi-Deal/. Wir sind nicht ohne Grund wo wir sind,
bei uns geht eben was."
"Für
uns ist dieses Sellout-Thema sowieso keine Frage. Jeder von uns
macht eben so seine Musik und ist da für sich sicher, dass
es gute Musik ist. Wenn man mal so’n paar Jahre in Deutschland rumgereist
ist, ist es auch echt zu klein und es gibt zu wenig Leute, die wirklich
Ahnung haben, als dass man sich von diesen Dogmen einschränken
lassen könnte. Wenn alle Leute, die diese Dogmen vertreten,
selber was am Start hätten, dann könnte man das ja noch
ernst nehmen."
Ein Grund für
die relative Entspanntheit im Umgang mit etwaigen Kritikern ist
sicher das gut funktionierende Netz an Labels, Studios oder Promotioncompanies,
das man sich in Hamburg geschaffen hat. Buback und Yo Mama sind
eben nicht die gesichtslosen Majors, die starre Marketingkonzepte
über Künstler stülpen. Und anstatt sich mit dem verdienten
Geld 40 Meter lange Limos zu bestellen oder mal eben zum Frühstück
nach Las Vegas zu jetten, reinvestiert man konsequent in unzählige
eigene, kleinere Projekte wie z.B. La Boom (Tropf von DD & Eißfeldt)
oder bringt neue Künstler auf Eimsbush heraus. Wenn man das
Heft selbst in der Hand hat, verheddert man sich auch kaum in einem
allzu starren HipHop-Verständnis, sondern läßt seinen
Vorlieben für (Dub-)Reggae, Pop oder sonstigen Kram, freien
Lauf. Ob das nun goutiert wird oder nicht, ist erst mal egal. Die
Verwertungsfrage muß man sich bei der Produktion eben nicht
stellen. Bei so einer Vorgehensweise entstehen Dinge, die einen
immer wieder aufs Neue staunen, lachen und hoffen lassen. Eine Portion
Hamburg würde also auch einem Teil der anderen HipHop-Spechte
in Deutschland ganz gut stehen. Denn wie sagt Samy so schön:
"Da geht was und da geht noch mehr." |