Wenn ich richtig glücklich bin, bin ich auch nicht
kreativ
Der schwedische
Popstar Jay-Jay Johanson über sein wunderbares neues Album
"Poison"
Vor vier
Jahren hat er uns mit seinem grossartigen Debütalbum "Whiskey"
alle überrascht. Als würden Frank Sinatra und Chet Baker
mit Massive Attack und Portishead jammen, so klang das in etwa,
was Jay-Jay Johanson uns auf grossen Songs wie "So Tell The
Girls That I am Back In Town" oder "It Hurts Me So"
anbot. Wo Jay-Jay hierzulande neben der Leeson-Redaktion nur wenige
Kritiker und Fans begeisterte, stieg er in Frankreich gleich zum
Popstar inklusive Titelbildern auf Non-Musikzeitschriften auf. Jetzt
ist mit "Poison" Album Nummer Drei erschienen. LEESON
plauderte mit dem Schweden.
Von Thomas Bohnet
Am Vorabend
unseres Gesprächs war Jay-Jay Johanson beim Konzert von Beck
in der Grossen Freiheit 36 in Hamburg. Wie war es denn beim Konzert?
JJ: Gut. Wir
haben Beth Orton zuerst gesehen und dann erst Beck, danach wollte
ich eigentlich noch zu Smith & Mighty, aber ich bin gestern
morgen so früh aufgestanden, dass ich dann doch lieber ins
Hotel bin.
Hat Dir
die Beck-Show gefallen?
JJ: Ich habe
ihn schon mal gesehen. Um ehrlich zu sein, bin ich nicht so richtig
in seiner Musik. Ich denke, er ist talentiert und kreativ, aber
das ist nicht meine Sache. Er ist mir manchmal ein bisschen zu sehr
ein Clown. Wenn ich in den Zirkus gehe, dann ist der Clown derjenige,
den ich am meisten hasse; ich mag alle anderen lieber. Ich mag Beth
Orton viel mehr, und es war cool, sie zu sehen. Sie ist die Art
von Mädchen, wo Du Dich nicht entscheiden kannst, ob sie hässlich
oder schön ist und das ist sehr interessant. Sie war sehr cool!
Interessant
an deiner Musik ist diese Kombination von soulfullem Gesang, der
einen eher an alte Crooner erinnert, diese Mixtur von alten Popballaden
zusammen mit diesem elektronischen Beat, Scratch-Passagen, sehr
jazzy. Wie kommt man zu so einer Mischung?
JJ:
Das begann eigentlich schon vor langer Zeit und war ein langsamer
Prozess. Als in den frühen Achtziger Jahren die erste HipHop-Welle
nach Schweden kam, war ich mittendrin. 82, 83 mit Graffiti, Breakdancing
und Afrika Bambaataa. Bis etwa 1986 interessierte mich das sehr.
Aber zur gleichen Zeit haben mein älterer Bruder und ich eine
Menge Keyboards und Drummachines gekauft. Wir haben angefangen,
Musik zu machen und das war Anfang der 80er sehr von Japan und diesen
New-Romantic-Sachen aus England inspiriert. Aber seit ich 1984 Chet
Baker live gesehen habe, hat sich meine Art des Songwritings langsam
verändert und es wurde mehr und mehr jazzy. Zu zweit machten
wir eine Art Electro-HipHop mit Drummachines und auf der anderen
Seite schreib ich jazzinspirierte Stücke. Damals in den 80ern
hätte ich nie daran gedacht, beides miteinander zu kombinieren.
Dann ging ich nach Stockholm, wo ich viele kreative Leute traf.
Dort fing ich an, mein Songwriting für ein Jazzquartett auszubauen:
Ich dachte, das sei richtig, um meine Songs zu arrangieren. Nach
einer Weile, als ich mit denen spielte, langweilte mich das, ich
dachte, das sei so oldfashioned, und ich war eigentlich mehr an
zeitgenössischer Musik interessiert. Also ging ich davon weg
und fing an, für meine Songs eine neue Art Musik zu entwickeln.
Und da kam ich zu den Keyboards und Drummachines zurück und
arbeitete wieder mit Elektrobeats. So fing diese Kombination an:
Die HipHop-Beats wurden verlangsamt und meine Songs wurden jazzy
gesungen. Gleichzeitig, so um 93, 94, fing das Label MoWax in London
an. Das war sehr inspirierend für mich, zu sehen, dass Jazzmusik
ein grosser Einfluss in der zeitgenössischen Popszene wurde.
Das hat mich ermutigt, mit meinen Ideen weiterzumachen.
Eine andere
Band, die nicht weit von Dir weg ist, ist Portishead?
JJ: Ja, als
das erste Album 94 herauskam, war das grossartig. Ich war schon
immer ein grosser Fan von Soundtracks, und als "Dummy"
herauskam, dachte ich, das ist jetzt das erste Mal, dass der Nerv
und die thrilling sounds der alten Soundtracks in die Popmusik gebracht
worden sind. Das war für mich ein grosser Moment. Und ich glaube
auch, dass Portishead mir den Weg ins Musikgeschäft geöffnet
haben. Ohne den grossen Erfolg von Dummy wäre keine Plattenfirma
an meinen Sachen interessiert gewesen (lacht), ansonsten wäre
ich für die zu alternativ oder zu abstrakt gewesen.Aber plötzlich
gab es im Pop-Plattengeschäft einen Platz für diese Art
Musik, für ein bisschen jazzy tunes. Ich muss denen wirklich
sehr dankbar sein.
Zurück
zum neuen Album. Du erwähntest, dass Du an Soundtrack-Musik
interessiert bist. Das Stück "Poison" basiert doch
auf der TV-Serie "The Persuaders" (Die Zwei)?
JJ: Das ist
richtig, das ist eine Hommage, wobei ich den Originaltrack von John
Barry ein bisschen übertreiben wollte und wir uns nur anlehnen.
Wir haben das härter und rockiger als John Barry gemacht, aber
sicher: die Wahl der Instrumente und das rhythmische Spiel - das
ist schon sehr davon inspiriert.
In England
war die TV-Serie ja gar nicht so bekannt damals. Bei uns in Deutschland
war sie in den 70s sehr bekannt, vor allem wegen der witzigen deutschen
Synchronisation. War die Serie in Schweden sehr beliebt?
JJ: Nein, die
war dort nicht sehr bekannt. War eher ’ne kleine Sache für
wenige Fans. Ich war sehr jung, als die Serie lief und entdeckte
sie erst viel später für mich.
Du hast
erwähnt, dass Ihr dieses Stück rockiger gemacht hättet.
Ein anderer Song auf dem neuen Album, "Keep it a secret",
ist ja nun richtig rockig geworden. Sehr ungewöhnlich für
Dich, eigentlich. Wie kam es denn dazu?
JJ: Wir haben
auf der Tour gemerkt, dass ein Song beim Publikum besonders gut
angekommen ist, und zwar eine Art Hardcore-Version von "It
hurts me so" (vom ersten Album "Whiskey", tb). Nach
den Shows kamen immer wieder Fans an, die meinten, man müsse
diese Version auch auf eine Platte bringen. Das wollte ich nicht,
aber mir schwebte vor, ein anderes Stück in diesem Stil einzuspielen.
Als ich "Keep It A Secret" geschrieben hatte, war mir
klar, dass es das ist, das ich ein bisschen Jimi-Hendrixisch oder
Black-Sabbathisch aufmotze (lacht). Wir haben einfach bei jedem
Spielen im Studio alles noch ein bisschen mehr übertrieben,
die Gitarren und das DJ-Ding. Es war ein witziger Aufnahmeprozess.
Es war auch interessant zu sehen, wie die Plattenfirma reagiert
hat: Die wollten das als erste Single haben. Ist ein bisschen ein
Problem, weil es eigentlich nicht typisch für die Platte ist,
aber ich verstehe ihre Auswahl. Die zweite Single wird dann "Believe
In Us" sein.
Das hätte
ich jetzt eigentlich als erste Single erwartet.
JJ: Ja, der
Song liegt, wie soll ich sagen, näher an meinem Herzen. Ich
habe ihn an meinem Geburtstag geschrieben, als ich alleine im Studio
gesessen bin. Eigentlich war das ein day-off, aber ich hatte so
viele Ideen und fing an, an dem Stück zu arbeiten und ich wollte
es ausprobieren, wenn die anderen nicht da sind. Das ist der einzige
Song, den ich ohne die Band gemacht habe und so liegt er mir sehr
am Herzen. Ich fing damit morgens an und war am Abend damit fertig,
machte ihn also an einem Tag.
Auch wenn
das Stück ja eher traurig ist, hat es doch auch etwas Amüsantes,
die Zeile: "You believe in me, I believe in you, how came,
that you don`t believe in us?" ist doch auch ein wenig komisch?
JJ: Das denke
ich nicht. Der Song geht eher, das sollte ich vielleicht dazusagen,
um eine Beziehung, die von Anfang an unter keinem guten Stern stand.
Ich war schon mehrmals in einer Situation, wenn man eine Beziehung
unbedingt will, obwohl man eigentlich weiss, dass es nichts wird.
Du willst Dich unbedingt verlieben und auch geliebt werden und in
einer Situation sein, um jemanden zu haben. Ich sage mir dann selber,
dass es okay sein wird oder es ist auch okay... Ich denke, die Zeilen
in "Belive In Us" sagen mehr darüber aus wie die
Situaton tatsächlich ist, aber der Refrain sagt mir, wie sehr
ich will und: Auf geht’s, lass es uns versuchen, gib uns noch eine
Chance.
Du hast
sehr viele traurige, melancholische Lieder, vielleicht sind sogar
alle melancholisch?
JJ:
Ja, mehr oder weniger. Das ist sicherlich richtig. Ich bin eigentlich
immer dann richtig kreativ, schreibe Poetry, in mein Tagebuch oder
kurze Scripts, mache Musik, wenn ich mich wirklich alleine fühle.
Wenn mich nichts stört, keine Leidenschaft trübt, so dass
ich mich richtig auf das konzentrieren kann. Diese Momente sind
meistens auch sehr langweilig. Zum Beispiel wenn ich längere
Zeit von zu Hause weg war oder von den Menschen, die ich liebe,
da gibt es viele Stunden der Einsamkeit, zum Beispiel in Hotelzimmern,
wo ich dann dasitzen kann und mich darauf konzentriere. Und deshalb
kommen da auch meistens eher tiefe und traurige Gedanken. Wenn ich
richtig glücklich bin, schreibe ich eigentlich nicht und bin
auch nicht richitg kreativ. Dann kaufe ich Platten oder spiele Tennis
oder koche für meine Freunde.
Du kannst
keinen happy Song schreiben?
JJ: Nicht "happy"
im Sinne von happy-happy Song. Ich denke nicht. Es gibt ein paar
Songs, die ziemlich positiv sind. "Whispering Words" zum
Beispiel, da bin ich vielleicht der scheue Typ wie in dem Stück,
der an einem Mädchen interessiert ist und auf den Mut wartet,
die Frau eines Tages anzurufen. Und wenn man dann tatäschlich
den Mut aufbringt, sie anzurufen, dann ist besetzt und man muss
wieder zwei Monate warten, bis man wieder den Mut dazu hat. Dahinter
steckt doch eine positive Haltung, obwohl es traurig ist. Die Umstände
sind nicht besonders gut.
Na ja, so
positiv ist das nun wirklich nicht. Das steckt doch auch eine gewisse
Ironie dahinter?
JJ: Das sagen
mir viele Leute, dass sie bei meinen Songs Ironie vermuten, aber
für mich ist dem überhaupt nicht so. Für mich hat
das alles immer eher etwas mit ganz naiver Ehrlichkeit zu tun, die
aber vielleicht heutzutage so selten ist, so dass wir denken, diese
naive Ehrlichkeit sei Ironie. Aber für mich hat das, was ich
schreibe nie etwas mit Ironie zu tun. Allenfalls noch auf den älteren
Stücken von "Whiskey", da war vielleicht ein bisschen
Ironie...
Beim Stück
"So Tell The Girls That I Am Back In Town"?
JJ: Ja, aber
auch das basiert eigentlich auf einer sehr traurigen Geschichte.
Das hat eigentlich auch nichts mit Ironie zu tun. Aber ich verstehe,
insbesondere in der heutigen Popmusik, dass diese Art von Lyric,
diese Art von Geschichte, als Ironie angesehen wird, obwohl es das
nicht ist.
Es scheint,
dass französische Musik für Dich nicht unwichtig ist.
Du hast zum Beispiel auf der letzten Platte "Tattoo" Françoise
Hardys "Reve" für "A Letter To Lulu-Mae"
gesampelt.
JJ: Bevor "Whiskey"
herausgekommen ist, war ich niemals in Frankreich. Auf "Whiskey"
gibt es sicherlich einen french touch, was aber eher unbewusst so
gekommen ist. Aber seit dem riesigen Erfolg von "Whiskey"
in Frankreich war ich sehr oft dort. Ich traf dort so viele Musiker
und andere Leute und wurde regelrecht überflutet von französischer
Kultur, mit Filmen und Musik. Auf "Tatoo" gibt es sicherlich
eine grosse französische Inspiration, einfach deshalb, weil
ich oft dort war. Es ist nicht so, dass ich unbedingt französische
Elemente reinbringen wollte. Aber jetzt nach "Tatoo" bin
ich definitiv wieder eher in Stockholm gelandet und nach Schweden
zurückgekehrt. "Poison" ist viel nordischer geworden.
Da ist viel von den kleinen Städten, den tiefen Wäldern
und Schwedens Wasser in der Musik, und in gewisser Weise ist das
auch noch mehr ein schwedisches Produkt als "Whiskey".
Aber es stimmt: Auf "Tatoo" gab es diesen französischen
Touch.
Gibt es
denn französische Komponisten oder Musiker, die du besonders
magst?
JJ: Auf "Poison"
gibt es einen Musiker, mit dem ich zusammenarbeite, der sich Bang
Bang nennt. Auf einem der Songs machen wir so ein Vocoder-Ding.
Bang Bang spielt auch live als Bassist mit mir, aber er spielt auf
diesem Album keinen Bass.
Du hast
ja auch mit Bang Bang auf seinem Album gearbeitet und singst dort
das Stück "Two Fingers". Du hast vorher schon einmal
erwähnt, dass Du Chet Baker 1984 live gesehen hast. Da warst
Du ja noch sehr jung?
JJ: 15. Es
war eigentlich nicht meine Idee. Es war mein Vater, der dieses Konzert
organisiert hat. Damals hat er sehr viele Jazzkonzerte organisiert
und mich immer wieder gefragt, ob ich mit den Club kommen wolle.
Aber ich wollte nicht, weil es mich nicht interessierte. Ich war
damals an anderer Musik interessiert, und ich war auch nicht gerade
daran interessiert, was meinem Vater gefällt. Aber an diesem
speziellen Abend, als er mich wieder mal gefragt hat, dachte ich,
okay, jetzt gehe ich halt mal mit. Ich kannte Chet Baker vor dem
Konzert nicht wirklich. Gut, ich kannte "My funny valentine"
und ein paar andere Klassiker. Aber ihn dann zu sehen, diesen zerbrechlichen
Charakter mit so viel Leiden in seiner Stimme, so viel Schönheit
in seiner Trompete, das war wirklich ein bewegender Augenblick.
Und später, als ich mehr über sein Leben und sein tragisches
Schicksal lernte, verstand ich mehr und mehr, den Charakter, den
ich da gesehen hatte. Ja, er ist wirklich mein Hausgott.
Er ist vielleicht
auch sehr wichtig für Dich, für Deine Art zu singen?
JJ: Ja, das
ist er. Wobei ich nun nicht versuche, wie er zu klingen, sondern
versuche einen eigenen Weg zu finden, mich mit meiner Stimme wohlzufühlen.
Aber er war sicherlich eine Inspiration für mich, auch wenn
er eine viel tiefere Stimme hat, und seine Stimme einen wärmeren
Ton als meine hat, mehr Luft in der Stimme. Aber da gibt es auch
diese Sensibilität, die Worte auszudrücken, die mich inspiriert
hat. Aber ich versuche schon, meine Stimme auf meine eigene Art
und Weise zu gebrauchen. Was immer besser wird.
Deine Stimme
ist für einen Mann manchmal ziemlich hoch?
JJ: Eigentlich
nicht. Ich bin schliesslich noch nie über das "a"
hinausgekommen. Mein Pianist Eric hat zum Beispiel eine viel hellere
Stimme. Ich war früher für kurze Zeit in einem Schulchor
auf dem College. Da wurde ich immer in die ersten Zehn oder zweiten
Zehn eingereiht, nie bei den ersten Zehn, die ganz hoch gesungen
haben. Aber je mehr ich singe um so höher komme ich und bei
der Tiefe ebenfalls. Ich versuche meine Stimme mit einer möglichst
breiten Spannweite zu gebrauchen. An die hohen Töne hatte ich
mich auf dem ersten Album noch nicht so richtig getraut.
Auf dem
ersten Album klingst Du zum Beispiel bei "Go Tell The Girls…"
noch sehr viel tiefer als heute?
JJ: ...und
"I`m older now" klingt auch noch sehr viel tiefer und
runder...
Als ich
Dich das erste Mal hörte, eben auf "Go Tell The Girls…",
da klangst Du für mich, als sänge Frank Sinatra mit Massive
Attack oder Portishead zusammen...
JJ: (lacht)
Danke.
Ich habe
irgendwo gelesen, dass Du schon mit Zehn eine Punkband gehabt hast.
Ist das richtig?
JJ: Ja (lacht).
Das war meine erste Band. Ich und zwei Freunde. Wir haben uns nicht
als Punkband betrachtet, aber die Haltung und die Reaktionen der
anderern Leute legten das nahe.
Ihr habt
Euch als Rockband gesehen?
JJ: Wir wollten
nur Spass haben und wir hatten diese Attitude, wir waren gegen alles,
was um uns herum war. Wir waren jung und naiv und das war grossartig.
Wart Ihr
in der Besetzung Bass, Gitarre, Drums?
JJ: Nein, wirklich
nicht. Es war ein Bass, und ich hatte ein kleines Keyboard mit einer
Drummachine. Der Dritte hatte einen Tisch voller Sachen, die alle
viel Lärm machten. Er machte nur Lärm und ich hatte das
Schlagzeug und kleine Pianoparts auf den Keyboards und den Bassisten,
und ich sang ein bisschen, während die anderen beiden herumschrien.
Wir hatten viel Spass und gaben viele kleine Konzerte in unserer
kleinen Heimatstadt. Die Leute hatten auch Spass, uns zu sehen.
Wir waren halt Zwölf Jahre alt, oder so, und spielten für
ein halbes Jahr lang zusammen.
Wie hiess
die Band?
JJ: Der Name
war auf schwedisch, "nai tak", was so viel wie "Nein,
danke" heisst. Wir sagten nein zu allem. Nein zur Regierung,
zur Gesellschaft, zu allem. Das war zu der Zeit, als dieses grosse
Anti-Kernkraft-Ding in Schweden am Laufen war, um 1980 herum. Wir
waren wirklich dagegen und hatten als Kids auch Angst davor.
Da wart
Ihr also eine Polit-Punk-Band?
JJ: (lacht)
Ja, und seither habe ich keine politischen Texte mehr geschrieben.
Vielleicht sollte ich wieder dahin zurückkehren? Es gibt eine
Menge Dinge heutzutage, über die man reden könnte. Aber
vielleicht nicht in der Musik. Ich mag, was Moby im Booklet seines
letzten Albums "Play" zum Thema Musik und Politik geschrieben
hat.
Du hast
erwähnt, dass Du Keyboards in dieser Band gespielt hast. Wann
hast Du eigentlich deine Instrumente spielen gelernt?
JJ: Ich lernte
Piano, als ich sieben war, Saxofon mit Zehn, und dann merkte ich
langsam, dass ich kein Perfektionist auf einem Instrument werden
wollte, weil ich dann nur eine anonyme Person in einem Orchester
werden konnte. Ich wollte ein bisschen von so vielen Instrumenten
wie möglich lernen. So viel, dass ich weiss, wie sie funktionieren,
wie sie klingen und wie ich sie für meine Musik arrangieren
kann. Deshalb lernte ich von Vielem ein bisschen. Aber mit dem Piano
fühle ich mich am wohlsten.
Du spielst
auch ein bisschen Gitarre?
JJ: Ja, aber
nur ein bisschen, nicht richtig gut.
Du komponierst
aber am Piano?
JJ: Ja, defintiv,
ich habe noch nie mit der Gitarre komponiert. Ich würde gerne,
weil ich auch den Unterschied höre. Wenn ich Musik höre,
höre ich wirklich den Unterschied heraus, ob das nun mit der
Gitarre oder am Piano komponiert worden ist. Das fing damit an,
dass ich die Beatles analyisiert habe. Denn bei denen ist das sehr
offensichtlich, wer das Stück geschrieben hat und auf welchem
Instrument. Typischerweise hat Paul McCartney am Piano gearbeitet
und John Lennon mit der Gitarre. Und da gibt es etwas im Songschreiben
was mit der Gitarre eben anders ist. Aber ich bin auf der Gitarre
noch zu unsicher, fühle mich mit dem Piano einfach sicherer.
Wie Du schon
erzählt hast, mit Moby, bist Du immer noch sehr an modernem
Pop interessiert?
JJ: Oh ja,
ich interessiere mich sehr für moderne Musik, obwohl der grösste
Teil meiner Plattensammlung aus Soundtracks und altem Jazz besteht.
Aber ich habe mich auch immer schon für die Charts interessiert,
für modernen Pop. Ich liebe zum Beispiel den Meister Aphex
Twin. Für mich ist er der überraschendste und beste Arrangeur
in der heutigen Musik. Ich mag aber auch Missy Elliot sehr.
Nicht so
sehr Rockmusik?
JJ: Nein, nicht
unbedingt, auch wenn ich denke, dass Radiohead’s "OK Computer"
eines der besten Alben ist, die je gemacht worden sind. Und ich
mag die Smashing Pumpkins, allerdings "Adore" mehr als
das neue Album. Ich respektiere auch Stephen Tyler von Aerosmith,
ich denke er ist ein grosser Songwriter.
Ich hielt
die Aeorosmith immer für eine Second-hand-Version der Rolling
Stones?
JJ: Nein, ich
denke, er schreibt ziemlich schöne Lovesongs und ich denke
auch er ist zum Beispiel auf dem Gebiet ein besserer Songwriter
als George Michael. Ich mag auch immer noch David Bowie und natürlich
Madonna. Sie ist so cool. Aber eigentlich ist Aphex Twin der Beste.
An seiner Musik bin ich sehr interessiert.
Deine Platten
heissen "Whiskey", "Tatoo" und jetzt "Poison":
Du bevorzugst sehr kurze Albumtitel?
JJ: (lacht)
Stimmt. Kurze, starke Wörter werden sehr mächtig, wenn
man sie alleine stehen lässt, ohne das etwas Störendes
drumrum ist. Es lässt auch mehr Phantasie zu, als ein Titel
wie "Even in the darkest hour". Dieser Titel verrät
Dir schon zuviel. Für mich ist ein Songtitel definitiv kein
Albumtitel, weil er zuviel verrät. Stattdessen haue ich dir
lieber "Poison" ins Gesicht. Das regt die Leute eher an,
zu denken, was ist denn das, was soll das bedeuten?
Vielleicht
denken Sie, das sei das Album einer Heavy-Metal-Band?
JJ: Genau.
Perfekt. Auf diese Weise kommt nun Steven Tyler wieder ins Gespräch
zurück, oder Ozzy Osbourne. Ich mag diese starken Worte.
Planst Du
eigentlich eine Tour?
JJ: Wir spielen
einige Festivals im Sommer und dann starten wir im September eine
Europatour.
Eine letzte
Frage: Jay-Jay ist nicht dein richiger Name, oder?
JJ: Mein Geburtsname
ist Jäje jäje. Wenn die Leute ausserhalb Schwedens das
aussprechen wollen, haben sie Probleme. Als ich nach London kam,
hatte ich diesen Spitznamen Jay-Jay. Der ist für die einfacher,
und als ich einen Plattenvertrag bekam, habe ich mich entschieden,
diese Anglifizierung beizubehalten. Das macht es für alle etwas
einfacher.
Diskografie:
"Whiskey"
(1996, RCA/BMG)
"Tatoo"
(1998, RCA/BMG)
"Poison"
(2000, RCA/BMG) |