Nr. 12 / Juli 2000

















Gästebuch



Wenn ich richtig glücklich bin, bin ich auch nicht kreativ

Der schwedische Popstar Jay-Jay Johanson über sein wunderbares neues Album "Poison"

Vor vier Jahren hat er uns mit seinem grossartigen Debütalbum "Whiskey" alle überrascht. Als würden Frank Sinatra und Chet Baker mit Massive Attack und Portishead jammen, so klang das in etwa, was Jay-Jay Johanson uns auf grossen Songs wie "So Tell The Girls That I am Back In Town" oder "It Hurts Me So" anbot. Wo Jay-Jay hierzulande neben der Leeson-Redaktion nur wenige Kritiker und Fans begeisterte, stieg er in Frankreich gleich zum Popstar inklusive Titelbildern auf Non-Musikzeitschriften auf. Jetzt ist mit "Poison" Album Nummer Drei erschienen. LEESON plauderte mit dem Schweden.

Von Thomas Bohnet

Am Vorabend unseres Gesprächs war Jay-Jay Johanson beim Konzert von Beck in der Grossen Freiheit 36 in Hamburg. Wie war es denn beim Konzert?

JJ: Gut. Wir haben Beth Orton zuerst gesehen und dann erst Beck, danach wollte ich eigentlich noch zu Smith & Mighty, aber ich bin gestern morgen so früh aufgestanden, dass ich dann doch lieber ins Hotel bin.

Hat Dir die Beck-Show gefallen?

JJ: Ich habe ihn schon mal gesehen. Um ehrlich zu sein, bin ich nicht so richtig in seiner Musik. Ich denke, er ist talentiert und kreativ, aber das ist nicht meine Sache. Er ist mir manchmal ein bisschen zu sehr ein Clown. Wenn ich in den Zirkus gehe, dann ist der Clown derjenige, den ich am meisten hasse; ich mag alle anderen lieber. Ich mag Beth Orton viel mehr, und es war cool, sie zu sehen. Sie ist die Art von Mädchen, wo Du Dich nicht entscheiden kannst, ob sie hässlich oder schön ist und das ist sehr interessant. Sie war sehr cool!

Interessant an deiner Musik ist diese Kombination von soulfullem Gesang, der einen eher an alte Crooner erinnert, diese Mixtur von alten Popballaden zusammen mit diesem elektronischen Beat, Scratch-Passagen, sehr jazzy. Wie kommt man zu so einer Mischung?

JJ: Das begann eigentlich schon vor langer Zeit und war ein langsamer Prozess. Als in den frühen Achtziger Jahren die erste HipHop-Welle nach Schweden kam, war ich mittendrin. 82, 83 mit Graffiti, Breakdancing und Afrika Bambaataa. Bis etwa 1986 interessierte mich das sehr. Aber zur gleichen Zeit haben mein älterer Bruder und ich eine Menge Keyboards und Drummachines gekauft. Wir haben angefangen, Musik zu machen und das war Anfang der 80er sehr von Japan und diesen New-Romantic-Sachen aus England inspiriert. Aber seit ich 1984 Chet Baker live gesehen habe, hat sich meine Art des Songwritings langsam verändert und es wurde mehr und mehr jazzy. Zu zweit machten wir eine Art Electro-HipHop mit Drummachines und auf der anderen Seite schreib ich jazzinspirierte Stücke. Damals in den 80ern hätte ich nie daran gedacht, beides miteinander zu kombinieren. Dann ging ich nach Stockholm, wo ich viele kreative Leute traf. Dort fing ich an, mein Songwriting für ein Jazzquartett auszubauen: Ich dachte, das sei richtig, um meine Songs zu arrangieren. Nach einer Weile, als ich mit denen spielte, langweilte mich das, ich dachte, das sei so oldfashioned, und ich war eigentlich mehr an zeitgenössischer Musik interessiert. Also ging ich davon weg und fing an, für meine Songs eine neue Art Musik zu entwickeln. Und da kam ich zu den Keyboards und Drummachines zurück und arbeitete wieder mit Elektrobeats. So fing diese Kombination an: Die HipHop-Beats wurden verlangsamt und meine Songs wurden jazzy gesungen. Gleichzeitig, so um 93, 94, fing das Label MoWax in London an. Das war sehr inspirierend für mich, zu sehen, dass Jazzmusik ein grosser Einfluss in der zeitgenössischen Popszene wurde. Das hat mich ermutigt, mit meinen Ideen weiterzumachen.

Eine andere Band, die nicht weit von Dir weg ist, ist Portishead?

JJ: Ja, als das erste Album 94 herauskam, war das grossartig. Ich war schon immer ein grosser Fan von Soundtracks, und als "Dummy" herauskam, dachte ich, das ist jetzt das erste Mal, dass der Nerv und die thrilling sounds der alten Soundtracks in die Popmusik gebracht worden sind. Das war für mich ein grosser Moment. Und ich glaube auch, dass Portishead mir den Weg ins Musikgeschäft geöffnet haben. Ohne den grossen Erfolg von Dummy wäre keine Plattenfirma an meinen Sachen interessiert gewesen (lacht), ansonsten wäre ich für die zu alternativ oder zu abstrakt gewesen.Aber plötzlich gab es im Pop-Plattengeschäft einen Platz für diese Art Musik, für ein bisschen jazzy tunes. Ich muss denen wirklich sehr dankbar sein.

Zurück zum neuen Album. Du erwähntest, dass Du an Soundtrack-Musik interessiert bist. Das Stück "Poison" basiert doch auf der TV-Serie "The Persuaders" (Die Zwei)?

JJ: Das ist richtig, das ist eine Hommage, wobei ich den Originaltrack von John Barry ein bisschen übertreiben wollte und wir uns nur anlehnen. Wir haben das härter und rockiger als John Barry gemacht, aber sicher: die Wahl der Instrumente und das rhythmische Spiel - das ist schon sehr davon inspiriert.

In England war die TV-Serie ja gar nicht so bekannt damals. Bei uns in Deutschland war sie in den 70s sehr bekannt, vor allem wegen der witzigen deutschen Synchronisation. War die Serie in Schweden sehr beliebt?

JJ: Nein, die war dort nicht sehr bekannt. War eher ’ne kleine Sache für wenige Fans. Ich war sehr jung, als die Serie lief und entdeckte sie erst viel später für mich.

Du hast erwähnt, dass Ihr dieses Stück rockiger gemacht hättet. Ein anderer Song auf dem neuen Album, "Keep it a secret", ist ja nun richtig rockig geworden. Sehr ungewöhnlich für Dich, eigentlich. Wie kam es denn dazu?

JJ: Wir haben auf der Tour gemerkt, dass ein Song beim Publikum besonders gut angekommen ist, und zwar eine Art Hardcore-Version von "It hurts me so" (vom ersten Album "Whiskey", tb). Nach den Shows kamen immer wieder Fans an, die meinten, man müsse diese Version auch auf eine Platte bringen. Das wollte ich nicht, aber mir schwebte vor, ein anderes Stück in diesem Stil einzuspielen. Als ich "Keep It A Secret" geschrieben hatte, war mir klar, dass es das ist, das ich ein bisschen Jimi-Hendrixisch oder Black-Sabbathisch aufmotze (lacht). Wir haben einfach bei jedem Spielen im Studio alles noch ein bisschen mehr übertrieben, die Gitarren und das DJ-Ding. Es war ein witziger Aufnahmeprozess. Es war auch interessant zu sehen, wie die Plattenfirma reagiert hat: Die wollten das als erste Single haben. Ist ein bisschen ein Problem, weil es eigentlich nicht typisch für die Platte ist, aber ich verstehe ihre Auswahl. Die zweite Single wird dann "Believe In Us" sein.

Das hätte ich jetzt eigentlich als erste Single erwartet.

JJ: Ja, der Song liegt, wie soll ich sagen, näher an meinem Herzen. Ich habe ihn an meinem Geburtstag geschrieben, als ich alleine im Studio gesessen bin. Eigentlich war das ein day-off, aber ich hatte so viele Ideen und fing an, an dem Stück zu arbeiten und ich wollte es ausprobieren, wenn die anderen nicht da sind. Das ist der einzige Song, den ich ohne die Band gemacht habe und so liegt er mir sehr am Herzen. Ich fing damit morgens an und war am Abend damit fertig, machte ihn also an einem Tag.

Auch wenn das Stück ja eher traurig ist, hat es doch auch etwas Amüsantes, die Zeile: "You believe in me, I believe in you, how came, that you don`t believe in us?" ist doch auch ein wenig komisch?

JJ: Das denke ich nicht. Der Song geht eher, das sollte ich vielleicht dazusagen, um eine Beziehung, die von Anfang an unter keinem guten Stern stand. Ich war schon mehrmals in einer Situation, wenn man eine Beziehung unbedingt will, obwohl man eigentlich weiss, dass es nichts wird. Du willst Dich unbedingt verlieben und auch geliebt werden und in einer Situation sein, um jemanden zu haben. Ich sage mir dann selber, dass es okay sein wird oder es ist auch okay... Ich denke, die Zeilen in "Belive In Us" sagen mehr darüber aus wie die Situaton tatsächlich ist, aber der Refrain sagt mir, wie sehr ich will und: Auf geht’s, lass es uns versuchen, gib uns noch eine Chance.

Du hast sehr viele traurige, melancholische Lieder, vielleicht sind sogar alle melancholisch?

JJ: Ja, mehr oder weniger. Das ist sicherlich richtig. Ich bin eigentlich immer dann richtig kreativ, schreibe Poetry, in mein Tagebuch oder kurze Scripts, mache Musik, wenn ich mich wirklich alleine fühle. Wenn mich nichts stört, keine Leidenschaft trübt, so dass ich mich richtig auf das konzentrieren kann. Diese Momente sind meistens auch sehr langweilig. Zum Beispiel wenn ich längere Zeit von zu Hause weg war oder von den Menschen, die ich liebe, da gibt es viele Stunden der Einsamkeit, zum Beispiel in Hotelzimmern, wo ich dann dasitzen kann und mich darauf konzentriere. Und deshalb kommen da auch meistens eher tiefe und traurige Gedanken. Wenn ich richtig glücklich bin, schreibe ich eigentlich nicht und bin auch nicht richitg kreativ. Dann kaufe ich Platten oder spiele Tennis oder koche für meine Freunde.

Du kannst keinen happy Song schreiben?

JJ: Nicht "happy" im Sinne von happy-happy Song. Ich denke nicht. Es gibt ein paar Songs, die ziemlich positiv sind. "Whispering Words" zum Beispiel, da bin ich vielleicht der scheue Typ wie in dem Stück, der an einem Mädchen interessiert ist und auf den Mut wartet, die Frau eines Tages anzurufen. Und wenn man dann tatäschlich den Mut aufbringt, sie anzurufen, dann ist besetzt und man muss wieder zwei Monate warten, bis man wieder den Mut dazu hat. Dahinter steckt doch eine positive Haltung, obwohl es traurig ist. Die Umstände sind nicht besonders gut.

Na ja, so positiv ist das nun wirklich nicht. Das steckt doch auch eine gewisse Ironie dahinter?

JJ: Das sagen mir viele Leute, dass sie bei meinen Songs Ironie vermuten, aber für mich ist dem überhaupt nicht so. Für mich hat das alles immer eher etwas mit ganz naiver Ehrlichkeit zu tun, die aber vielleicht heutzutage so selten ist, so dass wir denken, diese naive Ehrlichkeit sei Ironie. Aber für mich hat das, was ich schreibe nie etwas mit Ironie zu tun. Allenfalls noch auf den älteren Stücken von "Whiskey", da war vielleicht ein bisschen Ironie...

Beim Stück "So Tell The Girls That I Am Back In Town"?

JJ: Ja, aber auch das basiert eigentlich auf einer sehr traurigen Geschichte. Das hat eigentlich auch nichts mit Ironie zu tun. Aber ich verstehe, insbesondere in der heutigen Popmusik, dass diese Art von Lyric, diese Art von Geschichte, als Ironie angesehen wird, obwohl es das nicht ist.

Es scheint, dass französische Musik für Dich nicht unwichtig ist. Du hast zum Beispiel auf der letzten Platte "Tattoo" Françoise Hardys "Reve" für "A Letter To Lulu-Mae" gesampelt.

JJ: Bevor "Whiskey" herausgekommen ist, war ich niemals in Frankreich. Auf "Whiskey" gibt es sicherlich einen french touch, was aber eher unbewusst so gekommen ist. Aber seit dem riesigen Erfolg von "Whiskey" in Frankreich war ich sehr oft dort. Ich traf dort so viele Musiker und andere Leute und wurde regelrecht überflutet von französischer Kultur, mit Filmen und Musik. Auf "Tatoo" gibt es sicherlich eine grosse französische Inspiration, einfach deshalb, weil ich oft dort war. Es ist nicht so, dass ich unbedingt französische Elemente reinbringen wollte. Aber jetzt nach "Tatoo" bin ich definitiv wieder eher in Stockholm gelandet und nach Schweden zurückgekehrt. "Poison" ist viel nordischer geworden. Da ist viel von den kleinen Städten, den tiefen Wäldern und Schwedens Wasser in der Musik, und in gewisser Weise ist das auch noch mehr ein schwedisches Produkt als "Whiskey". Aber es stimmt: Auf "Tatoo" gab es diesen französischen Touch.

Gibt es denn französische Komponisten oder Musiker, die du besonders magst?

JJ: Auf "Poison" gibt es einen Musiker, mit dem ich zusammenarbeite, der sich Bang Bang nennt. Auf einem der Songs machen wir so ein Vocoder-Ding. Bang Bang spielt auch live als Bassist mit mir, aber er spielt auf diesem Album keinen Bass.

Du hast ja auch mit Bang Bang auf seinem Album gearbeitet und singst dort das Stück "Two Fingers". Du hast vorher schon einmal erwähnt, dass Du Chet Baker 1984 live gesehen hast. Da warst Du ja noch sehr jung?

JJ: 15. Es war eigentlich nicht meine Idee. Es war mein Vater, der dieses Konzert organisiert hat. Damals hat er sehr viele Jazzkonzerte organisiert und mich immer wieder gefragt, ob ich mit den Club kommen wolle. Aber ich wollte nicht, weil es mich nicht interessierte. Ich war damals an anderer Musik interessiert, und ich war auch nicht gerade daran interessiert, was meinem Vater gefällt. Aber an diesem speziellen Abend, als er mich wieder mal gefragt hat, dachte ich, okay, jetzt gehe ich halt mal mit. Ich kannte Chet Baker vor dem Konzert nicht wirklich. Gut, ich kannte "My funny valentine" und ein paar andere Klassiker. Aber ihn dann zu sehen, diesen zerbrechlichen Charakter mit so viel Leiden in seiner Stimme, so viel Schönheit in seiner Trompete, das war wirklich ein bewegender Augenblick. Und später, als ich mehr über sein Leben und sein tragisches Schicksal lernte, verstand ich mehr und mehr, den Charakter, den ich da gesehen hatte. Ja, er ist wirklich mein Hausgott.

Er ist vielleicht auch sehr wichtig für Dich, für Deine Art zu singen?

JJ: Ja, das ist er. Wobei ich nun nicht versuche, wie er zu klingen, sondern versuche einen eigenen Weg zu finden, mich mit meiner Stimme wohlzufühlen. Aber er war sicherlich eine Inspiration für mich, auch wenn er eine viel tiefere Stimme hat, und seine Stimme einen wärmeren Ton als meine hat, mehr Luft in der Stimme. Aber da gibt es auch diese Sensibilität, die Worte auszudrücken, die mich inspiriert hat. Aber ich versuche schon, meine Stimme auf meine eigene Art und Weise zu gebrauchen. Was immer besser wird.

Deine Stimme ist für einen Mann manchmal ziemlich hoch?

JJ: Eigentlich nicht. Ich bin schliesslich noch nie über das "a" hinausgekommen. Mein Pianist Eric hat zum Beispiel eine viel hellere Stimme. Ich war früher für kurze Zeit in einem Schulchor auf dem College. Da wurde ich immer in die ersten Zehn oder zweiten Zehn eingereiht, nie bei den ersten Zehn, die ganz hoch gesungen haben. Aber je mehr ich singe um so höher komme ich und bei der Tiefe ebenfalls. Ich versuche meine Stimme mit einer möglichst breiten Spannweite zu gebrauchen. An die hohen Töne hatte ich mich auf dem ersten Album noch nicht so richtig getraut.

Auf dem ersten Album klingst Du zum Beispiel bei "Go Tell The Girls…" noch sehr viel tiefer als heute?

JJ: ...und "I`m older now" klingt auch noch sehr viel tiefer und runder...

Als ich Dich das erste Mal hörte, eben auf "Go Tell The Girls…", da klangst Du für mich, als sänge Frank Sinatra mit Massive Attack oder Portishead zusammen...

JJ: (lacht) Danke.

Ich habe irgendwo gelesen, dass Du schon mit Zehn eine Punkband gehabt hast. Ist das richtig?

JJ: Ja (lacht). Das war meine erste Band. Ich und zwei Freunde. Wir haben uns nicht als Punkband betrachtet, aber die Haltung und die Reaktionen der anderern Leute legten das nahe.

Ihr habt Euch als Rockband gesehen?

JJ: Wir wollten nur Spass haben und wir hatten diese Attitude, wir waren gegen alles, was um uns herum war. Wir waren jung und naiv und das war grossartig.

Wart Ihr in der Besetzung Bass, Gitarre, Drums?

JJ: Nein, wirklich nicht. Es war ein Bass, und ich hatte ein kleines Keyboard mit einer Drummachine. Der Dritte hatte einen Tisch voller Sachen, die alle viel Lärm machten. Er machte nur Lärm und ich hatte das Schlagzeug und kleine Pianoparts auf den Keyboards und den Bassisten, und ich sang ein bisschen, während die anderen beiden herumschrien. Wir hatten viel Spass und gaben viele kleine Konzerte in unserer kleinen Heimatstadt. Die Leute hatten auch Spass, uns zu sehen. Wir waren halt Zwölf Jahre alt, oder so, und spielten für ein halbes Jahr lang zusammen.

Wie hiess die Band?

JJ: Der Name war auf schwedisch, "nai tak", was so viel wie "Nein, danke" heisst. Wir sagten nein zu allem. Nein zur Regierung, zur Gesellschaft, zu allem. Das war zu der Zeit, als dieses grosse Anti-Kernkraft-Ding in Schweden am Laufen war, um 1980 herum. Wir waren wirklich dagegen und hatten als Kids auch Angst davor.

Da wart Ihr also eine Polit-Punk-Band?

JJ: (lacht) Ja, und seither habe ich keine politischen Texte mehr geschrieben. Vielleicht sollte ich wieder dahin zurückkehren? Es gibt eine Menge Dinge heutzutage, über die man reden könnte. Aber vielleicht nicht in der Musik. Ich mag, was Moby im Booklet seines letzten Albums "Play" zum Thema Musik und Politik geschrieben hat.

Du hast erwähnt, dass Du Keyboards in dieser Band gespielt hast. Wann hast Du eigentlich deine Instrumente spielen gelernt?

JJ: Ich lernte Piano, als ich sieben war, Saxofon mit Zehn, und dann merkte ich langsam, dass ich kein Perfektionist auf einem Instrument werden wollte, weil ich dann nur eine anonyme Person in einem Orchester werden konnte. Ich wollte ein bisschen von so vielen Instrumenten wie möglich lernen. So viel, dass ich weiss, wie sie funktionieren, wie sie klingen und wie ich sie für meine Musik arrangieren kann. Deshalb lernte ich von Vielem ein bisschen. Aber mit dem Piano fühle ich mich am wohlsten.

Du spielst auch ein bisschen Gitarre?

JJ: Ja, aber nur ein bisschen, nicht richtig gut.

Du komponierst aber am Piano?

JJ: Ja, defintiv, ich habe noch nie mit der Gitarre komponiert. Ich würde gerne, weil ich auch den Unterschied höre. Wenn ich Musik höre, höre ich wirklich den Unterschied heraus, ob das nun mit der Gitarre oder am Piano komponiert worden ist. Das fing damit an, dass ich die Beatles analyisiert habe. Denn bei denen ist das sehr offensichtlich, wer das Stück geschrieben hat und auf welchem Instrument. Typischerweise hat Paul McCartney am Piano gearbeitet und John Lennon mit der Gitarre. Und da gibt es etwas im Songschreiben was mit der Gitarre eben anders ist. Aber ich bin auf der Gitarre noch zu unsicher, fühle mich mit dem Piano einfach sicherer.

Wie Du schon erzählt hast, mit Moby, bist Du immer noch sehr an modernem Pop interessiert?

JJ: Oh ja, ich interessiere mich sehr für moderne Musik, obwohl der grösste Teil meiner Plattensammlung aus Soundtracks und altem Jazz besteht. Aber ich habe mich auch immer schon für die Charts interessiert, für modernen Pop. Ich liebe zum Beispiel den Meister Aphex Twin. Für mich ist er der überraschendste und beste Arrangeur in der heutigen Musik. Ich mag aber auch Missy Elliot sehr.

Nicht so sehr Rockmusik?

JJ: Nein, nicht unbedingt, auch wenn ich denke, dass Radiohead’s "OK Computer" eines der besten Alben ist, die je gemacht worden sind. Und ich mag die Smashing Pumpkins, allerdings "Adore" mehr als das neue Album. Ich respektiere auch Stephen Tyler von Aerosmith, ich denke er ist ein grosser Songwriter.

Ich hielt die Aeorosmith immer für eine Second-hand-Version der Rolling Stones?

JJ: Nein, ich denke, er schreibt ziemlich schöne Lovesongs und ich denke auch er ist zum Beispiel auf dem Gebiet ein besserer Songwriter als George Michael. Ich mag auch immer noch David Bowie und natürlich Madonna. Sie ist so cool. Aber eigentlich ist Aphex Twin der Beste. An seiner Musik bin ich sehr interessiert.

Deine Platten heissen "Whiskey", "Tatoo" und jetzt "Poison": Du bevorzugst sehr kurze Albumtitel?

JJ: (lacht) Stimmt. Kurze, starke Wörter werden sehr mächtig, wenn man sie alleine stehen lässt, ohne das etwas Störendes drumrum ist. Es lässt auch mehr Phantasie zu, als ein Titel wie "Even in the darkest hour". Dieser Titel verrät Dir schon zuviel. Für mich ist ein Songtitel definitiv kein Albumtitel, weil er zuviel verrät. Stattdessen haue ich dir lieber "Poison" ins Gesicht. Das regt die Leute eher an, zu denken, was ist denn das, was soll das bedeuten?

Vielleicht denken Sie, das sei das Album einer Heavy-Metal-Band?

JJ: Genau. Perfekt. Auf diese Weise kommt nun Steven Tyler wieder ins Gespräch zurück, oder Ozzy Osbourne. Ich mag diese starken Worte.

Planst Du eigentlich eine Tour?

JJ: Wir spielen einige Festivals im Sommer und dann starten wir im September eine Europatour.

Eine letzte Frage: Jay-Jay ist nicht dein richiger Name, oder?

JJ: Mein Geburtsname ist Jäje jäje. Wenn die Leute ausserhalb Schwedens das aussprechen wollen, haben sie Probleme. Als ich nach London kam, hatte ich diesen Spitznamen Jay-Jay. Der ist für die einfacher, und als ich einen Plattenvertrag bekam, habe ich mich entschieden, diese Anglifizierung beizubehalten. Das macht es für alle etwas einfacher.

Diskografie:

"Whiskey" (1996, RCA/BMG)

"Tatoo" (1998, RCA/BMG)

"Poison" (2000, RCA/BMG)

Letzte Änderungen: 28.12.2001
Produziert von
Peter Pötsch