Musik aus
Frankreich
Von
Thomas Bohnet
Selten wurden
so viele neue französische Platten auch hierzulande veröffentlicht
wie im Moment: ob nun die neuen Werke der bekannten Stars Françoise
Hardy, Bertrand Burgalat und Etienne Daho oder auch Platten der
jungen Szene von Dionysos und Mirwais bis Phoenix.
Eine
feine Sache ist "Clair-obscur" [Virgin] der immer noch
sehr schönen Mittfünfzigerin Françoise Hardy,
der Ikone der französischen Popmusik. Ende der Achtziger Jahre
wollte die Hardy eigentlich schon keine Musik mehr machen: Dann
entdeckten junge Franzosen wie Etienne Daho die Diva neu, rissen
sich hippe Bands wie Blur oder Air um den einstigen Star des "yeh-yeh"-Pop
der Sixties. Nach dem jüngsten, rockigen Werk "Le Danger"
(1996) ist das neue Album ein rundes Popwerk geworden, das wieder
jene Leichtigkeit mit bittersüssen Texten und einem Schuss
Melancholie paart, mit dem die Hardy in den Sixties schon begeistert
hat. Auf der neuen Platte gibt es zudem erstmals eine Art family
affair mit dem Song "Pusque vous partez en voyage". Ist
hier doch nicht nur Ehemann Jacques Dutronc - selbst eine echte
Pop-Ikone - mit von der Partie, sondern auch der gemeinsame Sohn
Thomas Dutronc (Gitarre). An anderer Stelle fordert Madame Hardy
keinen Geringeren als Iggy Pop zum musikalischen Duell auf (klasse:
"I`ll Be Seeing You") oder lädt jüngere Bewunderer
wie Etienne Daho und den Kameruner Sänger OL ein. Eine ganz
und gar elegante Platte, wunderschön und très charmant.
Zu den Bewunderern
von Françoise Hardy gehört Etienne Daho, inzwischen
auch schon 44jährig. Seit zwanzig Jahren im Geschäft,
schaffte der im algerischen Oran geborene Bretone Mitte der Achtziger
Jahre mit Hits wie "Le grand sommeil" oder "Tombé
pour la France" den Durchbruch. Seine Zusammenarbeit mit den
Grossen der französischen Sixties, mit Jacques Dutronc und
Françoise Hardy, verhalfen Daho ebenso zu gesteigerter hipness,
wie seine jüngsten Kollaborationen mit St. Etienne und Air
- auch wenn er immer ein wenig als seichter Popsänger verschrien
war und ist. Nicht ganz zu Unrecht, wie einige seiner Hits zeigen.
Schon 84 nahm er zusammen mit Madame Hardy übrigens einen feinen
Song auf; später schrieb er an einer exzellenten Biografie
über die Hardy ("Superstar et ermite", 1986) mit.
Nachdem Etienne
Daho schon auf dem jüngsten Werk "Eden" (97) mit
modernen Dance-Rhythmen gearbeitet hat, klingt auch "Corps
& Armes" [Virgin] modernistisch produziert. Neben den obligatorischen
Popschnulzen hören wir auf "Corps & Armes" auch
einige flottere Nummern, wie das feine, sixtieslastige "Rendez-vous
à vedra" mit seinen üppigen Streichern sowie Dahos
Duett mit Vanessa Daou auf "Make Believe". Schöne
Pop-Platte für frankophile MusikhörerInnen!
Auf seine Art
auch eine Berühmtheit in Frankreich ist der Produzent Bertrand
Burgalat, der vor ein paar Jahren für den kurzen Frühling
des französischen Easy Listening mitverantwortlich war, dabei
auch ein superbes Album der Schauspielerin Valerie Lemercier produziert
hat. "The Genius Of Bertrand Burgalat" [Bungalow/EfA],
gerade beim Berliner Bungalow Label erschienen, ist nun aber nicht
die seit längerem angekündigte Debüt-LP des gebürtigen
Korsen, sondern bringt 19 Arbeiten zusammen, die Burgalat in den
vergangenen Jahren mit diversen in- und ausländischen Grössen
gemacht hat. Ob nun eigene Stücke wie "Kim" oder
"Quarapicho", Stücke mit den bekannten französischen
Popmusikern von Etienne Charry bis Louis Phillippe oder eben mit
Air. Dazu Songs mit Nick Cave (ein Michel-Polnareff-Tribut) oder
Mick Harvey. Bemerkenswert: Der neue französische Literatur-Star
Michel Houellebecq ("Elementarteilchen", "Ausweitung
der Kampfzone") ist auch mit einem Song vertreten. Hatte doch
Burgalat jüngst gar ein ganzes Album mit dem Literaten herausgebracht.
Noch gänzlich
unbekannt hierzulande sind die beiden jungen Bands Dionysos
und Phoenix. Letztere wurden schon einmal für ihr Debüt
"United" [Virgin] geadelt, das die SPEX zur Platte des
Monats Juni erkoren hat. Erstaunlich oder auch nicht. Freilich ist
die Platte gut, viel 80s, in ihrer Ausgeschlafenheit und sophistication
erinnern mich viele der Tracks mit funky Pop und Style an Grosse
der Achtziger, wie zum Beispiel Prefab Sprout (grossartig: "Honeymoon")
oder Orange Juice ("Too Young"), die Ex-Band von Edwyn
Collins, die jedoch Christian Mazzalai im kurzen Telefoninteview
anscheinend gar nicht kennt. Gute Platte also, die aber überhaupt
nicht nach Frankreich klingt, was nicht nur am englischen Gesang
liegt.
Deutlich klarer
Frankreisch: "Haiku" [Lado/Zomba] der Band Dionysos, das
beim Hamburger Label Lado erscheint. Die schon seit Anfang der Neunziger
zusammenspielende Band pflegt einen ruppigen Sound, der mal an Lo-Fi-Experimente
denken lässt, mal die französischen Sixties streift oder
gar sinfonisch daherkommt, nur um dann gleich wieder im hier und
jetzt zu landen. Gesungen wird englisch und französisch, wobei
man sich auch schon mal für einen einzelnen Song 17 Minuten
Zeit lässt, "Poem". Interessantes Werk!
Der einstige
Kopf der Pariser Eighties-Band "Taxi Girl", Mirwais Ahmadzal,
kurz Mirwais, überrascht mit seinem Soloalbum "Production"
[Sony] aufs Angenehmste. Hier trifft Daft-Punk-Fönk-House auf
Franzosen-Elektro, was sowohl an Daft Punk als auch Cassius erinnert.
Heisser Scheiss! Am Eröffnungstrack "Disco Science"
hat übrigens keine Geringere als Ex-Breeders Frontfrau Kim
Deal mitgeschrieben. Prominter Gast bei "Your Paradise (Is
Not For Me)": Madonna. An derem neuesten Werk bastelt Mirwais
übrigens auch mit.
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