Nr. 12 / Juli 2000

















Gästebuch


Platten aus der Schweiz

Von Thomas Bohnet

Eine gehörige Portion Melody-Punk der guten alten Dinosaur Jr. oder Lemonheads haben die exzellenten Laussanner Chewy gefressen, deren Debütalbum "Whattookyousolong" [b-track/Connected] mich aber auch an die besten Momente der ebenfalls aus der französischen Schweiz kommenden Bands Maniacs und Needles erinnert, zwei Gruppen, die in den Achtzigern und frühen Neunzigern mit zum Besten der Schweizer Rockszene gehört haben. Zwingende Melodien, ein paar griffige Hooks, feine Gitarrenlinien und der hübsche Gesang (gerne auch mehrstimmig) zeichnen feine Tracks wie "Tomcat" oder "Second Hand Magic" aus. Ihre Liveklasse haben Chewy jüngst im Vorprogramm der Deuschland-Tour der Münchner Sportfreunde-Stiller bewiesen und dabei vor gut 1800 begeisterten Fans im ausverkauften Münchner Babylon richtig geglänzt.

Eine interessante Platte aus dem Hause Noise Product aus Genf flatterte mir unlängst per Post ins Haus. Das Subtone Trio ist eine Gruppe, die auf "Load" (Noise Product/RecRec, kein deutscher Vertrieb) mit Trompete, Vibraphon und Programming einen ziemlich eleganten Spagat zwischen Jazz und Drum&Bass wagt. Die Gruppe um den 65jährigen Trompeter Jean-Claude Geiser, den 26jährigen Programmierer und DJ Daniel Geiser sowie den 23jährigen Vibraphonsten Bertrand Blessing besticht durch exzellentes Zusammenspiel.

Ebenfalls aus der welschen Schweiz kommt das Bingo Bill Orchestra, dessen Album "Moustache" [Noise Products/RecRec/kein dt. Vertrieb] zwischen frankophonem Rock, lo-fi-Pop, Fake-Country und allerlei anderem durch raffinierten Witz besticht. Laut Waschzettel der Plattenfirma sieht man sich irgendwo zwischen den beiden französischen Acts Dyonisos und Dominque A eingeordnet (mehr zur Dyonisos auf der Seite mit frz. Neuheiten). Wobei einige sehr hübsche, mal französisch, mal englisch gesungene Stücke abfallen: "Supertonic" oder "Home Again" zum Beispiel.

Nicht so viel anfangen kann ich mit der arg bemühten "Witzischkeit" (Hape Kerkeling) des Baslers Ego-N, der auf seinem jüngsten, dritten Album "Here I Am" [Bong/Kein deutscher Vertrieb] zwischen Lo-Fi-Pop und Gitarrengeschrammel auch mit dünnen, blöden Rap-Persiflagen ("Hier bin ich") und öden Schlagerveralberungen nervt. Mein Gott! Was hier als "schrägster Schweizer Pop-act" angekündigt ist, langweilt über weite Strecken nur. Nein, im Jahr 2000 sind Schlagerparodien nicht mehr witzig, auch nicht, wenn sie tuntig oder mit französischem Akzent vorgetragen werden! Naja, mit dem amüsanten "Ich bin in einem Lautsprecher eingesperrt" und der an den Beatles und Pink Floyd geschulten Minisinfonie mit dem schönen Titel "Und plötzlich hast Du das Gefühl, sehr viel Alkohol trinken zu müssen", macht Ego-N wieder Punkte gut. Überflüssig: das Cover von "Even In The Quietest Moment" - im Original von Roger Hodgson und seiner Idiotenkapelle Supertramp.

Richtig klasse sind, wie schon im letzten Heft angepriesen, die ebenfalls aus Basel kommenden Knut & Silvy. Deren damals besprochenes zweites Album "Visit" [Make Up/RecRec/EfA] ist inzwischen auch in Deutschland herausgekommen.

Wie die oben erwähnten Chewy kommt auch das Trio Zorg aus Lausanne. Deren erstes Album heisst schlicht "Zorg" [RecRec, EfA] und zelebriert einen melancholischen, dunklen, folkinspirierten Rock, nicht unähnlich zu diversen 4-AD-acts, bei dem auch schon mal ein Cello aufgefahren wird. Hübsche Platte.

Nomen est omen gilt beim Berner Trio The Monsters, das auch auf dem neuen Album "Jungle Noise" [Voodoo Ryhthm/RecRec] lustvoll im Garagen-Trash und Psychobilly herumwühlt und 19 Songs durch die Anlage jagt. Aaargh!!!

Letzte Änderungen: 28.12.2001
Produziert von
Peter Pötsch