Nr. 2 / Juli 1995

















Gästebuch


Der ganze New York Scheiß......

Die US-amerikanische Band "The Wrens"

Sympathisch unverkrampft, frech und mit unglaublicher Spielfreude gingen die US-amerikanischen "Wrens" bei ihrem ersten Livebesuch in Deutschland zu Werke. Zum Beispiel im Konstanzer Kulturladen. In ihrer Heimat und in England gab`s schon massenweise guter Konzert- und Plattenreviews - hierzulande sind die Wrens noch unbeschriebene Blätter. LEESON sprach mit den Vieren aus New Jersey nach ihrem Konstanzer Auftritt.

Von Thomas Bohnet

Als "Band wie die Pixies" wurden die Wrens von ihrem deutschen Promoter angekündigt, der kurzerhand, die drei, vier Songs, die nach den alten Helden klingen, auf ein Demotape packt und in die Welt hinausschickt. Trotz eindeutiger Querverweise, besonders deutlich bei den Songs "Napiers" und "Leatherside" herauszuhören, haben die Vier aus New Jersey allerdings mehr zu bieten als bloß Pixieeskes. Nachzuhören auf ihrem ersten Album "Silver" und eindrucksvoll demonstriert beim Konzert. Spannend ist das Zusammenspiel von schräg getrimmten Gitarren und mehrstimmigem harmonischem Gesang. Die Pixies lassen genauso grüßen wie die Squeeze, wenn die noch jemand kennt. Den Sixties-Beat hat man wohl genauso aufgesogen wie den Punk in all seinen Ausformungen. Dabei scheinen sich die Brüder Greg und Kevin Whelan an Gitarre und Baß, Drummer Jerry MacDonald und der zweite Gitarrist Charles Bissell nicht auf einen eindeutigen Stil festlegen zu wollen. Während des Konzertes driftet man von einem Extrem ins Andere. Popsongs mit kratzenden Gitarren stehen kleinen Punkhymnen gegenüber. Zwischendurch wird einfach mal ein Titel angespielt und dann plötzlich beendet oder man driftet in experimentellere Gefilde ab. Das Bühnenverhalten der Vier ist mehr als sympathisch. Ziemlich lässig und erfrischend frech spielen sie ihren Set und halten die Spannung aufrecht. Auch wenn ich nicht der Meinung des Kollegen mrg bin, der die Wrens-Platte sogar in seinen letzten Redaktionscharts hatte: Live sind die Jungs dagegen eine echte Entdeckung.

Wie kommt man dazu, einen solchen Mix der Stile und musikalischen Querverweise zu spielen? - "Wir hören alle so viele verschiedene Musik", meint Kevin, "wobei wir sowieso Bands nicht mögen, die nur einen Stil draufhaben. Das ist, als ob Du nur eine Emotion zur Verfügung hättest. Dabei soll auch die Musik alles ausdrücken: Happy, angry, sad - das ganze Gefühlsspektrum". Man sei eben schnell gelangweilt, pflichtet ihm Gitarrist Charles bei. Also wechselt man die Stile durch. Immerhin einigen sich die Vier im Interview auf eine Lieblingsband: die Beatles. "Nimm deren weißes Album und du hast die ganze Bandbreite von Rockmusik, vom krachenden Gitarrenlärm bis zum feinen Popsong", meint Kevin.

Angefangen haben die "Wrens" vor fünf Jahren als lokale New Jersey-Rockband, die Coverversionen spielt. Was für Cover? "Alles mögliche, von den Beatles, Pixies, Squeeze, Smiths, Kinks", erzählt Gitarrist Greg. "Aber das wollte niemand hören, die wollten bloß Bon Jovi, Metallica und solches Zeug", ergänzt Charles. Nach einer Zeit habe man gemerkt: "Cover versions sucks!" Also stieg man auf eigene Stücke um und ist nach New York gezogen. Etwas außerhalb der City leben die Vier zusammen in einem Haus, in dem sie auch ein eigenes kleines Studio unterhalten. Das eigene Studio sei zum einen billiger, außerdem bekomme man das Ergebnis, das man wolle. "Nach dem Umzug machten wir erstmal den ganzen New-York- Scheiß mit", erzählt Charles. Tapes aufnehmen, in kleinen, schrecklichen Clubs spielen, etc. "Das ist nicht so wie hier", sagt Greg, "wo die Leute zu den Gigs kommen, weil sie die Musik lieben (wirklich?, d.V.). Du wirst dort viel schlechter behandelt. Wenn da zehn Bands am gleichen Abend auftreten, darfst du vielleicht 15 Minuten spielen. Das hängt davon ab, wieviele Leute du an die Tür gebracht hast." "Manche Promoter haben an der Anlage Eieruhren", sagt Kevin, "und die stellen die, je nachdem wieviel Publikum du gebracht hast. Nach 15 Minuten klingelt der Wecker und die stellen dir den Strom ab." Der Sound sei meistens halt auch nicht so toll. Der Soundmann stellt die Anlage ein und geht dann Bier trinken. Verpflegung, Hotel, etc, könne man sowieso vergessen. Die übliche Klage vieler US-amerikanischer Bands also, daß sie zuhause wie der letzte Dreck behandelt werden. Ist das nur in New York so? "In Los Angeles auch, aber New York ist das Schlimmste", meint Greg. Die Konkurrenz sei halt zu groß. Im Mittelwesten sei es dagegen besser, dort gebe es gute Clubs, die dich besser behandeln.

Inzwischen, nach ihrem von der Presse allgemein abgefeierten Debütalbum (auf dem Indielabel Grass Records erschienen) und zahlreichen Konzerten, haben sich die "Wrens" allerdings auch in New York ihren Fanzirkel aufgebaut.

Können die Vier vom Musikmachen leben? "Geht so", sagt Kevin. "Für die Europatour haben wir halt unsere Jobs aufgegeben". Was für Jobs? Charles: "Kevin und ich arbeiteten für eine der größten Musik- und Managementagenturen für klassische Musik. Wir betreuten zum Beispiel das Stuttgarter Kammerorchester oder das russische Nationalsinfonieorchester. Aber wir gaben das auf, weil....." - "It sucks", ergänzt Kevin. "Andererseits", so Charles, "wären wir ohne die Agentur nie hierhergekommen. Wir haben einfach das Telefon umsonst benutzt, um die ganzen Kontakte zu machen.

Das neue Album soll übrigens schon im September, auch in Europa, erscheinen. Auf Tour werden wir die Wrens im nächsten Frühjahr in Deutschland wiedersehen.....

Letzte Änderungen: 28.12.2001
Produziert von
Peter Pötsch