Sketch einer
Idee
Das schwedische
Künstlerduo "Twice a Man" beschränkt sich längst
nicht mehr aufs Komponieren. Mit Hilfe von Computern gestalten sie
im wahrsten Sinne des Wortes Klangbilder.
Von
Harald Fette
Elchpop wird
interaktiv. Seit nahezu 15 Jahren arbeiten Dan Söderqvist und Karl
Gasleben zusammen. Als "Twice a Man" haben die beiden
zwischen Synthie-Pop und Techno einiges an musikalischen Stilen
ausprobiert. Zu Beginn der 80er Jahre landeten sie in Schweden Discotheken-Hits.
Stark angehaucht von Depeche Mode, war ihr Synthesizer-Pop von skandinavischer
Melancholie geprägt: Schleppende Soundteppiche wummern aus den Boxen.
Der Hang zu
orchestraler Schwermütigkeit ist ihnen bis heute geblieben. Auch
wenn sich ihr Sound gewandelt hat und nach einer sanften, new-age-lastigen
Phase inzwischen dem Ambient und Trance zugerechnet werden kann.
Man muß drauf stehen, möchte man sich eines ihrer Alben auf der
Stereoanlage anhören. Denn die Stücke wirken wie die Soundunterlegung
zu einem Film, so daß man beim Hören unwillkürlich den Fernseher
einschalten möchte.
Die Maschinenmusiker
haben auch immer visuell gearbeitet. Während ihrer gesamten Karriere
haben sie sich dabei nicht auf die Bühne eines Konzertsaals beschränkt,
sondern in Theater- und Filmprojekten mitgearbeitet.
Bereits 1985
sorgen sie für die Klänge der Waterland-Ausstellung im Stockholmer
Kulturhuset. Von da an folgt jährlich ein neues Projekt - sei es
Macbeth im Theater von Stockholm, Happenings am Göteborger Raw Action
Theatre oder wie in letzter Zeit Filmmusiken zu schwedischen Kino-
und TV-Produktionen. Dabei pendeln sie zwischen den Städten Stockholm
und Göteborg. Weitere Arbeiten gelten etwa einer Radioshow, der
Videoausstellung "Antwalk", dem Multimedia-Projekt "Driftwood"
oder der Theateraufführung von "Figaros bröllop", wie
der Schwede zu sagen pflegt.
Die beiden arbeiten
seit jeher mit Synthesizern. Auf Computern haben sie ihre Plattencover
selbst entworfen. Und für Bühnenshows nutzen sie frühzeitig Videoprojektoren,
mit denen sie ihre Grafiken auf die Bühne werfen. Da liegt es nahe,
daß sie sich mit den in Mode gekommenen elektronischen Medien beschäftigen
- dem Internet und der CD-ROM.
Die Faszination
für Science Fiction und zukunftsorientierte Gedanken prägen die
Arbeiten von Twice a Man von Anfang an. 1986 etwa nennen sie ein
Stück "Brave new world" und kokettieren mit Aldous Huxleys
Romanen. Im Multimedia-Projekt "Driftwood" in den Jahren
1987-88 beziehen sie sich auf die Meskalin-Experimente in Huxleys
"Doors of Perception". Auch im Stück "Shivanayama",
in dem es um die halluzinogene Droge Moksha geht, werden Anlehnungen
an den Autoren deutlich. Auf dem Album "Aqua marine drum"
im Jahre 1987 zitieren sie Auszüge aus "Eyeless in Gaza".
Völlig hin und
weg sind die beiden Schweden dann von William Gibsons "Neuromancer".
Düstere Zukunftsvisionen à la "Blade Runner" und dem Cyberspace
Gibsons vermischen sich für Twice a Man zu einer atmosphärischen
Gedankenwelt, deren akustische Umsetzung etwa in "Fungus und
Sponge" 1993 zu hören ist. Manche Stücke darin haben direkte
Analogien zu Szenen in Gibsons Roman. "It’s time to dream"
beispielsweise führt an einem künstlichen Strand entlang, zwischen
Wind, Brandung und Eisblöcken.
Derartige Songs
schreien geradezu nach einer optischen Umsetzung. Und zumal die
beiden sich von Anfang an um Plattencover und Bühnenshows gekümmert
haben, über einige Erfahrung in punkto Computergrafik verfügen und
mit schwedischen Künstlern eng verbunden sind, die ebenso phantastische
Landschaften auf dem Personalcomputer entwerfen, werden die Früchte
einer zweijährigen Arbeit auch demnächst im Handel erscheinen. "A
line of moments" heißt die neue CD-ROM der Gruppe.
"Wir benutzten
Computergrafiken auf der Bühne", berichtet Karl, "und
dachten darüber nach, wie wir dasselbe Ambiente, dasselbe Feeling
mit Computern umsetzen könnten. Wir luden ein paar Freunde, die
sich ebenso mit Computergrafik beschäftigten, ein und gründeten
die Goldfish- Gruppe. Das ist eine Gruppe aus Künstlern, die sich
der digitalen Kunst widmet." Die Musik von Twice a Man bildete
den Grundstock für die Arbeiten, an denen insgesamt 18 Grafiker
mitwirkten.
Die ersten Szenen,
die auf der diesjährigen "Popkomm" in Köln zu sehen waren,
erinnern an das Computerspiel Myst. Hat das Spiel Twice a Man in
ihrer Arbeit beeinflußt? "Wir haben die CD- ROM geplant, noch
bevor ich Myst überhaupt gesehen habe. Ich bin auch kein Computerspieler.
Aber Myst habe ich gespielt - und es hat mir phantastisch gefallen.
Die Atmosphäre, die Grafiken sind etwas ganz anderes als wenn man
mit einem Computerspiel ins Weltall düst und Feinde abschießt."
Twice a Mans
CD-ROM kommt in einer Zeit heraus, in der der Begriff Multimedia
zu einer schicken Worthülse geworden ist. Wie kommen sie mit dem
Begriff Multimedia zurecht? "Sobald etwas trendy ist und sobald
ein Hype hinter einer Sache steht - so wie hinter dem Begriff Multimedia
- dann ist es für all diejenigen schlecht, die sich ernsthaft mit
diesen Dingen auseinandersetzen. Manche Musiker werden in CD-ROM-Produktionen
hineingezerrt, obwohl sie sich überhaupt nicht dafür interessieren.
Demgegenüber versuchen wir eine Umgebung zu schaffen, durch die
wir mit Grafiken und Musik führen."
Die CD-ROM ist
somit zum Medium Nummer eins für das schwedische Duo geworden. Der
Diskussion um das Internet stehen sie noch mit Distanz gegenüber,
schließlich sind die Datenübertragunsraten noch so gering, daß keine
flüssigen Animationen möglich sind. Und auch von den Gesprächen
über die freie Verfügbarkeit von Musik- und Bildsamplen auf den
Netz, deren sich alle bedienen können, hält Karl nicht viel: "Die
Diskussion, ob man vom Internet Musik und Kunst abgreifen kann und
frei verwerten, ist unrealistisch. Denn wegen der Übertragungsgeschwindigkeiten
sind auf dem Internet nur grobe Entwürfe zu haben, nur Sketche einer
Idee."
Discographie
Music for girls,
1982
the sound of a goat in a room, Kassette 1983
Waterland, Kassette 1984
From a norhern shore, 1984
Slow swirl, 1985
Works on yellow, 1986
Macbeth, 1986
Aqua marine drum, 1987
Collection of stones, selected works 82-87, 1987
Driftwook, 1988
The sound isn t organised yet, 1990
Figaro, Thorsten, Emilia, 1992
Fungus & Sponge, 1993
A line of moments, CD-ROM, 1995 |