Nr. 4 / April 1996

















Gästebuch


"Mal sehen, was der Kraut in seiner Kiste hat.."

Die Berner Alboth! mit ihrem neuen Album "Ali"

Von Thomas Bohnet

Alboth Vor fünf Jahren überraschte die Berner Band Alboth! mit ihrem ersten Mini-Album "Amour 91" die Musikwelt. Das radikale Werk zwischen Jazz-Core und Death Metal, gepaart mit einem, aus der Klassik kommenden, Musikverständnis, stiess international auf teilweise euphorische Kritiken.

Pianist Peter Kraut, Bassist Christian Pauli, Sänger Daniel Lieder und der exzellente Drummer Michael Werthmüller absolvierten auch ihre ersten Konzerte ausserhalb der Schweiz. Legendär war etwa ihr erster deutscher Auftritt im Konstanzer Kulturladen im Januar 1992 - noch vor dem Kritikerhype - als Alboth! auf ein völlig unvorbereitetes Publikum trafen. Die Reaktionen waren damals ziemlich interessant: Während die eine Hälfte restlos begeistert war, zeigte sich die Andere entsetzt ob des brachialen Soundgewitters, das da im kleinen Raum auf die Menge niederprasselte.

Das Album "Liebefeld" und die Mini-CD "Leib" folgten dem Debüt und Alboth wurden als das derzeit heisseste Ding herumgereicht. Inzwischen hat sich die Begeisterung über die Klangkonstrukteure etwas gelegt - der Zeitgeist wendet sich nun anderem zu. Mit "Ali", ihrem zweiten "ganzen Album", melden sich die vier Schweizer jetzt zurück. Beim italienischen Label "Sub/Mission" erschienen, kümmert sich im deutschsprachigen Raum inzwischen der alte Independent-Haudegen Alfred Hilsberg (What`s So Funny About) um die Berner. "Wir haben ungefähr dreissig Plattenfirmen weltweit angeschrieben", erzählt Christian Pauli. "Zwei haben sich gemeldet, wobei wir Sub Mission eigentlich gar nicht gefragt haben. Die haben sich selber gemeldet." Alfred Hilsberg kenne man auch schon länger, sagt Christian: "Der war halt immer der Ansicht, als seien wir schon in guten Händen, also hatte er uns bislang nicht gefragt".

Hat sich eigentlich der ganze Medienhype für Alboth! bezahlt gemacht, haben sie es jetzt leichter mit ihrer doch sehr eigenen Musik? - "Ja und nein", sagt Christian. "Generell ist es natürlich gut, mit solcher Musik überhaupt überall auftreten zu können. Mit "Ali" haben sich jetzt endlich einmal auch Leute dahintergeklemmt, die ansatzweise professionell arbeiten. Aber das ganze Geschäft ist schon sehr mühsam." Vor allem in der Schweiz haben Alboth! erhebliche Probleme: "Da trifft vielleicht das alte Klischee zu, vom Propheten, der im eigenen Land nichts gilt. Pressemässig läuft in der Schweiz verdammt wenig." In Deutschland habe sich, so Christian, als Nachteil erwiesen, "dass wir dort seit langem nicht mehr tätig waren." Richtig gut laufe es vor allem in Frankreich: "Dort gibt es eine richtige Szene, zu der man uns auch dazuzählt. Nachdem wir dort angefangen hatten, in kleinen Clubs zu spielen, kommen jetzt die Grösseren und die Festivals auf uns zu. Befreundete Bands erwähnen uns in Interviews und wir selber werden von französischen Journalisten gefragt: In der Schweiz gibt es Alboth!, die Young Gods und Goz Of Kermeur. Was gibt es sonst noch?"

Beim neuen Album fällt auf, dass die Vier diesesmal viel mit Sampling gearbeitet haben, das übliche line-up mit Bass, Piano und Drums erweitern. Steckt da ein neues Konzept dahinter? "Eigentlich nicht", sagt Christian. "Der Kraut hat den Sampler als Instrument miteingebracht, das uns sehr entgegenkommt. Er ist einer der zehn Möglichkeiten, die wir jetzt haben, Stücke zu machen, der Sampler hat die klanglichen Möglichkeiten erweitert. Zu Anfang war der Sampler nur als Soundquelle gedacht, mit der man auch live spielen kann. Jetzt brauchen wir ihn auch, um darauf Stücke zu entwerfen. Der Vorteil ist, du kannst die Komposition genau so spielen, wie du sie spielen willst. Besonders für Michael (den Drummer, tb) ist es interessant, auf Samplingbasis seine Stücke zu machen. Wenn ich ein Stück bringe, hat das zuerst mit Sampling wenig zu tun. Vielleicht kommt das dann noch dazu und man schaut halt, was der Kraut noch in seiner Kiste hat und ob das reinpasst."

Beim Stück "Berger", das auch mit Vibraphon arbeitet, hört man einen für Alboth! ungewöhnlichen Ambient-Touch heraus. "Also Ambient und Techno ist schon auch ein Einfluss", sagt Christian. "Wir hören uns das an und das ist auch eine Musik, die das Klangspektrum entdeckt hat. Es ist jetzt aber nicht so, dass wir einfach von Ambient-Platten runtersampeln. Wo wir die Sounds herhaben, das ist Zufallsprinzip. Du hörst einfach mal dieses und jenes. Wir haben aber auch selber Sounds aufgenommen, zum Beispiel auf Metallplatten rumgekratzt und das dann aufgenommmen. Du kannst mit diesen Sounds ja wirklich alles machen. Das gute am Sampler ist, du kannst die Sounds von allen Seiten aus ansehen."

Auf der anderen Seite des Klangspektrums auf "Ali" steht dann ein Stück wie "Rafael", das ganz dem alten Alboth-Stil verhaftet ist, Jazz-Core. "Wir haben diesesmal jedes der Stücke komplett verschieden aufgenommen. Mit "Ali" gehen wir gleichzeitig in verschiedene Richtungen. Wir wollten auch, dass da ruhigere Stimmungen reinkommen. Das versuchen wir jetzt auch live so zu machen." Wichtig sei diesesmal auch der Soundingenieur gewesen: "Patrick Schwitter hat sich viele Freiheiten rausgenommen und wir sind mit dem Ergebnis auch sehr zufrieden. Das Stü:ck "Landolt" zum Beispiel war unser schwierigstes Stück. Das kam nicht so raus, wie wir uns das dachten. Da haben wir Patrick gesagt: Einfach Freipass für dieses Stück!"

Wenn dieses LEESON erscheint, haben Alboth ihre ausgedehnte Deutschland-Tour gerade beendet. Im April werden die vier Berner dann in der Schweiz live zu sehen gewesen sein: am 4.4. in Thun (Caf‚ Mokka), am 6.4. in Zürich (Rote Fabrik) und am 12.4. in Bern (Reithalle).

Letzte Änderungen: 28.12.2001
Produziert von
Peter Pötsch