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Buchrezensionen:
Yardie / Exzess
/ Yush!
[alle rororo, Original: X-Press u. Pan Books]
Mike Phillips
Point of darkness
[Penguin, 320 Seiten, 4,99 Pfund]
[ab] Der Gangster-Roman
"Yardie" von Victor Headley war 1992 in Großbritannien
ein Überraschungserfolg. Ein Rasta schrieb im Knast einen kleinen,
autobiographisch gefärbten Thriller. Ein kleiner, von schwarzen
Journalisten gegründeter, Verlag veröffentlichte das Werk. Wobei
man nicht im Traum daran dachte, das große Geschäft zu machen. Aber
das Buch schlug wie eine Bombe ein: Im darauffolgenden Jahr erschien
sogar beim Verlagsriesen Pan Books eine Lizenzausgabe. Vom Erfolg
seines ersten Buches überrascht, und von den Verlegern zu einer
Fortsetzung gedrängt, schrieb Headley in den folgenden Jahren mit
"Excess" und "Yush!" die Geschichte des Drogenhändlers
D. fort. Inzwischen liegt die Trilogie vollständig auf Deutsch in
der rororo-Thriller-Reihe vor.
Die "Yardie"-Trilogie
beginnt unspektakulär mit der Ankunft des Drogenkuriers D. aus Jamaica
auf dem Flughafen London Heathrow. Doch D. hat größeres vor. Er
flüchtet mit dem Kokain und beginnt sein eigenes Drogenimperium
aufzubauen. Am Schluß von "Yardie" gerät D. in eine von
der Konkurrenz gestellten Falle und wird nach Jamaica ausgewiesen.
In "Exzess" kehrt er nach London zurück und kämpft erfolgreich
um sein Imperium. In "Yush!" ist D`s größte Bedrohung
der skrupellose Cop Lancey, der sich am Drogengeschäft beteiligen
will. Für D., der daran denkt, aus dem Business auszusteigen, geht
es nun nicht mehr um sein Imperium sondern um sein Leben....
Die große Popularität
und Faszination der Yardie-Trilogie liegt allerdings nicht in der
konventionellen Gangstergeschichte, sondern in den stimmigen Ghettobeschreibungen.
Wenn Headley von den Abenden und Nächten in Lokalen spricht, das
Leben der Jugendlichen zwischen Bars und Frauen beschreibt, aus
dem Alltag alleinerziehender Frauen berichtet, von den kleinen Nichtigkeiten
des Lebens erzählt oder vom Vergnügen im Plattenshop Reggae-Platten
durchzuhören, dann besitzen seine Erzählungen eine dokumentarische
Kraft, die in Kriminalromanen Seltenheit hat.
Es sind Geschichten
aus seiner Community, die den konventionellen Thriller-Rahmen sprengen,
aber in ihrer einfachen Sprache immer auf der Straße bleiben. Deshalb
erreichten Headleys Krimis wohl auch mehr Leser als die literarisch
ambitinoierteren Bücher schwarzer Autorinnen wie Alice Walker, Tony
Morrison oder Terry McMillan.
Es empfiehlt
sich übrigens, die Yardie-Trilogie im Original zu lesen. Dem kreativen
Umgang der Jamaikaner mit der englischen Sprache, das Patois, wird
die deutsche Übersetzung nur unzureichend gerecht.
Die Hauptpersonen
beim Silver-Dagger-Preisträger Mike Phillips sind ebenfalls
Jamaikaner. Das dritte Buch um den schwarzen Journalisten Sam Dean,
"Point of darkness", enthält alle Ingredenzien für eine
schlaflose Nacht: Dean erklärt sich hier bereit, der Tochter seines
sterbenden Freundes eine Nachricht zu überbringen. Sie ist allerdings
in New York spurlos verschwunden. Auf seiner Suche nach dem Mädchen
gerät der Journalist in eine düstere Geschichte um Drogen, Erpressung
und Giftmüllschmuggel. Phillips zeichnet in diesem glänzend geschriebenen
Krimi das stimmige Bild der karibischen Community in New York und
berichtet über die Erfahrungen der Einwanderer: Seine Hauptpersonen
sind alle Heimatlose in einer von Weißen beherrschten Welt.
Down in Lousiana
[bommas verlag, 22 Mark]
[tb] Verdienstvolles
Unternehmen das! Der bayrische Autor Franz Dobler ("Tollwut",
"Bierherz") und der Herausgeber des Fanzines "Trust",
Peter Bommas, legen hier einen sehr schön aufgemachten, reich bebilderten
Sammelband zur Musikszene in Lousiana vor. Gemeinsam mit anderen
AutorInnen, darunter auch FSK-Sänger Thomas Meineke, gibt man Einblicke
in diese interessante Regionalszene zwischen New Orleans und Lake
Charles. Die beiden miteinander verwandten Musikstile "Cajun"
(die "weiße" Variante) und "Zydeco" ( die "schwarze")
erfreuen sich seit einigen Jahren ja auch hierzulande großer Beliebtheit.
Wozu sicherlich das regelmäßige Deutschland-Touring der Familie
Delafose aus Eunice mit beigetragen hat.
"Down in
Lousiana" stellt in kurzen, reportageartigen Artikeln die wichtigsten
Musiker der Szene vor, hält Informationen zur Geschichte dieser,
jahrezehntelang abgeschottet lebenden und - das verwirrt die meisten
USA-Reisenden - französischsprechenden Community bereit und entführt
sogar in die Cajun-Küche. Artikel über Voodoo (das erinnert mich
an eine Kleinanzeige, die ich jüngst in der Konstanzer Tagesanzeitung
"Südkurier" gelesen habe: "Wer kennt sich mit Woodoo
aus?") und zum Dokumentarfilmer Les Blank runden das Ganze
ab. Lediglich der Artikel zu John Woos Dreharbeiten in New Orleans
("Hard Targets") ist in diesem Band ein wenig fehl am
Platz. Was soll`s - ein Pflichtbuch für alle Cajun-Zydeco-addicts.
Laissez les bon temps rouler! - Bleibt zu wünschen, daß sich mal
jemand die Mühe macht und einen ähnlichen Band zum Tex Mex herausbringt....
File under popular
[Buchverlag Michael Schwinn, 224 Seiten, 24 Mark]
[mz] Chris Cutler
geht in seiner, nun erstmals auf deutsch erschienen Text- und Aufsatzsammlung
"File under popular", der Frage nach, was ist populäre
Musik? Die Kategorie "populäre Musik" faßt der Musiker
(einst u.a. Henry Cow, Pere Ubu und Cassiber, heute etwa The Nudes),
Co-Initiator der "Rock-in-Opposition"-Bewegung und spätere
Gründer des RéR-Labels und Vertriebssystems, in Abgrenzung zur rituellen
Volksmusik, zur klassischen Musik und zur, von den - so Cutler -
"Klassengesellschaften als "ernst" bezeichneten Musik",
d.h. in der Abgrenzung all dessen, was populäre Musik nicht ist.
Die Kategorie dient Cutler hierbei weniger als starre, eine feste
Reihe von Parametern umfassende Begrifflichkeit, sondern vielmehr
als offene Form, die vom Betrachter "aus dem Augenwinkel heraus"
deutlich wahrgenommen werden kann, die jedoch verschwindet, sobald
man sie "direkt ins Auge zu fassen" versucht.
"File under
popular" ist eine Aufsatzsammlung, die sowohl kulturtheoretisch,
als auch biographisch versucht, einer von den Akademikern ignorierten,
populären Musikform nachzuspüren. Ob Cutler sich nun Sun Ra nähert,
der für ihn "einen Seinsmodus ’schwarzer Kultur’" darstellt,
oder den Residents sein Interesse widmet - Cutlers Überlegungen
sind an keiner Stelle starr, sie regen zur Reflexion an und stellen
eine subtile Bestandsaufnahme der "anderen Kultur" dar.
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