Nr. 4 / April 1996

















Gästebuch


Rockmusik ohne Guillotine

Die Hamburger Band "Les Robespierres"

Hamburger Szene und kein Ende? Diskurs-Pop einmal anders. Hamburger Band, französischer Name, portugiesische Texte. "Les Robespierres" sind Internationalisten im besten Sinne. LEESON sprach mit Sänger Klaus Ramcke.

Von Matthias Schneider

Wer die Hamburger Musikszene verfolgt, kennt einen Teil der Akteure von "Les Robespierres" sicherlich aus verschiedenen anderen Gruppierungen. Ted Gaier (Baß) etwa dürfte von den "Goldenen Zitronen" her bekannt sein. Gemeinsam mit Sänger und Gitarrist Klaus Ramcke war Ted auch schon bei den "Three Normal Beatles" zugange. Ramcke, Drummer Chara Ganotis und Keyboarder Sergey Tolksdorf wiederum spielten bereits als "Chocolate Factory" zusammen.

Mit eben dieser "Chocolate Factory" hielt Klaus Ramcke schon in den achtziger Jahren die Beat-Fahne hoch um an die vergessene Mod-Kultur zu erinnern. Dort wie bei den "Robespierres" ist der Gitarre spielende, kreischende und wild tanzende Sänger auch der treibende Motor bei den Konzerten.

Les Robespierres, live in Ulm

Nach mehreren in der Beatszene sehr erfolgreichen Platten mit der "Schokoladenfabrik" verschwindet Klaus Ramcke für ein paar Jahre nach Brasilien. Wieder zurück in Deutschland gründet er mit Ted Gaier (Drums) und Thomas Wenzel, dem jetzigen Bassisten der "Sterne" (von denen übrigens im April bei Sony ein neues Album erscheinen wird) die "Three Normal Beatles". Das Trio hat keine Probleme drei Stunden lang Beat- und Soul-Klassiker zu spielen. Wer einmal die Three Normal Beatles gesehen hat wird süchtig nach diesen kreischenden, scheppernden und einen regelrecht überrollenden Beatkonzerten. Doch die "wahren" Beatles sehen sich nur als Partyband. Nach Lust, Zeit und Laune wird die Handvoll Instrumente einfach in einen PKW gepackt. Gespielt wird überall: egal ob nun offiziell auf Parties oder irgendwo auf der Straße. Die Freiheit, ohne Probleme überall und sofort spielen zu können, ist auch die Intention von "Les Robespierres". Als Partyband will man sich allerdings nicht verstanden wissen.

Schon innerhalb kürzester Zeit nach ihrer Gründung nehmen "Les Robespierres", zwei Wochen nach dem Beginn des zapatistischen Aufstandes der mexikanischen Bauern in Chuapas, die Single "Mexico o E.Z.L.N. e voces" auf. Auslöser für die Single ist die politische Situation in Mexiko und die einseitige Information der Medien. "Es war wie ein Schuß aus der Hüfte und wir haben ganz direkt unserem Unmut freien Lauf gelassen", erzählt Klaus Ramcke. Die mexikanischen Bauern wehren sich gegen überhöhte Zölle der USA, die eingesetzt werden um die Existenz der mexikanischen Bauern zu gefährden und bestehende Arbeits-Kollektive zu zerstören. Trotz dieses klaren politischen Statements auf ihrer ersten Single, ist es für die Gruppe nicht unbedingt zwingend, politische Aussagen in die Lieder zu packen. "Die Single steht für sich und es gab auch nie den Gedanken, daß wir eine rein politische Band werden," sagt der Sänger der Band.

Die Texte werden, für eine Hamburger Band ungewöhnlich genug, auf Portugiesisch gesungen. Ein Portugiesisch das allerdings, laut einer Textzeile, "gar nicht existiere". Es ist ein Portugiesisch "das keiner redet, sehr frei und eher ein poetisches Portugiesisch". Klaus Ramcke ist Halbbrasilianer und obwohl er besser Deutsch als Portugiesisch spricht, fällt es ihm in seinen Texten leichter, auf portugiesisch Gefühle auszudrücken und Postionen zu beziehen. Bei seiner einstigen Beatband, den oben erwähnten Chocolate Factory, vermied Klaus Ramcke "möglichst eine Aussage, die konkret ist", wie er anmerkt. Inzwischen habe sich das geändert: "Wenn ich schon etwas sage und es hört mir jemand zu, dann darf es nicht sinnlos sein." Mit der Platte wollen die Hamburger nicht nur den Zuhörer unterhalten, sondern auch bewußt nerven. Wie zum Beispiel mit dem Song "Esse dia": ein Lied, bei dem der Zuhörer auf die selbstverständliche Freiheit hingewiesen wird, die man, so Klaus, "aus Bequemlichkeit nicht nutzt".

Freiheit ist das zentrale Thema des ersten Albums mit dem Titel "Liberdade Liberalidade" (Buback Tonträger/Indigo), übersetzt: "Freiheit und Liberalität". Man wolle, so Klaus Ramcke, "die Menschen darauf hinweisen, daß man ihnen ein falsches Bild von Freiheit verkauft."

Dadurch, daß sie auf portugiesisch singen, wollen sich Les Robespierres nicht nur von den Sixties-Revival-Bands abgrenzen, sondern die Texte sind auch speziell an jenes Publikum gerichtet, das diese Sprache spricht. "In Brasilien ist es einfach so, daß man sich viel mehr mit den Texten auseinandersetzt und befaßt", meint Klaus.

Bei der Frage welche Songs Klaus Ramcke am meisten bedeuten, sind es natürlich die Lieder, mit klaren politischen Statements. "Die Texte funktionieren nicht ohne die Musik. Platte Statements mochte ich eigentlich nie, doch durch den zapatistischen Aufstand hat sich das geändert."

Wahrscheinlich werden bei der Tour im Frühjahr während der Konzerte Übersetzungen zu den Texten ausliegen. "Die Platte, wie auch das Konzert, soll natürlich auch Amüsement und keine Plenarsitzung sein." Es ginge ihnen hier nicht um ein "elitäres Underground-Ding", so Klaus, sondern um "Volksmusik" oder "Popmusik im besten Sinne."

Letzte Änderungen: 28.12.2001
Produziert von
Peter Pötsch