Rockmusik ohne
Guillotine
Die Hamburger
Band "Les Robespierres"
Hamburger Szene
und kein Ende? Diskurs-Pop einmal anders. Hamburger Band, französischer
Name, portugiesische Texte. "Les Robespierres" sind Internationalisten
im besten Sinne. LEESON sprach mit Sänger Klaus Ramcke.
Von
Matthias Schneider
Wer die Hamburger
Musikszene verfolgt, kennt einen Teil der Akteure von "Les
Robespierres" sicherlich aus verschiedenen anderen Gruppierungen.
Ted Gaier (Baß) etwa dürfte von den "Goldenen Zitronen"
her bekannt sein. Gemeinsam mit Sänger und Gitarrist Klaus Ramcke
war Ted auch schon bei den "Three Normal Beatles" zugange.
Ramcke, Drummer Chara Ganotis und Keyboarder Sergey Tolksdorf wiederum
spielten bereits als "Chocolate Factory" zusammen.
Mit eben dieser
"Chocolate Factory" hielt Klaus Ramcke schon in den achtziger
Jahren die Beat-Fahne hoch um an die vergessene Mod-Kultur zu erinnern.
Dort wie bei den "Robespierres" ist der Gitarre spielende,
kreischende und wild tanzende Sänger auch der treibende Motor bei
den Konzerten.
Les
Robespierres, live in Ulm
Nach
mehreren in der Beatszene sehr erfolgreichen Platten mit der "Schokoladenfabrik"
verschwindet Klaus Ramcke für ein paar Jahre nach Brasilien. Wieder
zurück in Deutschland gründet er mit Ted Gaier (Drums) und Thomas
Wenzel, dem jetzigen Bassisten der "Sterne" (von denen
übrigens im April bei Sony ein neues Album erscheinen wird) die
"Three Normal Beatles". Das Trio hat keine Probleme drei
Stunden lang Beat- und Soul-Klassiker zu spielen. Wer einmal die
Three Normal Beatles gesehen hat wird süchtig nach diesen kreischenden,
scheppernden und einen regelrecht überrollenden Beatkonzerten. Doch
die "wahren" Beatles sehen sich nur als Partyband. Nach
Lust, Zeit und Laune wird die Handvoll Instrumente einfach in einen
PKW gepackt. Gespielt wird überall: egal ob nun offiziell auf Parties
oder irgendwo auf der Straße. Die Freiheit, ohne Probleme überall
und sofort spielen zu können, ist auch die Intention von "Les
Robespierres". Als Partyband will man sich allerdings nicht
verstanden wissen.
Schon innerhalb
kürzester Zeit nach ihrer Gründung nehmen "Les Robespierres",
zwei Wochen nach dem Beginn des zapatistischen Aufstandes der mexikanischen
Bauern in Chuapas, die Single "Mexico o E.Z.L.N. e voces"
auf. Auslöser für die Single ist die politische Situation in Mexiko
und die einseitige Information der Medien. "Es war wie ein
Schuß aus der Hüfte und wir haben ganz direkt unserem Unmut freien
Lauf gelassen", erzählt Klaus Ramcke. Die mexikanischen Bauern
wehren sich gegen überhöhte Zölle der USA, die eingesetzt werden
um die Existenz der mexikanischen Bauern zu gefährden und bestehende
Arbeits-Kollektive zu zerstören. Trotz dieses klaren politischen
Statements auf ihrer ersten Single, ist es für die Gruppe nicht
unbedingt zwingend, politische Aussagen in die Lieder zu packen.
"Die Single steht für sich und es gab auch nie den Gedanken,
daß wir eine rein politische Band werden," sagt der Sänger
der Band.
Die Texte werden,
für eine Hamburger Band ungewöhnlich genug, auf Portugiesisch gesungen.
Ein Portugiesisch das allerdings, laut einer Textzeile, "gar
nicht existiere". Es ist ein Portugiesisch "das keiner
redet, sehr frei und eher ein poetisches Portugiesisch". Klaus
Ramcke ist Halbbrasilianer und obwohl er besser Deutsch als Portugiesisch
spricht, fällt es ihm in seinen Texten leichter, auf portugiesisch
Gefühle auszudrücken und Postionen zu beziehen. Bei seiner einstigen
Beatband, den oben erwähnten Chocolate Factory, vermied Klaus Ramcke
"möglichst eine Aussage, die konkret ist", wie er anmerkt.
Inzwischen habe sich das geändert: "Wenn ich schon etwas sage
und es hört mir jemand zu, dann darf es nicht sinnlos sein."
Mit der Platte wollen die Hamburger nicht nur den Zuhörer unterhalten,
sondern auch bewußt nerven. Wie zum Beispiel mit dem Song "Esse
dia": ein Lied, bei dem der Zuhörer auf die selbstverständliche
Freiheit hingewiesen wird, die man, so Klaus, "aus Bequemlichkeit
nicht nutzt".
Freiheit ist
das zentrale Thema des ersten Albums mit dem Titel "Liberdade
Liberalidade" (Buback Tonträger/Indigo), übersetzt: "Freiheit
und Liberalität". Man wolle, so Klaus Ramcke, "die Menschen
darauf hinweisen, daß man ihnen ein falsches Bild von Freiheit verkauft."
Dadurch, daß
sie auf portugiesisch singen, wollen sich Les Robespierres nicht
nur von den Sixties-Revival-Bands abgrenzen, sondern die Texte sind
auch speziell an jenes Publikum gerichtet, das diese Sprache spricht.
"In Brasilien ist es einfach so, daß man sich viel mehr mit
den Texten auseinandersetzt und befaßt", meint Klaus.
Bei der Frage
welche Songs Klaus Ramcke am meisten bedeuten, sind es natürlich
die Lieder, mit klaren politischen Statements. "Die Texte funktionieren
nicht ohne die Musik. Platte Statements mochte ich eigentlich nie,
doch durch den zapatistischen Aufstand hat sich das geändert."
Wahrscheinlich
werden bei der Tour im Frühjahr während der Konzerte Übersetzungen
zu den Texten ausliegen. "Die Platte, wie auch das Konzert,
soll natürlich auch Amüsement und keine Plenarsitzung sein."
Es ginge ihnen hier nicht um ein "elitäres Underground-Ding",
so Klaus, sondern um "Volksmusik" oder "Popmusik
im besten Sinne." |