Ein europäischer
Zugang zur Musik
The Walkabouts:
Interview mit Chris Eckman
"Wenn du
dich zu sehr um Verkaufszahlen kümmerst, dann kümmerst du dich um
Dingen, mit denen du als Künstler nicht zuviel zu tun haben solltest."
Chris Eckman erzählt vom kompromißlosen Musizieren mit seiner Band
The Walkabouts, warum auf der neuen Platte "Devil`s Road"
Streicherarrangements zu hören sind und was er sich vom Wechsel
der Plattenfirma verspricht.
Von
Harald Fette
In der Hochphase
des Grungerock kontrastiert plötzlich eine Band die musikalische
Palette des damaligen Hip-Labels ’Sub Pop’. Während in Seattle Mudhoney,
Nirvana &. Co. für Furore sorgen, spielt eine andere Gruppe
in der Stadt ruhigere Klänge ein.
Die Walkabouts
finden im Herbst 1983 zusammen. Carla Torgerson (git, voc, cello,
kb), Chris Eckman (git, voc) und Grant Eckman (dr) gründen die Band
in Seattle. Ein Jahr später stößt Michael Wells (b) hinzu und 1988
erscheint das erste Album "See beautiful rattlesnake gardens".
Carla spielt schon als junges Mädchen Cello und zieht als Straßenmusikerin
durch Europa, während Chris zu der Zeit noch in einer Fischfabrik
arbeitet. Er verbrachte einmal drei Monate damit, das Intro von
"Train-kept-a-rollin" auf der Gitarre zu spielen. Danach
beschloß er, nur noch selbst Songs zu schreiben.
Walkabouts:
Carla und Chris bei ihrem Konzert im Konstanzer Kulturladen (1990)
1989 unterzeichnen
die Walkabouts einen Plattenvertrag bei "Sub Pop". Sie
veröffentlichen gleich das Album "Cataract", das in der
Musikpresse großes Echo findet. Inzwischen ist Glen Slater an Orgel
und Tasteninstrumenten in der Band. Sie touren mehrfach durch die
USA und Europa, unter anderem als Vorgruppe der "Throwing Muses".
Als 1991 die LP "Scavenger" herauskommt, sind Gasteinlagen
von Brian Eno und Natalie Merchant (10000 Maniacs) zu hören. Auch
folgende Alben klettern vor allem in europäischen Landen in die
Independent-Charts. Mit zahlreichen Tourneen erspielen sich die
Walkabouts ein treues Stammpublikum. Insbsondere 1993 ist ihre Kreativität
in punkto Plattenveröffentlichungen nicht zu bremsen. Chris und
Carla veröffentlichen auch ihr erstes akustisches Album als Duo.
Und immer wieder sind zahlreiche Größen der US-Szene auf ihren Alben
zu hören: Peter Buck (R.E.M.) und Mark Lanegan (Screaming Trees)
beispielsweise.
Die Walkabouts
sind im Folk und im Independent-Rock zu Hause. Ihre Kompositionen
sind von den mehrstimmigen Gesängen, von einfühlsamen Gitarrenriffs
und Glen Slaters Örgelchen getragen. Sie musizieren nach wie vor
zu fünft, wobei Terri Moeller schon vor vier Jahren Grant Eckman
abgelöst hat. Im Jahre 1995 schließlich wechselt die Band, die stetig
populärer geworden ist, die Plattenfirma - sie unterzeichnen einen
Vertrag bei Virgin. Im Sommer nehmen sie im Studio von Conny Plank
in der Nähe von Köln das neue Album "Devil’s road" auf,
das jüngst erschienen ist. Produziert ist die neue Platte vom Australier
Victor van Vugt, der ansonsten mit Nick Cave arbeitet.
Chris Eckman
zu dieser Entscheidung: "Wir haben Victor engagiert, weil wir
die Platten sehr mögen, an denen er gearbeitet hat - Nick Cave,
Robert Foster, deren Platten gehören mit zu meinen Lieblingsplatten.
Und wir wollten einen anderen Sound als bisher hineinbringen. Victor
ist ein Australier der in London lebt, also einen europäischen Zugang
zur Musik hat. Wir wollten uns damit mehr in Richtung nach Europa
orientieren. Die Platte ist wie jede andere von uns live eingespielt,
bis auf die Streicher. Sie wurde glaube ich durchs Abmischen im
Sound etwas anders."
Wobei auf dieser
Platte meiner Meinung nach die Streicherarrangements mit den Warschauer
Philharmonikern aus dem Rahmen fallen. Schon 1991 waren auf "Scavenger"
Streicher zu hören. Und schon 1985, so berichtet Chris, habe Carla
regelmäßig das Cello auf die Bühne geschleppt. Animiert auch durch
John Cales Album "1919" haben sich die Walkabouts dazu
entschieden, für das neue Album gleich mit dem Arrangeuer Mark Nichols
zusammenzuarbeiten. Während die Songs in den USA entstanden sind,
schrieb er gleichzeitig die Streicher-Arrangements, die dann erst
nach den Plattenaufnahmen der Walkabouts in Warschau eingespielt
wurden.
Der Charakter
der Platte ist damit anders geraten, als die vorherigen Alben, auch
wenn dort schon Streicher zu hören waren. Die Songs klingen vulminant
und dicht, wirken nicht mehr so spröde wie zuvor. Verärgern die
Walkabouts mit solch einer durchproduzierten Scheibe die Fans? Chris
Eckman: "Wenn man zuviel an solche Dinge denkt, dann kann man
morgens nicht mehr aus dem Bett. Man trägt immer das Risiko, manche
Leute vor den Kopf zu stoßen, genauso wie man andere dazugewinnt.
Wenn man als Künstler das, was die Leute sagen, als Gradmesser der
eigenen Musik nimmt, hat man ein Problem: Man schaltet den eigenen
Willen aus. Wenn man sich nach Beliebtheitsumfragen richtet, dann
kommt da bald eine Musik raus wie bei Mariah Carey. Wer sich als
Künstler frei machen will, muß den eigenen Weg gehen."
Die aktuelle
Scheibe "Devil’s Road" ist zum ersten Mal nicht in Seattle
aufgenommen. Nun verkaufen die Walkabouts nicht nur mehr Tonträger
auf dem europäischen Markt als in den USA; wie oben erwähnt sollte
auch das Album ’europäischer’ klingen, was auch immer das heißen
mag. Chris Eckman erzählt, warum es ein Studio in Westdeutschland
hatte sein müssen: "Daß wir die neue Platte im Studio von Conny
Plank bei Köln hat nichts mit der großen Tradition des Studios zu
tun, daß Kraftwerk und Can darin gearbeitet haben. Wir haben es
wegen des Ambiente ausgewählt. Es liegt auf dem Land, sehr isoliert
und ruhig. Die Studioausrüstung ist sehr alt und wir arbeiten gerne
mit den Geräten. Und es hat einen großen Raum, in dem man die Platte
live einspielen kann. Und noch etwas war wichtig: es ist weit genug
von Seattle entfernt. Wir wollten einmal eine Platte aufnehmen,
die nicht nach Seattle klingt."
In den USA haben
die Walkabouts ohnehin Probleme mit ihrer Plattenfirma Sub Pop gehabt.
Das Glitterhouse/Sub Pop-Team in Beverungen loben sie zwar über
den Klee. Aber die Streiterein in den USA haben nun doch dazu geführt,
daß sie sich nach einer anderen Plattenfirma umtaten. Welche Erwartungen
haben die Walkabouts an die Major-Company Virgin? "Ich habe
nie große Erwartungen," meint Chris. "Wenn man sich zu
sehr um Verkaufszahlen kümmert, dann kümmerst du dich um Dinge,
mit denen du als Künstler nicht zuviel zu tun haben solltest. Wir
haben keine Erwartungen an Virgin. Es könnte besser werden, es könnte
schlechter werden. Wir leben zwar seit Jahren von Musik, sind professionelle
Musiker - aber ich muß meinen Lebensunterhalt nicht mit Musik verdienen.
Ich kann auch in den alten Job zurück und Film- und Videoproduktionen
betreiben."
Discographie
See beautiful
rattlesnake gardens (LP, 1988)
Cataract (LP, 1989)
Rag and bone (MLP, 1990)
Scavenger (LP, 1991)
New west motel (DLP, 1993)
Satisfied mind (LP, 1993)
Setting the woods on fire (DLP, 1994)
Live in Europe (CD only, 1994)
Devil’s road (LP, 1995) |