"Bad jazz
for white folks, arseholes!"
Baby Bird aka
Steven Jones aka King Bing
"I remember beeing small and looking up at the trees
I’d carved my initials on
Out there I could forget everything
even the hole in the sole of my left shoe.
Back then I was happy
I had nothing but the wind in my knees.
Then I felt something wet through my sock;
picked up my heel and looked at it.
Stuck to the hole was a half-moving and featherless
baby bird.
In panic I kicked my foot like a mad person
till it flupped off into the bushes..."
Baby Bird aka Steven Jones
von Markus Zinsmaier
1. One man.
Ten fingers. Great songs.
Ein bißchen
unbeholfen sieht er aus, im Video zu seiner ersten Major-Single
"Goodnight", wie er da im weißen, kalten, britischen Meeressand
von seinen Mitmusikern vergraben wird, just in dem Moment, als ein
zweiter Steven Jones sich einem direkt am Wasser aufgestellten Mikrofon
nähert. Nur um - gerade als er zu singen beginnen möchte - von seiner
Band, die mittlerweile das singende Trugbild am Horizont gesichtet
hat, mit einem Spaten niedergestreckt zu werden, kurz bevor die
wunderbaren Zeilen "I’m like a T.V. learning to swim"
den Kadaver des Steven Jones, der vom Meer hinweggespült wird, umfließen...
Steven Jones,
der Mann, der in gerade mal knapp zwei Jahren sechs (Sechs!) Alben
veröffentlicht hat, ist eine der wenigen wirklich großartigen Neuentdeckungen
des vergangenen Jahres. Was als Schnapsidee begann und ursprünglich
eigentlich nur für den privaten Hausgebrauch gedacht war - das Ein-Mann-Projekt
Baby Bird - ist mittlerweile zur Band herangewachsen und stürmte
jüngst sogar die britischen Charts (Von Null auf Platz Drei der
offiziellen englischen Charts schoß ’You’re gorgeous’, Baby Birds
zweite Major-Single).
Aufgewachsen
ist der mittlerweile 33jährige Steven Jones in Telford, einer jener
trostlosen Neubausiedlungen im Norden Englands, bevor er mit seinen
Eltern den Globus per Schiff bereiste und schließlich in Neuseeland
landete, wo er vier Jahre verbrachte. Eine glückliche Zeit, wie
er sich heute erinnert. Zurück in England hieß die nächste Station
Repton. Im nahegelegenen Derby besuchte er Theaterkurse, nur um
sich kurz darauf einer Performance-Theater-Gruppe in Notthingham
anzuschließen, mit der er 12 Jahre lang durch die Lande zog und
die Musik für ihre Stücke schrieb. Die Musikszene in Sheffield war
in den frühen 80er Jahren von Bands wie Human League und Cabaret
Voltaire bestimmt. Steven war auch hier sehr umtriebig. "Mein
ganzer Stolz war es zu jener Zeit Joy Division live gesehen zu haben,
während der Rest meiner Klasse noch die Bay City Rollers hörte",
vertraute er erst jüngst der französischen Musikzeitschrift "Les
Inrockuptibles an. Neben seiner Theatertätigkeit besuchte er auch
noch das College: Kunst und Geschichte waren die Fachgebiete, denen
er sich nach seiner Schulzeit zuwandte ("aus Protest"
gegen seine Eltern, die beide Physikprofessoren sind). "Ich
war immer das schwarze Schaf der Familie. Während mein Bruder und
meine Schwester sich im Wissenschaftbereich umtaten, galt ich als
der Rebell, der sich lieber Punkkonzerte ansah, als sich um seine
Ausbildung zu kümmern."
Frustiert von
den Kompromissen und Zugeständnissen, die auch innerhalb seiner
Theater-Gruppe bestanden, beschloß er sich von nun an vollkommen
auf die Musik zu konzentrieren und das am besten auch noch allein
in den vier Wänden seines Zimmers, mit nichts anderem bewaffnet
als einem Vier-Spur-Gerät, einem Casio-Keyboard, einem Drumcomputer
und einer Gitarre.
2. One man.
Nine Fingers. Great Songs.
"Diese
Vier-Spur-Aufnahmen wurden auf allen möglichen Kassetten herumgereicht.
Anfänglich gab es überhaupt nie die Idee, diese Tapes zu veröffentlichen,
bis zu dem Zeitpunkt, als Steven seinen Manager kennenlernte, der
feststellte, dass die Tapes im Großen und Ganzen brillant sind und
daß sie von vielen Leuten gehört werden sollten", erinnert
sich John Pedder, der Bassist der mittlerweile zur Band herangewachsenen
Baby Bird Crew, im Telephoninterview.
"Der Grund,
fünf Alben zu veröffentlichen, lag darin, daß Steven fortfuhr, immer
mehr Stücke zu schreiben und ein Großteil verloren gegangen wäre,
wären sie nicht auf diese, zugegebenermaßen etwas seltsame Weise
(in zwei bis viermonatigem Abstand, Anm. der Red.), veröffentlicht
worden."
Noch aus seiner
Zeit in Derby kannte Steven Graham Wrench, der heute Promoter des
Leadmill Clubs in Sheffield ist und der zusammen mit Dave Taylor
beschloß sich um das Geschick des jungen Vogels zu kümmern.
"Die Plattenfirmen verstanden nicht, was sie da angeboten bekamen,
und fragten, ob wir ihnen das nicht in einer etwas saubereren
Form anbieten könnten. Nach langem Hin und Her bekamen wir schließlich
£ 5000 von Chrysalis. Die Band wurde in erster Linie zusammengestellt,
um die Alben zu promoten... Bei Chrysalis gab es eigentlich nur
einen Mann, Dave Whitley, der an das glaubte, was wir machten. Er
war es schließlich auch, der Chrysalis davon überzeugte, uns diesen
Vorschuß zu geben. Anders hätten wir die ganze Sache nicht finanzieren
können. Die Idee war live zu spielen und damit gleichzeitig, auf
eine einfache Art und Weise, die Alben zu promoten."
"I was
born a man" war im Juli 1995 der erste Geniestreich der selfmade-one-man-Pop-Band
Baby Bird. Zwischen Sixties-Garagen-Punk, Gender-Balladen, Easy
Listening-Einsprengseln und "anti-kolonialen Grooves"
(Melody Maker) bewegen sich auch "Bad Shave", "Fatherhood",
"The happiest man alive" und "Dying happy",
das Abschlußwerk der Four-track-Aufnahmen. Dazwischen liegt das
mit Band eingespielte Album "Ugly beautiful", das neben
neuen Stücken, Songs von den Lo-fi- oder besser gesagt Low Budget-Aufnahmen
neu interpretiert. "Grundsätzlich sind die fünf Four-track-Alben
Zusammenstellungen. Der Grund, warum sie zum Teil so unterschiedlich
klingen, liegt darin, daß es Zusammenstellungen aus beinahe acht
produktiven Jahren sind. Das einzige Album, das vielleicht so etwas
wie ein Konzept hat, ist ’Fatherhood’. Es setzt sich auch mit dem
Titel des Albums auseinander." ’Fatherhood’ ist gleichzeitig
Stevens Meisterwerk bis dato: Eine Reise in die eigentümliche, introspektive
Gedankenwelt von Steven. Textprobe: "Steven I love you / Why
don’t you love me / I ask you each day" (’Saturday’).
3. ’Good
shit’ shines brightly through ’bad shit’
Seine Theater-Vergangenheit
weist Steven am liebsten so weit wie möglich von sich, "weil
das dem Ganzen so einen...naja Du weißt schon...seltsamen
Anstrich gibt", erläutert John Pedder. Nichtsdestotrotz blitzt
sie hier und da bei den Live-Auftritten, die zeitweise zu regelrechten
Verbalattacken zwischen Publikum und Band geraten, wieder auf. "Die
Theater Gruppe nannte sich ’Dogs in Honey’ und war keine Theater
Gruppe im strikten Sinne, sondern eher eine etwas lose Ansammlung
von Performance-Veranstaltungen. Das Ganze war um eine Gruppe von
Männern in Anzügen aufgebaut, die einfallsreiche Stand-up-Comedy
machten. Das ist zwar nicht genau das, was wir machen, allerdings
haben wir viel von der Bildersprache übernommen. Wenn wir auf die
Bühne gehen, dann sind wir ebenfalls seltsame, große Männer in Anzügen
und schönen Hemden, die in erster Linie eine Vorstellung geben.
Wenn wir live spielen, dann versuchen wir etwas ganz anderes zu
machen. Aber die Leute werden gleich mißtrauisch, wenn das Wort
Theater fällt, weil das dann gleich nach sich zieht, daß das Ganze
arty und unwirklich ist. Andere nennen unsere Live-Auftritte
Cabaret, was wir noch weniger mögen, weil es von der Qualität der
Musik völlig absieht. Das Schöne an Baby Bird ist, daß sich die
Theatereinflüsse von Steven und Huw blendend mit dem Band Background
von Rob, Luke und mir verbinden und dem Ganzen eine gewisse Solidität
für die Konzerte geben. Wir stehen live nicht nur da und starren
auf unsere Schuhe und spielen unsere Instrumente, wie diese shoe-gazer...
Wir wollen das Publikum miteinbeziehen und diese Barriere zwischen
Publikum und Band niederreißen. Das Theaterprojekt setzte genau
hier an und versuchte diese vierte Wand niederzureißen, die den
Schauspieler darin hinderte, zu erkennen, daß da ein Publikum ist.
Manchmal verursacht das auch Probleme bei unseren Konzerten: Denn
wenn Du das machst, ermöglicht das dem Publikum all das zu sagen,
was sie möchten, was uns dann wiederum provoziert und manchmal zu
ganz aggressiven Dingen führt..."
4. Bye-Buy
lo-fi
Mehr aus Not
- einerseits um live auftreten zu können, andererseits für die Promotionaktivitäten
- als aus wirklichem freien Willen heraus wurde die Band zusammengestellt.
Neben John Pedder (ex-The Sons/Hundred Quid) am Bass sind das Luke
Scott (ex-Newspeak) an der Gitarre, Rob Gregory (ex-Treebound Story/Lovebirds)
am Schlagzeug und Huw Chadbourne, ein Theater-Company Mitglied,
an den Keyboards. Das das Ganze dann doch, trotz anfänglicher Probleme,
besser als gedacht zusammenging, Steven auf einer anderen Ebene
sogar noch mehr Freiraum als zuvor hat, erklärt sich John Pedder
vor allem damit, daß eine klare Arbeitsteilung von vornherein bestand:
"Wir wissen, was wir zu tun haben: Wir müssen für die Stücke
spielen. Der einzelne Song ist das wichtigste, und unser Verhältnis
zu Stevens Musik ist eben gerade sein Verhältnis zu seiner Musik.
Ich meine die Bassmelodie bei einem Song mag z.B. vielleicht nicht
die gleiche sein, die Steven gespielt hätte, aber sie hat die gleiche
Qualität, dasselbe Gefühl. Ich hoffe, daß ich niemals einen Song
verändere, weil ich in erster Linie an die Stücke glaube. Die Songs
sind der Grund dafür, daß wir da sind. Und deshalb wird auch der
Arbeitsprozeß gleich bleiben wie er immer war: Steven wird bereits
fertige Songs aufnehmen - wie auf den Four-track Alben - die wir
dann neu interpretieren werden. Ich kann nicht wie Steven Songs
schreiben und deshalb werde ich auch niemals Änderungen anregen.
Was diese Stücke brauchen, ist die Reinheit und Vorstellung von
einer Person. Wir kommen erst später dazu und lassen diese Stücke
in einem größeren Studio entstehen."
5. Please
don’t be famous
Ein Hintertür
zu den Four-track Aufnahmen hat sich Steven durch die Etablierung
seines eigenen Labels "Baby Bird Recordings" bewahrt,
das es ihm erlaubt, auch weiterhin, trotz Major-deal mit Steve Lewis
Echo-Label (Julian Cope, Denim, Moloko), Solo-Alben auf seinem eigenen
Label zu veröffentlichen. Daß der Erfolg, den Steven vor einem Jahr
noch prophetisch herausgefordert hatte, dann allerdings, dank ’You’re
Gorgeous’ derart schnell kam, strafte selbst die kühnsten Erwartungen.
"Wir konnten es am Anfang gar nicht glauben als ’You’re gorgeous’
auf Platz Drei einstieg, zwischen all diesem Mainstream in ’Top
of the Pops’. Es war einfach wahnsinnig! Wir waren bereits die zehnte
Woche in den Top Thirty - normalerweise wechselt das alles sehr
schnell, Du kommst rein und bist schon wieder draußen - und ’You’re
gorgeous’, es war so lächerlich, blieb drin! So viele bekannte Künstler
kamen rein und flogen kurz darauf wieder raus: Michael Jackson z.B.
war eine Woche vor uns und purzelte dann gleich wieder in den Keller...
und ich konnte das einfach nicht glauben. Allerdings ist ’You’re
gorgeous’ für sich alleine gesehen ein etwas hohler Erfolg. Ich
hoffe, dass die Leute, die sich die Single anhören, auch das Album
anhören werden. Eine halbe Million Menschen haben bis jetzt ’You’re
gorgeous’ allein in England gekauft, was es live manchmal sehr schwierig
für uns macht, weil viele Leute, die zu unseren Konzerten kommen,
erwarten, dass wir ganz viele Stücke spielen, die genauso klingen
wie ’You’re gorgeous’, was ja eher eine Ausnahmestück für uns ist,
und was wir natürlich auch nicht machen. Manchmal dauert es den
halben Gig, bis die Leute verstehen, daß sie das nicht bekommen
werden. Manchmal gehen sie dann am Ende auch ganz zufrieden, allerdings
mit einer vollkommen anderen Vorstellung..."
Daß der Erfolg,
eine durchaus zweischneidige Sache - selbst innerhalb der Band -
ist, bringt John Pedder auf den Punkt: "Für uns, die Band ohne
Steven, kommt der Erfolg ohne den Ruhm, während für Steven beides
zusammenkommt. Für mich ist alles wunderbar: Ich habe nur den Erfolg;
Steven hingegen wird mittlerweile überall erkannt, Leute singen
ihm ’You’re gorgeous’ im Supermarkt oder auf der Staße vor."
Bleibt zu hoffen,
dass der federlose Baby Bird nicht zu früh erwachsen wird, und uns
weiterhin einige dieser unvergesslichen tunes in die Ohren summt...just
like King Bing!
Diskographie
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ALBEN: |
SINGLES: |
I was born
a man (Juli 1995) |
Snake Caves/Lemonade
Baby (1995) |
Bad shave
(Oktober 1995) |
Goodnight
(Juli 1996) |
Fatherhood
(Januar 1996) |
You’re
gorgeous (September 1996) |
Happiest
man alive (April 1996) |
Candygirl
(Dezember 1996) |
Ugly Beautiful
(Oktober 1996) |
|
Dying happy
(Februar 1997) |
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Greatest
Hits (1997) |
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