Buchrezensionen
Krautrocksampler
[Werner Pieper´s
Medienexperimente, 158 Seiten, 25 Mark]
[mz] Als "One
head`s guide to the Große Kosmische Musik" versteht Julian
Cope seine äußerst gelungene Krautrockgeschichts-Aufarbeitung: "Krautrocksampler".
Krautrock, jene eigentümliche Acid-Freakout-Musik, die Ende der
Sechziger, Anfang der Siebziger deutsche und vor allem englische
Studentenohren beschallte und neuerdings via Pram, Laika etc. als
Referenz bei jungen Bands wieder auftaucht, faßt Cope als eine Art
Prä-Punk auf. In ausführlichen Kapiteln zu Can, Faust, Tangerine
Dream, Amon Düül etc. nähert er sich dieser "Kosmischen Musik"
und verortet sie gleichzeitig im theoretischen Umfeld von Stockhausen
auf der einen und LSD-Papst Thimothy Leary auf der anderen Seite.
Cope beschreibt und schwärmt hierbei immer aus der Sicht des Fans:
"Wäre ich in den 6oern ein junger Deutscher gewesen, hätte
ich Krautrock spielen oder sterben müssen", heißt es an einer
Stelle. Umso verwunderlicher ist es, wie sehr englische Gruppen
der damaligen Zeit auf sein Mißfallen stoßen: Henry Cow, die 73
im Vorprogamm von Faust auftraten, bezeichnet er als "schlappe
Truppe", die "ihre bescheuerte Cambridgeabsolventen-Musik
mit Fagotts und Tempowechseln bis zum Abwinken" spielten, während
Faust mit "Preßlufthammer und handbemaltem Klavier" in
gleißendes, weißes Scheinwerferlicht gehüllt, mit einer Attitüde
auftraten, "mit der man Städte in Schutt und Asche legen konnte".
So gut Copes Minihistorie der deutschen Nachkriegsmusik ist, so
schlecht, bzw. schlampig sind die Übersetzung von Spex-Mitarbeiterin
Clara Drechsler und die Durchsicht des Lektors. Während Drechsler
größtenteils den deutschen Sätzen die englische Syntax überstülpt,
teilweise gar wörtlich englisch Ausdrücke ins Deutsche überträgt
("motherfuckin’ Wah-phase-classic" wird da etwa zu "mutterfickender
Wah-Phase-Klassiker"), scheint der Korrektor nicht einmal die
Askii-Zeichen, von denen der Text nur so wimmelt, bemerkt zu haben.
Daß Cope nicht aus "Tarnworth" (S.19), sondern aus "Tamworth"
kommt, ist ebensowenig jemandem aufgefallen, wie die fast schon
groteske Anekdote über den Edgar-Froese-Mitmusiker Lanse Hapshash,
der ausstieg mit dem Ziel "Kameramann bei einem deutschen Regisseur
namens Jürgen Fassbinder zu werden". Ähem...
Trotzdem: Empfehlenswert!
Autobigophonie
[Martin Schmitz
Verlag, 346 Seiten, 28 Mark]
[tb] "Mein
großer Bruder war verschlossen. Er hatte zwei Schocks in seinem
Leben erlebt. Den ersten als ich in seine Familie eindrang...Der
zweite war, als er erfuhr, daß seine heilige Mutter von seinem Vater
gefickt wurde." - "Autobigophonie" nennt Francoise
Cactus ihren Roman (?) oder ihre "fiktive Biografie",
wie die Stereo-Total-Musikerin (siehe auch Plattenseite 22) ihr
Werk selber nennt. Ziemlich amüsant, und manchmal auch ein wenig
traurig, wird hier die Geschichte einer Frau geschildert, die im
Burgund aufwächst und später mit einer Band in die große weite Welt
hinauszieht. Wieviel nun tatsächlich der Bio der ehemaligen "Lolitas"-Musikerin
entspricht und wieviel nun erfunden ist? - Man weiß es nicht. Macht
aber auch nichts. Die zahlreichen Anekdoten, ob erfunden oder nicht,
sind hübsch und originell und gelegentlich ziemlich skurril. Manchmal
gerät die zeitliche Abfolge der Pseudo-Bio ein wenig durcheinander,
was ich alter Nörgler hier bekritteln will. So steckt die 12jährige
Protagonistin zum Beispiel noch um 1970 mitten in der Hippie-Phase
und plötzlich wird auf S. 103 von einem "Punkrockkonzert"
geredet. Egal: Klasse Buch!
Bd.135 Oktober
96 - Januar 97
[Kunstforum,
532 Seiten, 34,80 Mark]
[mz] Weiterhin
eine der besten deutschen Zeitschriften im Buchformat, die sich
mit aktuellen Kunst-, Video- und Musiktheoretischen sowie ästhetischen
Themen auseinandersetzt, ist das von Dieter Bechtloff herausgegebene
Kunstforum. Neben Artikeln über aktuelle Ausstellungen - von Bill
Viola und seinen Video/Sound Installationen in Stuttgart/Los Angeles
bis hin zu Luigi Ontani und seinen photographischen "tableaux
vivants" in Frankfurt - gibt es in Band 135 ein längeres Gespräch
mit der Documenta-Macherin Catherine David. Den größten Teil nimmt
allerdings, die in Band 134 begonnene Debatte über Art & Pop
& Crossover ein. Kunst der neunziger Jahre, so heißt es im Vorwort,
versuche "den Käfig, der Selbstbezüglichkeit zu sprengen und
in andere Systeme hinein zu intervenieren". Es finde ein Crossover
zwischen den Disziplinen statt, der Kunst und Popmusik zusammenbringe.
Band 135 ist gleichsam ein aktueller Situationsbericht über die
Transformation der Kunst im Zeichen von Pop.
"Mrs.
Peel, wir werden gebraucht!"
[Edition Splitscreen,
226 Seiten, 28 Mark]
[tb] Seit einigen
Monaten toben Emma Peel und John Steed wieder in der Kult-Serie
"Mit Schirm, Charme und Melone" über die Fernseh-Bildschirme.
Samstag morgens von 10 bis 11 Uhr. Leider auf SAT 1, dem Sender,
der sich durch besonders lieblosen Umgang mit Serien auszeichnet:
Abgesehen von den dauernden Werbeunterbrechungen, schafft man es
nicht mal, die Folgen in der richtigen Reihenfolge auszustrahlen.
Und leider werden auch nur die in den sechziger Jahren synchronisierten
Folgen gezeigt. Die Folgen, die dem deutschen Publikum damals aus
unterschiedlichsten Gründen (Prüderie!) vorenthalten wurden, gibt`s
nach wie vor nicht zu sehen. Schade! - Für Fans ist nun endlich
auch ein lesbares, reich bebildertes Buch zur Serie auf deutsch
erschienen. Inklusive ausführlichem, komplettem Episodenführer.
Unverzichtbar! |