Nr. 5 / März 1997

















Gästebuch


Buchrezensionen

Julian Cope

Krautrocksampler

[Werner Pieper´s Medienexperimente, 158 Seiten, 25 Mark]

[mz] Als "One head`s guide to the Große Kosmische Musik" versteht Julian Cope seine äußerst gelungene Krautrockgeschichts-Aufarbeitung: "Krautrocksampler". Krautrock, jene eigentümliche Acid-Freakout-Musik, die Ende der Sechziger, Anfang der Siebziger deutsche und vor allem englische Studentenohren beschallte und neuerdings via Pram, Laika etc. als Referenz bei jungen Bands wieder auftaucht, faßt Cope als eine Art Prä-Punk auf. In ausführlichen Kapiteln zu Can, Faust, Tangerine Dream, Amon Düül etc. nähert er sich dieser "Kosmischen Musik" und verortet sie gleichzeitig im theoretischen Umfeld von Stockhausen auf der einen und LSD-Papst Thimothy Leary auf der anderen Seite. Cope beschreibt und schwärmt hierbei immer aus der Sicht des Fans: "Wäre ich in den 6oern ein junger Deutscher gewesen, hätte ich Krautrock spielen oder sterben müssen", heißt es an einer Stelle. Umso verwunderlicher ist es, wie sehr englische Gruppen der damaligen Zeit auf sein Mißfallen stoßen: Henry Cow, die 73 im Vorprogamm von Faust auftraten, bezeichnet er als "schlappe Truppe", die "ihre bescheuerte Cambridgeabsolventen-Musik mit Fagotts und Tempowechseln bis zum Abwinken" spielten, während Faust mit "Preßlufthammer und handbemaltem Klavier" in gleißendes, weißes Scheinwerferlicht gehüllt, mit einer Attitüde auftraten, "mit der man Städte in Schutt und Asche legen konnte". So gut Copes Minihistorie der deutschen Nachkriegsmusik ist, so schlecht, bzw. schlampig sind die Übersetzung von Spex-Mitarbeiterin Clara Drechsler und die Durchsicht des Lektors. Während Drechsler größtenteils den deutschen Sätzen die englische Syntax überstülpt, teilweise gar wörtlich englisch Ausdrücke ins Deutsche überträgt ("motherfuckin’ Wah-phase-classic" wird da etwa zu "mutterfickender Wah-Phase-Klassiker"), scheint der Korrektor nicht einmal die Askii-Zeichen, von denen der Text nur so wimmelt, bemerkt zu haben. Daß Cope nicht aus "Tarnworth" (S.19), sondern aus "Tamworth" kommt, ist ebensowenig jemandem aufgefallen, wie die fast schon groteske Anekdote über den Edgar-Froese-Mitmusiker Lanse Hapshash, der ausstieg mit dem Ziel "Kameramann bei einem deutschen Regisseur namens Jürgen Fassbinder zu werden". Ähem...

Trotzdem: Empfehlenswert!

Francoise Cactus

Autobigophonie

[Martin Schmitz Verlag, 346 Seiten, 28 Mark]

[tb] "Mein großer Bruder war verschlossen. Er hatte zwei Schocks in seinem Leben erlebt. Den ersten als ich in seine Familie eindrang...Der zweite war, als er erfuhr, daß seine heilige Mutter von seinem Vater gefickt wurde." - "Autobigophonie" nennt Francoise Cactus ihren Roman (?) oder ihre "fiktive Biografie", wie die Stereo-Total-Musikerin (siehe auch Plattenseite 22) ihr Werk selber nennt. Ziemlich amüsant, und manchmal auch ein wenig traurig, wird hier die Geschichte einer Frau geschildert, die im Burgund aufwächst und später mit einer Band in die große weite Welt hinauszieht. Wieviel nun tatsächlich der Bio der ehemaligen "Lolitas"-Musikerin entspricht und wieviel nun erfunden ist? - Man weiß es nicht. Macht aber auch nichts. Die zahlreichen Anekdoten, ob erfunden oder nicht, sind hübsch und originell und gelegentlich ziemlich skurril. Manchmal gerät die zeitliche Abfolge der Pseudo-Bio ein wenig durcheinander, was ich alter Nörgler hier bekritteln will. So steckt die 12jährige Protagonistin zum Beispiel noch um 1970 mitten in der Hippie-Phase und plötzlich wird auf S. 103 von einem "Punkrockkonzert" geredet. Egal: Klasse Buch!

Kunstforum International

Bd.135 Oktober 96 - Januar 97

[Kunstforum, 532 Seiten, 34,80 Mark]

[mz] Weiterhin eine der besten deutschen Zeitschriften im Buchformat, die sich mit aktuellen Kunst-, Video- und Musiktheoretischen sowie ästhetischen Themen auseinandersetzt, ist das von Dieter Bechtloff herausgegebene Kunstforum. Neben Artikeln über aktuelle Ausstellungen - von Bill Viola und seinen Video/Sound Installationen in Stuttgart/Los Angeles bis hin zu Luigi Ontani und seinen photographischen "tableaux vivants" in Frankfurt - gibt es in Band 135 ein längeres Gespräch mit der Documenta-Macherin Catherine David. Den größten Teil nimmt allerdings, die in Band 134 begonnene Debatte über Art & Pop & Crossover ein. Kunst der neunziger Jahre, so heißt es im Vorwort, versuche "den Käfig, der Selbstbezüglichkeit zu sprengen und in andere Systeme hinein zu intervenieren". Es finde ein Crossover zwischen den Disziplinen statt, der Kunst und Popmusik zusammenbringe. Band 135 ist gleichsam ein aktueller Situationsbericht über die Transformation der Kunst im Zeichen von Pop.

Franziska Fischer

"Mrs. Peel, wir werden gebraucht!"

[Edition Splitscreen, 226 Seiten, 28 Mark]

[tb] Seit einigen Monaten toben Emma Peel und John Steed wieder in der Kult-Serie "Mit Schirm, Charme und Melone" über die Fernseh-Bildschirme. Samstag morgens von 10 bis 11 Uhr. Leider auf SAT 1, dem Sender, der sich durch besonders lieblosen Umgang mit Serien auszeichnet: Abgesehen von den dauernden Werbeunterbrechungen, schafft man es nicht mal, die Folgen in der richtigen Reihenfolge auszustrahlen. Und leider werden auch nur die in den sechziger Jahren synchronisierten Folgen gezeigt. Die Folgen, die dem deutschen Publikum damals aus unterschiedlichsten Gründen (Prüderie!) vorenthalten wurden, gibt`s nach wie vor nicht zu sehen. Schade! - Für Fans ist nun endlich auch ein lesbares, reich bebildertes Buch zur Serie auf deutsch erschienen. Inklusive ausführlichem, komplettem Episodenführer. Unverzichtbar!

Letzte Änderungen: 28.12.2001
Produziert von
Peter Pötsch