Vampyros Lesbos
in Brooklyn
"have a
bloodsucking good time!", begeisterte sich der Rezensent des
San Francisco Bay Guardian angesichts der Premiere des Filmes an
der amerikanischen Westküste. Andere Presseleute zeigten sich bedeckter:
"Naja, irgendwie artsy, cool, aber etwas langweilig" so
der Tenor. Dieselbe Polarisierung entlockte Michael Almereydas "Nadja"
auch den Kostanzer Publikum bei einer Vorpremiere im Zebra-Kino.
Christoph Linder meint trotzdem: veröffentlicht diesen Film nach
über 2 Jahren auch in Deutschland! Denn er hat was, wovon andere
nur träumen können: genialer, camper Zitatpop mit existenzieller
Tiefe!
Dabei bringen
nicht nur die superb darken, wie verwischten shots mit einer $ 9,95
Fisherprize Kinderkamera das Geheimnis zurück in den Vampirfilm,
auch die vielen Verweisoberflächen, die sich oft verzweifelt nach
ihren Signifikanten recken, machen den Film zu einem dankbaren Dechiffrierobjekt,
zum willigen Opfer einer Pop-Analyse gewissermaßen: Da hat die junge
Nadja, die geheimnisvolle euro-päische Clubberin, die mit ihrem
schwerkranken Bruder Edgar im New Yorker Exil lebt, Visionen von
ihrem toten Paps, dem alten Count Ceaucescu Dracula (sic!), und
was sieht man: alte Film-auschnitte von Bela Lugosi. Die beiden
jungen Vampire, ungleiche Zwill-inge, leiden an der "pain of
fleeting joy", was auch ihre sexuellen Vorlieben eindringlich
beschreibt, während der Alte die ständigen Anfeindungen des klassichen
Vampir-jägers Van Helsing nicht überlebt hat (immerhin ist "Nadja"
mit Ausnahme von Francis Ford Coppolas Version, inklusive des verwirrenden
Epilogs in Transsilvanien die exakteste Verfilmung von Bram Stoker
seit Jahren). Der Doc (liebster Ausspruch: "He was like Elvis
in the end....surrounded by Zombies...the magic had gone")
wird übrigens gespielt von einem langmähnigen, spiegelbrilligen
"Hippie"-Peter Fonda als fiese Parodie seines Engagements
bei Easy Rider. Der Rest der Schauspieler, u.a. der brillante Martin
Donovan und natürlich "Nadja" Elina Löwensohn selbst hat
sich Regisseur Almereyda bei Hal Hartley ausgeliehen, dessen leider
immer noch zu wenig populäre Filme (wie "Trust", "Amateur"
oder "Simple Men") also als weitere Verweisebene in Frage
kommen. Auch finden sich die typischen Hartley-Themen (großstädtische
Entfremdung und Entfremdung zwischen den Geschlechtern vor dem Hintergrund
eines suburbanen New York) hier wieder, und hauchen so dem Film
so etwas wie existienzielle Tiefe ein, wobei der Film den gewagten
Balanceakt zwischen Camp und Betroffenheit schafft bzw. aushält.
Nicht zuletzt auch Verdienst der Schauspielkunst einer jungen New
Yorker Szene-Zelebrität, die unter dem schlichterdings Sun-Raschen-Pseudonym
Galaxy Craze als von ihrem Mann Jim (Donovan) vernachlässigte Lucy
der Löwensohn ein williges (lesbisches) Opfer abgibt (ein Cameo-Auftritt
zeigt Produzent David Lynch als Pförtner). Ah ja, und natürlich
ist die Musik von My Bloody Valentine (von wem sonst?), die brutalen
Soundeffekte des Films stammen von Derek Jarmans Klangzauberer Simon
Fisher Turner. Leider immer noch keine neuen Stücke von MBV, über
die traurige Geschichte unserer Lieblingsband konnte man ja in letzter
Zeit einiges lesen, aber wie Nadja in der Disco zu den harschen
Klängen von "Soon" tanzt ist eine der schönsten Filmszenen
der letzten Jahre und verweist direkt auf die tolle Tanz-Szene in
Hartleys "Simple Men", wo die Protagonisten (u.a. Löwensohn
und Donovan) das problematische Verhältnis der Geschlechter zwischen
Begehren und Abhängigkeit zu Sonic Youth´s "Kool Thing"
austanzen. "Abhängigleit" ist auch ein zentrales Thema
in "Nadja", was sich u.a. auch daran belegen läßt, daß
alle Personen auf geheimnisvolle Art und Weise miteinander verwandt
sind. Dieser mysteriöse, coole New York-Film, der durchaus in der
Tradition der grossen "Off Hollywood" New York-Filme der
70er Jahre als Antidote zu einer immer reaktionäreren Hollywood-Ästhetik
taugt, hat ein deutsches Publkum verdient. Mr Almereyda, what´s
next? "Ein neuer Film, diesmal ein Farbfilm ...haben Sie in
letzter Zeit ein guten gesehen?" |