Plattenrezensionen
Monokini
[Bungalow/RTD]
[tb]
War Album Nummer 1 der Berliner Stereo Total noch überwiegend von
Coverversionen - französische Sixties - bestimmt, so haben lovely
Francoise Cactus (Ex-Lolitas) und Brezel Göring nun hauptsächlich
eigene Songs eingespielt. Wobei auch die vier Covers grosse Klasse
haben: "Ach ach Liebling" ist das eingedeutschte "Oh
Oh Cherie" der Pop-Ikone Francoise Hardy, "Furore"
ein unbekannterer Titel von Adriano Celentano, "Dilindam"
ist im Original von Sylvie Vartan (auch so ein Sixties-"Yeh-Yeh-Girl",
die Ex-Frau von Johnny Hallyday) sowie eine Techno-Version von "L’appareil
a sous" von Gott himself, von Serge Gainsbourg. Zwischen den
Polen trashiger Sixties-Schlager und nicht minder trashigem Beat
und Rock’n’ Roll jagt hier ein Hit den anderen. Allen voran die
extrem amüsante Single "Schön von hinten", die hier, als
"amuse gueule" sozusagen, noch auf japanisch gesungen
vorliegt, das grandiose "Cosmonaute", das von Brezel gesungene
"Supergirl", die Punkhymne "LA, CA, USA" und
das rockige "Lunatique".
Drawn to the
deep end
[Polydor]
[mz] Die Smiths-Epigonen-Vorwürfe werden Gene mit ihrem zweiten
Studioalbum, im vierten Karrierejahr, nun hoffentlich endlich hinter
sich lassen. Denn tatsächlich ist "Drawn to the deep end"
weitaus lyrischer (manchmal fast zu sehr), rockiger, balladesker
als es die Smiths jemals waren. "New Amusements", der
opening track, kommt wie ein übergrosses Gitarren-Opus daher, während
"Fighting Fit" und "We could be kings", die
beiden Singles, einmal mehr den Small Faces Referenz erweisen. Am
spannendsten sind Gene immer dann, wenn sie schnörkellose, auf den
Punkt gebrachte, britische Gitarren-Pop-Hymnen fabrizieren, wie
etwa "Sick, sober & sorry" (die Sleep-well-tonight-B-Seite)
oder "Voice of the father" und "Fighting fit"
vom neuen Album. "Drawn to the deep end" ist ein Schritt
zur Seite, der nicht alle Versprechungen vom Erstling "Olympian"
einlöst, stattdessen traditionelles songwriting offeriert und einen
voerst weiterhin auf des "definitive Gene-Album" vertröstet.
Blur
[Spin/EMI]
[mz]
Ein grosser Wurf ist Blur dagegen mit ihrem fünften, programmatisch
schlicht "Blur" betitelten Album, das gleichsam einen
Neuanfang darstellt, gelungen. Weg vom totgesagten Britpop, hin
zu amerikanischem Slackertum. Daß Blur dabei, trotz aller Verbeugungen
vor Pavement, Ween, Norvana, Beck & Co. immer durch und durch
britisch bleiben, macht den Reiz dieses fulminanten Albums aus,
das an jeder Stelle sperrig und ansprechend zugleich ist: Lo-Fi
und englische Psychedelik verknüpft. Marvellous!
Schleichfahrt
[Disko B/EfA]
[lind] Mehr
Muskeln, weniger Fett: Hier sind Khan und Walker, die Minmalisten
des Techno der bollernden Art, die Könige der Abstraktion. New York
meets Köln auf einer "Schleichfahrt" auf Münchens Disko-B-Label.
Daß auf Wunsch der Pseudonym-Könige (die beiden veröffentlichen
solo u.a. als Air Liquide, 4E, Bizz OD, Gizz TV, während das neue
Duo-Projekt Khans mit Walkers Bruder Jammin Unit als "Unidentified
Musical Object" vor kurzem sogar den Sprung auf die Titelseite
unseres Lieblingsmagazin "The Wire" geschafft hat) das
legendäre Krautrock-Elektroniklabel Harvest wiedergegründet wurde,
hat man läuten hören. Frage: Ist der fiese Titel und die konzeptuelle
Gliederung der Platte (eigentlich der einzige Kritikpunkt an einem
genial reduktionistischen Meisterwerk) auch als Krautrockreminiszenz
zu werten? Julian Cope, übernehmen sie!
The Bobby Byrd
Tribute
[Soulciety/TIS]
[hu]
Die Live-Aufnahmen, entstanden auf der Popkomm 1996, sind nicht
auf dem Hintergrund eines ehrenvollen Tributes an den Altmeister
des Soul, dem Weggefährten James Browns, zu sehen. Bei Bobby Byrd
wurde im Sommer 1996 Kehlkopfkrebs diagnostiziert. Glücklicherweise
hatte die Chemotherapie Erfolg: Gleich nach seinem Krankenhausaufenthalt
ist er in Japan schon wieder auf Tournee gegangen. Doch Byrd steckt
in finanziellen Schwierigkeiten, haben doch die meisten Musiker
in den USA (und anderswo) weder eine Alters- noch Krankenversicherung,
die in solchen Fällen unter die Arme greifen kann. So hat sich auf
der "Popkomm" die Begleitband von Galliano, Push, auf
der Bühne eingefunden und auf die Gage verzichtet. Ebenso waren
Carleen Anderson, rad, die Lovekrauts, Pee Wee Ellis, Fred Wesley,
Pianist Eddie Bo aus New Orleans und die BB Allstars im Kölner Wartesaal
zugange - ebenfalls ohne Gage zu kassieren. Der Erlös aus dem Verkauf
der CD (neun Mark pro Scheibe), wie auch von T-Shirts und Sweatshirts,
kommt in den von Carleen Anderson gegründeten Bobby Byrd Fund, damit
Byrd seine Rechnungen bezahlen kann. Daß die CD musikalisch erste
Sahne ist, versteht sich bei dieser Besetzung von selbst.
Selbst
[L`Age D`Or/RTD]
[tb] Ich mochte
Rossmys alte Band, Die Regierung, immer und auch sein Solodebüt
ist mir in all seiner Prefab-Sproutschen Leichtigkeit an`s Herz
gewachsen. Der gemeinsame Auftritt mit Bernd Begemann und Band im
vergangenen Jahr im netten, kleinen Zürcher Club "El Internacional"
war außerdem eines der schönsten Konzerte, das ich 96 gesehen habe.
Und jetzt also das hier. Musikalisch gesehen atmen die meisten Songs
wieder dieses leicht-flockige, wenngleich auch der countryeske Einfluß
zugunsten von etwas, das wie Lloyd Cole klingt, in den Hintergrund
getreten ist. Die Texte allerdings gehen gelegentlich ein wenig
auf die Nerven. Der Frühling kommt und Tilman Rossmys Hormonhaushalt
gerät anscheinend völlig durcheinander. Nichts gegen Liebessongs
und auch nichts gegen Verliebtsein, etc pp. Aber muß man aus jeder
hormonellen Regung gleich einen Song machen? "Ich hab das Licht
in deinen Augen gesehen", "Das Feld der Liebe", "Immer
jemand da für Dich" oder "Leidenschaft". Rossmys
Texte kreisen nur um eines und der Mann, der "das Herz auf
seine Zunge" legt (so das Presseinfo) entführt uns mit seiner
nöhligen Stimme in sein Liebesleben. Manchmal ist das dann auch
okay wie in "Maria", manchmal extrem platt, wenn er zum
wabernden Snythie (das klingt dann wie Ludwig Hirsch) davon erzählt,
auf dem "Feld der Liebe" zu arbeiten. Naja, so ganz lasse
ich mir die CD von den Texten aber auch nicht vermiesen!
Ill Na Na
T.H.U.G.S.
muddy waters
[alle: DefJam/Mercury]
[mh] Hier kommt
die Frühjahrskollektion von Def Jam für alle Kopfnicker. Das stimmt
natürlich nur bedingt, größtenteils kommt die Ware von der Stange,
was nicht bedeutet, daß sie beliebig ist und die Halbwertzeit kürzer
als die von frischem Fisch im Hochsommer. Vielmehr heißt es, daß
sich, zumindest im Idealfall durchlässiger Szenegrenzen, jeder auf
diese drei unterschiedlichen Teile der Kollektion einigen kann.
Foxy Brown, das 17-jährige Mitglied der Posse um Nas ("The
Firm"), kommt. Nicht alleine und nicht zu knapp. Nach diversen
appearances bei LL Cool J ("I shot ya"), Nas ("Affirmative
Action") und Toni Braxton ("You’re makin’ me high")
liefert sie mit "Ill Na Na" ein Debüt ab, das sich wie
das Who is Who derzeit angesagter MCs/Producer liest. Foxy kann,
was vielen anderen nicht gelingen mag, stilsicher zwischen oldschooligen
Tracks, smoothen R&B-Nummern und Ruffneck-Cuts hin und her surfen,
ohne den Eindruck entstehen zu lassen, hier handle es sich um den
Female MC aus der Retorte, deren Songs so gut sind wie ihre Producer.
Das Duett mit Method Man, das auf jedem neuen Release enthalten
sein muß um zumindest state of the art zu sein, ist das Beste seit
langem. Das Instrumental düster wie ein Abflußrohr von Sandoz, kaum
Variationen und dazu Johnny Blazes stoische Hommage an Foxy. So
geht toll.
Flesh-n-Bone,
der Main MC von Bone Thugs-n-Harmony liefert gewohnt smoothes von
der Sing-Sang-Front. Hier wird fortgesetzt, was auf "E. 1999
Eternal" schon Platin gebracht hat. Parallell gibt es jetzt
auch ein Album mit Freunden der Mo-Thugs-Posse. Weitgehend unaufgeregt,
ist dies der Stoff, der uns die Zeit bis zum Sommer verkürzen und
letzteren verschönern wird.
Redmans Debüt
war fulminant, "muddy waters", sein drittes Album ist
es nicht. E Double vermag Redman solo nicht zu Höhen zu führen,
in denen er früher zuhause war. Wann immer der Funk Docta Unterstützung
von Kollegen wie K-Solo, Tical oder Keith Murray bekommt, wird ein
Schuh draus. Ansonsten ziehen sich die fast siebzig Minuten eher
wie Bazooka, dieser leckere Kaugummi from back in tha dayz. Doch
ist Redman noch immer einer der konstanteren MCs, von denen man
nie komplett enttäuscht wird und Erick Sermon einer der Produzenten,
die es vermögen, ganz EPMDish Beats zu produzieren, die sich nach
fünfzehn Mal hören ganz langsam Richtung Innenohr fräsen. Ach übrigens,
mein Verhältnis zu Redman ist dieses Mal ambivalent, wollte ich
nur angemerkt haben.
Veiculo
[City Slang/EfA]
[tb]
Ausgesprochen angenehme Sounds blubbern aus dem Player beim zweiten
Werk des Elektronik-Trios To Rococco Rot, "Veiculo" (City
Slang/EfA). Mit diversen Gerätschaften ausgerüstet - darunter neben
etlichem Elektronikzeug inklusive Sampler auch elektronisches Equipment
der Frühzeit sowie Baß und Schlagzeug - zaubern die Berliner Brüder
Robert und Ronald Lippok, sowie der Düsseldorfer Stefan Schneider
feine Instrumental-Stücke, die etwa "Geheimnis eines Mantels",
"Fach" oder "Allover dezent" heißen. Wobei das
nicht "just another Ambient-Dreck" ist, mit dem Dich Dein
esoterischer, New-Age-verseuchter Wohnungsnachbar nervt, sondern
abwechslungsreiches Electronic Listening verspricht. Manchmal ist
das House-artig, manchmal verspielter Daddel-Pop, der mich auch
schon mal an den Plan oder die Klang-Tüfteleien des Pyrolators erinnert.
Je mehr ich das Teil höre, umso mehr Feinheiten entdecke ich in
den Klangbildern des Trios mit dem seltsamen Namen, der sich von
vorne und hinten lesen läßt.
Brighten the
corners
[Domino/Rough
Trade]
[mz] Erstaunlich
unspektakulär und entspannt ist "Brighten the corners",
das neueste Werk von Steven Malkumus und seinen Mannen geworden.
Es sei ihr "Classic Rock Album", erklärt Malkumus in Interviews
und tatsächlich ist vom spielerischen, innovativen Umgang mit den
unterschiedlichsten Stilen, von dem das Vorgängeralbum "Wowee
Zowee" vollkommen geprägt war, auf Pavements neuester Veröffentlichung
wenig zu spüren. Geradlinig, mitunter fast Singer/Songwriter-artig
kommen die meisten Songs daher, klingen, als hätte man die Kommentierung
der aktuellen Musikszene vorerst ad acta gelegt und sich stattdessen
auf die eigenen musikalischen Wurzeln berufen. Höhepunkt des Albums
ist neben dem elegischen "Transport is arranged", die
velveteske Schlußballade "Infinite spark", die den versöhnlichen
Ausklang eines Albums darstellt, das weniger durch seine Brüche,
als durch seine einheitliche Grundstimmung besticht.
Halim
[Mantra/RTD]
[lind] Hier
kommt Natacha, die Königin des Orients! Die Ex-Leadsängerin von
Jah Wobbles "Invaders of the Heart" und vom Transglobal
Underground kommt mit einem neuen Solo-Meisterwerk, das die plastikhafte
Orient-Rezeption ihres Erstlings "Diaspora" zugunsten
von mehr "Authentzität" verläßt: Obwohl gerade das bewußt
Unechte, ja Ironische, sie meilenweit abhob vom Dilenttantismus
poppig-westlicher Aneignungen des Maghreb, wie er sich nicht nur
bei alten Ethnopop-Schandohren vom Schlag der Dissidenten fand,
sondern auch bei Natachas Ex-Kollegen vom Transglobalen Untergrund.
Wie dem auch sei: Die, dem populärsten ägyptischen Sänger Abdel
Halim Hafez gewidmeten zwölf neuen Songs haben den entsprechenden
Dancefloor-Wumm und Ohrwurmqualitäten galore und schaffen so den
Grenzgang Orient-Disco wie selten zuvor. Eigentlich fällt mir nur
das Schweizer Barraka-el-Farnatshi-Label ein, das diesen Spagat
problemlos schafft. Veröffentlicht wird die CD übrigens erst am
15. Mai!
Spring
[Our Choice/RTD]
[hu]
Das Quartett hat sich in den 80er Jahren aufeinander eingespielt.
Mit eigenproduzierten Platten und einigen Longplayern auf dem Hamburger
What`s-so-funny-about-Label des Alfred Hilsberg haben sie einen
Eckpfeiler in die deutsche Musikszene geschlagen - was sie selber
wahrscheinlich gar nicht interessieren wird. Schaut man auf die
Liste der mit ihnen befreundeten Musiker, so sind sie eine Band
internationaler Prägung. Und als Katalysator in der Kultur gitarrenbeherrschter
Klangwälle, die die ganze Seele des Zuhörers vereinnahmt, haben
sie ihren Platz gefunden. Legendär sind die Auftritte mit Blixa
Bargeld, Nick Cave, Alexander Hacke, Lydia Lunch, Kid Kongo Powers,
Anita Lane, Kim Gordon, Debbie Harry, Jeffrey Lee Pierce, Alan Vega,
Mick Harvey, Arto Lindsay und der verschollen geglaubten Christina
längst. Auf der neuen CD sind nunmehr fünf Gastmusiker mit von der
Partie: Blixa Bargeld, Alexander Hacke, Danielle De Picciotto, Laurie
Tomin und Luisa Bradshaw. Dieses Werk ist zeitlos, wie alles andere,
das Die Haut anpackt.
Gone
[Normal/Indigo]
[mh] Tex Perkins
und Konsorten sind Anfang 1997 die letzten, mit denen ich gerechnet
hätte. Wären sie nicht gekommen, wäre "The Low Road" wohl
der letzte Beasts-of-Bourbon-Release gewesen, der mich den Rest
(?!) meines Lebens begleitet hätte. Es gäbe Unangenehmeres. Nun,
vier Jahre nach Erscheinen ihrer Live-Platte "From the Belly
of the Beasts", machen sie Ernst und kommen zurück mit "Gone".
Der Titel der Platte weckt Assoziationen in mir: Vier Jahre Einsamkeit,
Outback, Schaffarm, Whiskey, Schweiß, keinen Kontakt zur Außenwelt.
Hoffentlich war das so, denn sonst könnte ich nicht verstehen, wie
solch’ ein langweiliges, ungehobeltes und teilweise sogar dummes
("Mullett", Song #4) Album in den ausgehenden 90er Jahren
entstehen konnte. Eine kleine Ausnahme bildet "Saturated",
ein schöner Popsong, der nicht weh tut. Waschzettel von Plattenfirmen
sind was Heiliges. Ein Kritiker der Süddeutschen Zeitung ist dort
zitiert worden, der über die Beasts sagt: "So klängen die Rolling
Stones, wollten sie ihrem Werbespruch von der "Greatest Rock
’n’ Roll-Band on Earth" gerecht werden". Eines nur hat
der Experte übersehen. Die Stones hätten 1977 so klingen müssen
wie die Beasts of Bourbon heute. Zieht zurück in eine verdammte
Stadt, dann sehen wir weiter.
The Smiths is
dead
[Sony]
Garage Flower
[Garage Flower/Rough
Trade]
[mz] Der Anstoß zu dem Smiths-Coverversionen-Sampler kam von der
französischen Musikzeitschrift "Les Inrockuptibles", die
"The Queen is dead", kürzlich, in ihrer Jubiläumsausgabe,
zur Platte des Jahrzehntes wählte und sich dachte: Warum eigentlich
nicht gleich die ganze Platte von der momentanen englischen Pop-Elite
nachspielen lassen. Neben den Boo Radleys, den High Llamas und den
Trash Can Sinatras sind das auf "The Smiths is dead" Bis,
Divine Comedy, Supergrass, Billy Bragg, Therapy(?), Placebo sowie
The Frank & Walters. So unterschiedlich die Zusammenstellung,
so unterschiedlich sind die Interpretationen: Während "The
boy with a thorn in his side" in der Bearbeitung von Bis zum
Kinderzimmer-Pop schrumpft, die Boo Radleys dem Titelstück ein Dancegewand
verpassen, erstrahlt "There is a light that never goes out"
unter den Händen von Neil Hannon und seinen Divine Comedy in Scott
Walkerscher Größe.
Die Zeit bis zur Veröffentlichung eines Tribute-Albums überbrücken
die mittlerweile aufgelösten Stone Roses, mit dem Herausbringen
ihres Backprogramms, den Demos, die noch vor ihrem gitarrenpopepochenschreibenden
Erstlingswerk enstanden. Wie viel sie ihrem Produzenten John Leckie
verdanken, enthüllte ja nicht erst ihr Abschlußwerk "The Second
Coming", bei dem sie, auf sich alleine gestellt, in einer Drogenzeitschlaufe
untergingen. Auch hier, ohne Leckies leitende Hände, fehlt vielem
noch der entscheidene Kick, der etwas Großes entstehen läßt. Wenngleich
"I wann be adored" oder "This is the one" bereits
in der Proberaumversion viel erhoffen läßt...
Best of two
worlds
[Jazzline/Alex
Merck Music]
[ab] "Vienna
Art Ensemble", "Drümmele Maa" und "Palais Schaumburg"
sind nur einige Gruppen, mit denen der Vibraphonist Stefan Bauer
bereits gespielt hat. Seit einigen Jahren lebt er in Kanada und
begeistert die dortigen Jazzfans. So auch im November 1994 als er
an fünf aufeinanderfolgenden Nächten mit Schlagzeuger Adam Nussbaum,
Gitarrist Mick Goodrick, Trompeter Tim Hagans und Bassist Jim Vivian
im "L`air du temps" in Montreal aufgetreten ist und anschließend
die nun vorliegende CD aufgenommen hat. Und wenn so ausgezeichnete
Musiker aufeindertreffen, dann kann eigentlich nur mitreißende Musik
entstehen. Da reihen sich fabelhafte, prägnante Soli aneinander
und es ist eine wahre Freude, zu hören, wie Jazz, Weltmusik, Fusion
und Experimentelles eine gelungene Verbindung eingehen.
Dissected
[Crammed Discs/EFA]
[hu] Die Percussionistin und Sängerin aus Israel ist das enfant
terrible der Musikszene ihres Landes. Sie singt in hebräisch, arabisch,
englisch und thematisiert darin Themen, für die sie von religiösen
Fundamentalisten beiderseits der israelischen Grenze gelyncht werden
könnte. Weibliche Sexualität, AIDS, Inzest - die heiter ironischen
Texte anderer Songs nehmen viele nach den sperrigen Passagen wie
folgender nicht mehr wahr: "Put out your cigarette in my face,
to the cheek bone, chewing smoked flesh, oozing with its mother`s
milk...". Meira Asher begleitet ihren Gesang fast ausschließlich
mit Perkussionsinstrumenten. Sie hat in Ghana Percussion und Tanz
studiert, in Indien mit Tabla-Spielern gearbeitet, an mehreren israelischen
Universitäten und Musikschulen konnte sie ihre Fähigkeiten als Lehrerin
weitergeben, als Musiktherapeutin hat sie auch mit autistischen
Kindern gearbeitet. Und schließlich benutzt sie noch elektronische
Gerätschaften, um ihren Sound einzuspielen. Eine der außergewöhnlichsten
Platten des Jahres.
Im Auftrag ewiger
Jugend und Glückseligkeit
[KiZi Prod/EfA]
[mh] Endlich
ist es soweit: Deutschland hat seinen eigenen Native-Tongues-Ableger.
Ein gewisser Superlativ schadet im Fall der Ulmer HipHop-Band (im
Sinne Stetsasonics) sicherlich nicht, er verdeutlicht allenfalls
deren exponierte Position innerhalb/außerhalb der HipHop-Szene Deutschlands.
Dieses Innen/Außen wird immer wieder thematisiert, sei es von den
rezipierenden Medien oder von der Band selbst. Einerseits ist man
natürlich ein Teil der Szene, entsprechende Kontake bestehen unbestreitbar,
andererseits resultiert aus diesen Kontakten mit der Welt außerhalb
Ulms selten etwas handfestes. Die hohe Selbstreferentialität im
Schaffen der Kinderzimmer Productions verweist allerdings nicht
auf ein selbstgewähltes Ghetto-Dasein, sondern viel eher weiß man,
was man auf dem hometurf findet und das ist Innovation und Qualität
genug. Ein Beispiel für die Wahrnehmung des Draußen sind die häufigen
Referenzen an Künstler außerhalb des HipHop: Blumfeld, Johnny Cash
und die Münchner Schwermut Forest, um nur einige zu nennen. Wer
jetzt Crossover schreit, soll sich die Zunge abbeißen. Leicht könnte
man annehmen, daß bei diesen Referenzen nichts Gutes um die Ecke
geschlichen kommt, zumindest nichts Gutes, daß das Prädikat HipHop
verdient hätte. Seien Sie beruhigt, niemals wirkt diese Platte ausgedacht,
arty oder sonst irgendwie primanerhaft. Man könnte noch stundenlang
an diesem Meisterwerk heruminterpretieren, doch irgendwann ist Schluß.
Interpretieren Sie doch selbst. Ich bin für diese Platte.
Zúgó
[ReR/Bahia Music/EfA]
[lind] Die ungarischen
Freeform-Folkloristen sind zurück: Zum fröhlichen Tanztee im Hause
Dracula lädt diesesmal auch das Londoner Recommended Label, das
hiermit endlich wieder ein Release dieser genialen, seit mehr als
einem Jahrzehnt bestehenden Dissidentencombo auch im Westen zugänglich
macht. Bandboss Csaba ist nicht zuletzt als Labelchef (Bahia Rec.)
und Veranstalter in seiner Bedeutung für den osteuropäischen Musikunderground
kaum zu unterschätzen. Das Zentrum der neuen CD nimmt eine ausufernde
fünfteilige Suite ein, die frei improvisiert und mir nicht so geschlossen
scheint, wie die anderen, eher songartig organisierten Stücke (hier
mögen allerdings auch persönliche Präferenzen eine Rolle spielen).
Schade und aber toll: Die ganze Kapelle stampft die ungeradtaktigen
Tänze des Balkans, lyrische Parts werden von Gitarren zersägt, die
tolle Sängerin Gabi klingt im einen Moment noch wie die Eisprinzessin
Björk Gutmannsdottir, um dann gleich wieder halluzinatorisch rüberzukommen
wie das Mysterium der bulgarischen Stimmen auf Acid, während der
geniale Reed-Mann der Band, Bela Agoston, eine ganze Zigeunerkapelle
imitiert. Auf das Livekonzert dieser Band am 26.4. in Konstanz (Uni)
dürfen wir uns heute schon freuen.
Perfect from
now on
[City Slang/EFA]
[mz] Noch schleppender,
noch mid-tempoischer türmt Doug Martsch seine endlosen Gitarrenwände
auf seinem neusten, großartigen Album "Perfect from now on",
das das bislang gelungenste Klangexperiment des Querkopfes hinter
Built to Spill aus Boise, Idaho darstellt. "I’m gonna be perfect
from now on" verkündet Martsch programmatisch im gewaltigen
Opening track "Randy described eternity" und man möchte
es ihm fast glauben, denn was dann folgt, ist die spannendste Gitarrenorgie,
die seit langem (seit Greg "Wipers" Sages großen Zeiten
um genau zu sein) meinen CD-Player malträtiert. Was beim ersten
Hören noch wie eine dieser typischen, anachronistischen Ami-Schrammelcombos
tönt, entfaltet nach mehrmaligen Hören eine seltsame Faszination,
verknüpft meditative ruhige Passagen mit lärmenden Feedbackattacken
und lieblichen Cello-Einsprengseln. Acht Stücke sind es, die Doug
Martsch auf dem neuen Album vereint, die meisten zwischen sechs
und neun Minuten lang und angefüllt mit 20 Gitarrenspuren. Mindestens.
-Amerikanischer Schweinerock? Vielleicht, aber mit Klasse!
Der Ton im Wörtersee
Kinderdämmerung
Lesung mit Harry
Rowohlt
[alle Raben
Records/EFA]
[hu] Die spöttisch-elegische Vers-Sammlung über den Mikrokosmos
der eigenen Existenz, unromantische Reisen und deutsche Kultur beginnt
ganz konkret: Vorgetragen von einem Grenzgänger zwischen Wort und
Musik, dem Cellisten Frank Wolff, inszeniert von Gernhardt. "Siebenmal
mein Körper" sind für mich die besten 64 Sekunden der CD, was
nicht heißt, daß keine weiteren Geniestreiche folgen würden. Schöne
Einstimmung vor allen Kapiteln: Takte aus Stücken Debussys, Schuberts,
Sergej Prokofieffs und anderen, gespielt von der Pianistin Anna
Bärenz.
Für Polt sind
alle Kinder begabt und deshalb ist seine "Kinderdämmerung"
das Drama um Talente, die keiner schätzt. Ob Mundharmonikaspiel
in der Nachbarwohnung oder Schulbetrieb: Kinder stören immer. Beklemmend
genau treffen Polt, Gisela Schneeberger und ihre Mitsprecher den
grantigen Ton der Kinderhasser.
Harry Rowohlt
weckt mit seiner liebevollen Lesung Lust auf weitere Literatur von
Flann O’Brien. Und was O’Brien in seiner "Buchhandhabung"
persifliert, kann der CD nicht passieren: Sie läßt sich nicht mit
geistreichen Anmerkungen zum Zweck des Eindruckschindens versehen.
Der Beweis, daß sie gehört wurde, läßt sich nur antreten, indem
man es wieder tut. Mehrmals, wie es sich auch für Rowohlts O’Brien
empfiehlt.
Many and one
direction
[Intakt]
[ab] Die Schweizerin
Iréne Schweizer war eine der ersten frei improvisierenden Pianistinnen.
Inzwischen ist sie zwar nicht mehr alleine, aber die meisten jüngeren
Pianistinnen à la Barbara Dennerlein oder Aziza Mustafa Zadeh halten
sich in ungefährlicheren Fahrwassern auf und verdienen nicht gerade
schlecht dabei. Der große Publikumserfolg ist Iréne Schweizer nicht
so wichtig im Vergleich zur musikalischen Selbstverwirklichung.
Dabei traktiert sie das Klavier nicht wie ein Berserker, sondern
hält sich gerade mit ihrer neuen, absolut tadellosen Solo-CD in
eher tonalen Gefilden auf. Griffe in das Innere des Klaviers wie
bei "Last Call" sind effektvoll plazierte Ausflüge in
den Bereich des modernen Klavierspiels. "Ein Pausenstück"
nennt sie diese effektvoll in der Mitte der CD plazierten zweieinhalb
Minuten. Davor und danach gibt`s wundervolle Klänge, teils afrikanisch,
teil boppig, teils klassisch beeinflußt, irgendwo zwischen Blues
und frühlingshaften Balladen schwankend, und immer garniert mit
dem zuerst etwas kühl-distanziert anmutendem schnörkellosen Spiel.
Da ist kein Raum für das große ornamentenreiche Pianistengedonner,
welches sich so oft als ideale Hintergrundmusik für Bars entpuppt.
Iréne Schweizer zwingt zum Zuhören und belästigt nicht mit überflüssigem
Geräusch.
Population Four
[Dedicated/Rough
Trade]
[sg] Nach einer
Schaffenspause und Umbesetzung gibt es eine neue Platte von der
Band um das Geschwisterpaar Shaw: Und was für eine! Wie es so typisch
ist für die Cranes, spielen sie auch diesesmal mit Pop und Anti-Pop,
lassen beispielsweise den Track "Fourteen" wie ein Gewitter
auf den akustischen Opener "Tangled Up" brechen und bauen
über das ganze Album klaustrophobische Klangwelten auf, in denen
Alison mit ihrer zerbrechlichen Stimme herumirrt, um hier infantil
plappernd und frierend auf einem kleinen Hocker zu kauern, dort
energisch zu schreien und dann wieder fortzurennen. Insgesamt klingt
das Album geschlossener und poppiger als seine Vorgänger, was sicherlich
auch daran liegt, daß man sich erstmals einem Produzenten (Mark
Freegard, der bisher mit den Manic Street Preachers, Lush und Compulsion
arbeitete) anvertraut hat. So kommen bisweilen (in "Breeze"
und "Can`t Get Free" beispielsweise) unerwartete Erinnerungen
an frühe Blake-Babies-Hatfield-Platten auf, die dann auch schon
wieder in schräge Kammertöne münden.
At 250 miles
per hour
I told you not
to cry
[beide: Crippled
Dick Hot Wax/EfA]
[tb] Easy-Listening-Bashing ist seit längerem groß angesagt. Selbst
Verächter werden allerdings zugeben, daß die kleine Easy-Welle auf
jeden Fall ein gutes hatte: vergessene, verschollene Meisterwerke
zu Tage zu fördern. Ob nun Esquivel und Burt Bacharach wieder in`s
Bewußtsein getreten sind oder Filmmusikkomponisten wie Lalo Schifrin
oder Peter Thomas wiederentdeckt worden sind. Ganz in der Easy-Nische,
man nennt`s halt "Sleazy Listening", hat sich das Villinger
Label Crippled Dick Hot Wax eingenistet. Nachdem man früher bratzigen
Rock/Underground/Hardcore veröffentlich hat, bescherte das, sehr
gute Filmmusik-Album "Vampyros Lesbos" vor zwei Jahren
sensationalle Verkaufszahlen (anscheinend 30 000). Platte Nummer
2 der Reihe, die Musik zu den diversen "Schulmädchenreporten"
war allerdings schlicht und einfach Quatsch. Dödelige Musik zu dödeligen
Filmen; da rettet auch kein noch so witziger Trash-Anspruch irgendwas.
Daß der Komponist der Machwerke, Gert Wilden, allerdings mehr kann/konnte
belegt das vorligendes Album, das bislang unveröffentlichte Krimithemen
von Wilden bringt. Wo Peter Thomas die Wallace-Krimis bespielen
durfte (da soll demnächst auch ein Album erscheinen) hat man Wilden
für ähnlich gelagerte deutsche Trash-Krimi-Produktionen geholt.
Ob nun für "Das Geheimnis des schwarzen Koffers" (nach
dem Sohn Brian Edgar Wallace) oder die "Dr.Fu-Ma-Chu"-Reihe
(immerhin mit Christopher Lee).
Krimi-Charme
der Sixties irgendwo in der Nähe von frühem, heute würde man sagen
Acid-Jazz, mit satt Hammondorgeln und spannungsheischenden Bläsern
sind die Kompostionen des Holländers Jerry van Royen. Er zeichnete
u.a. für Musik des legendären Horror-Sex-Filmes "Necronomicon"
verantwortlich.
dito
[SPV]
[hu] Calvin
Russell nimmt die Gitarre in die Hand, schlägt zwei Saiten an und
die Luft ist wie elektrisiert. Sein neuestes Album ist einmal mehr
hochkarätig und intensiv. Der Rocker verhehlt weder die Blues- noch
die Country-Wurzeln, denen er sich verpflichtet fühlt. Mit dieser
Verankerung in der Musiktradition fällt es ihm leicht, von der ersten
bis zur letzten Sekunde der Show zu demonstrieren, was Vollblut-Musiker
aus Austin so drauf haben. Daß Russell vom Leben gezeichnet worden
ist wie kein anderer, sieht man nicht nur seinem ausgemergelten
Gesicht an. Es ist mit jedem Takt seiner Musik zu fühlen. In "I
want to change the world" thematisiert er diesen Umstand selbst:
"Ich möchte die Welt verändern, aber die Welt verändert mich".
Damit sind wir aber erst beim dritten Stück der Platte angekommen.
Es folgen sieben weitere Juwelen.
Ham & Eggs
[Pork Pie/EFA]
[sg] Ska, die
hundertste, ist man geneigt zu sagen. Lupenrein und gewohnt lässig
gespielt, alles beim alten. Aber wie das leider manchmal so ist,
dabei bleibt`s dann auch, und austauschbare Schemata geben den Takt
an. Wenn die Promoter behaupten, mit dieser Platte würden Skaos
sicherlich "alte Skaos-Fans begeistern und für viele neue sorgen",
haben sie bestimmt recht. Auf ihrer ersten Studioplatte seit 8 (!)
Jahren zeigen sich die Bayern voll auf der Höhe der Zeit und spielen
brillianten 90er-Ska wie es die Bands mit "B" auch tun,
der allerdings auch nicht unbedingt neu erfunden worden ist. Für
die einen ist die Post-Two-Tone-Ära eine Zeit der ewigen Zitate
und Plagiate, für die anderen die längste Party der Welt - so ist
das nun mal.
dito
[Soulciety/TIS][
[hu] Die Dame hat viele Jahre ihres Lebens mit soul-funkigen Bands
wie Rufus und Tower of Power verbracht. Berühmt geworden ist sie
dadurch nicht. Ihr Solo-Album kommt nun weltweit gleichzeitig auf
den Markt, damit ein Tanzflächenfüller wie "Try my Love"
nicht untergeht. In Deutschland hat sich das rührige Soulciety-Label
der Soul-Queen angenommen. Für die musikalischen Randbedingungen
sorgt Mike McEvoy, ein Londoner Gitarrist. So erdig und bassbetont
ihre Songs auch rüberkommen, ein wenig mehr Abwechslung hätten sich
die Begleitmusiker schon einfallen lassen können. Ich bin mir sicher,
daß Lalomie Washburn noch mehr Potential hat, als dies auf dieser
ohnehin schon guten und ausdrucksstarken Scheibe zu hören ist.
Eddy
[Lost &
Found]
[sg] "Why
Can`t We Get A Major Deal?" fragen die vier Punkrocker gleich
zu Beginn ihres zweiten Longplayers. Was für eine Frage angesichts
ihrer, sich durch die ganze Platte ziehenden Haßtiraden gegen all
den kapitalistischen Schwachsinn. Auch wenn sie zweifellos das Zeug
dazu hätten, daß die Legionen von NOFX-Uniformen, die hier so durch
die Straßen rennen, auch ihr Logo tragen würden, wären sie wohl
nicht unbedingt froh darüber. Das alles kann man auch selber machen,
ist ihre Devise: "You are the advertisement pillar/you wear
their propaganda/Wake up! Stand up!"
Ein Uptempo-Knaller
jagt hier den nächsten, Song für Song wird die gute alte Ami-Schule
auf dieser sehr fetten und ausgefeilten Produktion gefeiert: Punkrock
rules, wie Sänger Oli gerne zum besten gibt. Mehr muß man, glaube
ich, nicht mehr sagen. Weiter so, Jungs!
Ambient für
Berufskraftfahrer
[Adolf Noise/
Plattenmeister/EfA]
Festplatte
[Plattenmeister/EfA]
Teen Riot Günther-Strackture
[Morbid Records/Disko
B/EfA]
[lind] Was eigentlich
schon längst fällig war: Nach den Kinderzimmerproductions des deutschen
HipHop die Kindergarten-Cops des dt. Techno (daß die Mäuse eigentlich
Österreicher sind, giltet hier nicht). Vermutete Hauptinspirationsquelle:
Europa Kinderplatten; Huibuh statt Detroit Techno, Biene Maja in
der upfronten Housedisco. "Ambient für Berufskraftfahrer"
kommt mit lustigen (gefakten) Linernotes und einer fiesen "crippled-dick-hotwax"-70er-Jahre-Bildästhetik.
Ansonsten hält dieses absolut überflüssige Produkt genau was der
Namen verspricht. Erinnert mich an einen italienischen Freund, der
als Fahrer seine Kapelle Zehntausende von Kilometern durch Europa
schippert und mir schon vor Jahren veriet, daß er mit völlig belanglosen
Ambientgeblubber Orbscher Provenienz immer "so ausgeruht und
frisch" am Ziel ankomme. Gar nicht mal so elektronisch, aber
auch schlimm und auf dem "Plattenmeister" raus sind Gundpowder
Eléctric. Nein, hier hört man sogar manchmal Akkustikgitarren zirpen
(ich denke, sie nennen es homerecording). Weil hier aus lauter Lustigkeit
echtes Pop-Potential verspielt wurde und wg. des häßlichen Covers
Haßplatte des Monates. Ich hoffe, das gibt anständig Tränen in einem
Proberaum irgendwo an der Wanterkant.
Etwas anders
verhält es sich mit den Mäusen aus Wien. Die lassen zwar auch ihr
Presseinfo von einem gewissen Herbert Wehner schreiben, der die
Geschichte der Band mit Whitesnake vergleicht. Wie man hört, ist
aber eine Hälfte des Duos, Tex Rubinowitz, als Texter und Cartoonist
eigentlich imstande, Besseres zu leisten. Deswegen und wg. der deutschen
Vocals, die irgendwie an Frühachtziger-Düsseldorfer-Electronica
erinnern: 1 Sympathiepunkt. Demnächst auf diesem Kinderkanal: The
Waldemar Bonsels Overdrive, die Inspektor Issel Polizei und der
Winnetou Soundclash (ernsthafte Angebote für diese Produktnamen
bitte an: Leeson, Hussenstr. 32, 78462 Konstanz).
Lebo
[Jazzline/Alex
Merck Music]
[ab] Seit einigen
Jahren erlebt der Jazzgesang eine Renaissance. Und wenn einem dann
ein so gelungenes Produkt wie die neue CD der niederländischen Sängerin
Masha Bijlsma ins Haus flattert, kann man nur sagen: Gott sei dank!
Begleitet wird sie vom Pianisten Gé Bijvoet, Bassisten Eric van
der Westen und dem Schlagzeuger Dries Bijlsma, dem Vater der 25-jährigen
Sängerin. Gespielt wird klassischer Jazz mit dem Formgefühl der
Neunziger. Eine angenehme, unaufdringliche Gruppe, die die Sängerin
in das allerbeste Licht stellt und gleichzeitig auch eigene Akzente
zu setzen vermag. Wobei der Tenorsaxophonist Bob Malach, mit dem
Masha Bijlsma bereits häufiger getourt ist, bei einigen Stücken
als vierter Mann zum Trio gestoßen ist. Stilsicher interpretieren
sie Standarts wie "The way you look tonight", Eigenkompositionen
und den Edith-Piaf-Klassiker "La vie en rose".
"Lebo"
ist eine eindrucksvolle und vollauf geglückte zweite CD, die sehnsüchtig
auf Konzerte und weitere Veröffentlichungen von Masha Bijlsma warten
läßt.
Live in Tokyo
[Mystic Records]
[nf] Zu jeder
zünftigen Reunion scheint heutzutage auch ein Live-Album zu gehören:
Siehe Sex Pistols, Velvet Underground, etc. Nun also auch Amon Düül
II, neben Can und Kraftwerk einst die Urväter des "Krautrock"
und im Grunde genommen die perfekteste Verkörperung dessen, wofür
dieser Begriff seinerzeit stand: Keine andere Band verband so wie
sie teutonische Schwere mit fernöstlichem Mystizismus, marihuanageschwängertes
Hippie-Geklampfe mit phonstarken Sci-Fi-Klanggewittern à la Hawkwind
oder den frühen Pink Floyd. Keine andere erreichte damals den Kultstatus,
den sich die von häufiger Personalfluktuation geplagte Münchner
Musikkommune frühzeitig (nicht zuletzt im benachbarten Ausland)
erspielte. Mit "Nada Moonshine" meldete sie sich vor rund
eindreiviertel Jahren wieder zurück aus der Gruft - und Stücke aus
dieser Platte nehmen denn auch den größten Teil der ersten Hälfte
dieses Konzertmitschnitts ein (dies sehr wohl im Gegensatz zu den
Velvets und den Pistols, die sich beide im wesentlichen darauf beschränkten,
die alten Heuler von anno dazumal noch einmal frisch zu interpretieren).
Und siehe da: Nicht unerwartet klingt dies alles live viel besser
als auf der Studio-CD, zum Teil sogar dramatisch besser - der beste
Beweis dafür, daß die Düüls schon immer eine herausragende Live-Band
waren (wie in ihrer Blütezeit das Album "Live in London"
- eine der absoluten Lieblingsplatten des Verfassers dieser Zeilen
- aufs Nachdrücklichste demonstrierte). "Castaneda da dream",
das düül-typischste aller neuen Stücke, fasziniert mit seinem sphärischen
Space-New-Age-Touch. Fast schon Ennio-Morricone-artige epische Soundwälle
läuten hingegen "Deutsch Nepal" ein, ebenfalls ein Song
von der `95er Studio-CD. In der zweiten Hälfte des Sets kommt dann
älteres Material zu seinem Recht: "Wolf City" etwa, oder
"Surrounded by the stars" (das sicherlich beste Stück
des gesamten Albums, mit einer über sich selbst hinauswachsenden
Renaute Knaup als Sängerin) und natürlich "Archangels Thunderbird",
der berühmteste aller Düül-Songs überhaupt und seinerzeit wohl eine
Art Jefferson-Airplane-Hommage, hier nur leider etwas lieblos heruntergedroschen
(kleine Ausrutscher wie dieser trüben den Gesamteindruck aber überhaupt
nicht). Wenn er nur etwas mehr Begeisterungsfähigkeit an den Tag
legen würde, der konzertbesuchende Japaner! Bei Heavy-Metal-Bands
aller Schattierungen, von Deep Purple bis hin zur unsäglichen Michael
Schenker Group tut er das ja schließlich auch.
[tb] "Wir
wollten eigentlich eine Krautrockplatte machen, aber dann kamen
doch nur wieder Popsongs heraus." Jedenfalls ist den Münchner
Monostars mit "In Zeitlupe" (VeraCity/EfA) ein ziemlich
nettes Popalbum gelungen. Schrammelige Gitarren, Baßläufe in Moll
und ein extensiver Einsatz von Analogsynthesizern. Was ihnen dann
Kritikerkollegen als Nähe zu Stereolab (?) auslegen. Die Texte erinnern
manchmal an die Flowerpornoes ("Das einzige Idyll das ich finden
kann, ist das, was ich mir selber schaffe") und kommen gelegentlich
ein wenig verkrampft daher. Und Sätze wie "ich hab` einfach
keine Lust mehr jemanden zu lieben, der sich nicht selber mag"
hätte besser der große Korrektor rausgestrichen. Naja, genug genörgelt,
diese Platte ist nicht schlecht.
[mz] Das Krautrock
Revival lebt! Nachdem erst jüngst Amon Düül 2 wieder aus ihrer Gruft
gekrochen sind, in England in Folge von Julian Copes Krautrockbuch
"Great Kosmische Parties" steigen, gibt es nun auch wieder
ein Lebenszeichen von Faust. "You know Faust" [ReR/Indigo]
ist hypnotisierende, z.T. genial dilettantische, z. T lärmende Chill-out-
oder Trance-Musik mit Titeln wie "Liebeswehen 2", Hüttenfreak"
oder "Teutonentango". Spannend!
[tb] Kurz vor
Redaktionsschluß noch reingeflattert ist dieses wunderbare Stück
Vinyl (!). "4 Instrumentals" (Disko B/EfA) zeigt die Münchner
FSK einmal von einer anderen Seite. Wer Thomas Meinecke & Co.
im vergangenen Jahr live gesehen hat, wird "Tel Aviv"
und die anderen Stücke bereits kennen - und lieben. Giorgio Moroder,
Housemusic, Ambient, Krautrock und Disco gehen hier eine spannende
Liaison ein. Erschienen ist das Teil auf Disko B, dem Sub-Label
von FSKs Firma Sub Up, das eigentlich ansonsten Techno und anderen
Elektronik-Spielarten vorbehalten ist. Man darf gespannt sein, wie
die übliche Klientel auf FSK reagiert.
[mz] Bittersüße, herzerweichende Songs, neben denen sich die Ergüsse
von Lush wie ungehobelter Punkrock ausnehmen, bietet "Way beyond
blue" [WEA], das Major-Debüt von Cerys Matthews Band Catatonia,
die neben den Super Fury Animals und den Gorky’s Zygotic Mynci zu
den Aushängeschildern der neuen walisischen Musikszene gehören.
Was der NME als "Meisterwerk" abfeierte, hat tatsächlich
Ohrwurmcharakter und veranlaßt einen spätestens nach dem zweiten
Hören - zusammen mit Cerys - "Sweet Sweet Catatonia" zu
summen. Charming!
[tb] Auch mit
ihrem vierten Album mit dem hübschen Titel "There`s a star
above the manger tonight" (WEA), entziehen sich die amerikanischen
Red Red Meat den üblichen Kategorisierungsversuchen. Dem durchschnittlichen
Alternative-Rock-Fan wird`s ganz sicher zu schräg sein. Das scheppert
gehörig, was da zwischen low-fi-Folkrock, obskurem Geschrammel,
knuffigen Drumbeats, quengelndem Banjogezupfe, eigenartigem Synthesizer-Gefrickel
und durch den Fleischwolf gedrehten Gitarren aus den Boxen dengelt.
Bandleader Tim Rutili gibt interessanterweise die Kölner Can als
einen wichtigen Einfluß an - was keinesfalls übertrieben erscheint.
Tja ja, glückliches Chicago mit Deinen Tortoises, Souled Americans,
Red Red Meats und all den anderen Verrückten...
[nf] Was beim
ersten Anhören lediglich wie ein Gag anmutet, entpuppt sich bei
intensiverer Beschäftigung als ein faszinierendes Experiment in
Sachen "Crossover" (im eigentlichen Sinne des Wortes).
Acht Songs aus dem umfangreichen Ouevre der Metal-Könige Metallica
nahm sich das finnische Streichquartett(!) Apocalyptica vor und
arrangierte sie für vier Celli um - rather strange, das Ganze, keine
Frage. Klassikfans werden sich mit Grausen abwenden und Rockpuristen
bei dem einen oder anderen Stück die Augen verdrehen - macht nichts,
mir jedenfalls gefällt`s. Zwischen infernalischer Wildheit à la
Shostakowitch und lyrischer Zartheit à la Schubert schwanken die
meisten der auf "Apocalyptica plays Metallica" [Mercury]
versammelten Interpretationen - eine zweifellos recht gewöhnungsbedürftige
Gratwanderung zwischen Klassik, Rock und Avantgarde mit hohem Originalitätswert.
[tb] Rock Not
Rock. Das Washingtoner Trio Trans Am arbeitet ebenso wie Tortoise
an der Auflösung bekannter Rockstrukturen. Die "Alternative
zur Alternative" wie das die Berliner von City Slang schön
ausdrücken. Das ist eben erheblich spannender als all die Bushs,
No Doubts und wie die sogenannten neuen "Alternative-Rock-Bands"
(alternativ zu was denn eigentlich?) heißen. Elektronik respektive
Moog trifft auf Rockgitarren bei "Surrender To The Night"
(City Slang/EfA).
[hu] Während
der letzten Tournee haben die Suns of Arqa "Animan" (ARKA/EFA)
diesen neuen Titel live eingespielt. Es beginnt abgespaced, trance-artig,
wird dann ab dem sechsten Stück etwas lebhafter. Doch insgesamt
haben mich die Suns diesesmal enttäuscht, weil multikulturelle Musik
meiner Meinung nach nicht so lahm sein muß. Aber als hundertprozentiger
Fan habe ich vielleicht auch zuviel erwartet.
[tb] Zugegebenermaßen
war für mich immer Dan Stuart die wichtigste Person bei den Green
On Red, die heute wahrscheinlich keine Sau mehr kennt, die mit ihrem
staubigen Country-Psychedelic-Rock allerdings mal Mitte der achtziger
Jahre richtig hip waren. Während man vom guten Dan zuletzt vor 2
Jahren mit "Can O` Worms" gehört hat, legt Chuck Prophet
mit "Homemade Blood" (Cooking Vinyl/Indigo) sein viertes
Soloalbum vor. Zeitloser Rock, dem die Green-On-Red-Vergangenheit
durchaus noch anzuhören ist. Klingt altmodisch, doch nicht uncharmant.
[hu] Die schmale
Gratwanderung zwischen Neil Young und Südstaatenrock ist den Bush
League All-Stars mit "Old Numbers" (Glitterhouse/EFA)
geglückt. Neben der Rockmucke, die unversehens an amerikanische
Clubs mit überschwappenden Bierkübeln erinnert, kommen da ruhige,
sentimentale, die Tondauer auskostende Momente zum Zuge.
[tb] "Mirador"
(4 AD/RTD), das dritte Album der Tarnation, klingt erheblich straighter
als der Vorgänger. Wobei der ätherische Country-Folk-Pop der Gruppe
um Paula Frazer nichts von seinem Charme verloren hat. Im Gegenteil.
Gespielt von der neuen Begleitband sind die Songs noch mehr auf
die grandiose Stimme der Sängerin zugeschnitten. Da wird geheult,
was das Zeug hält und das Falsett schraubt sich in ungeahnte Höhen.
Vergleiche mit der großen Patsy Cline, der Mutter aller Country-Croonerinnen,
sind keinesfalls weit hergeholt. Hübsche Platte. Erscheint Anfang
April!
[mz] Rachel`s
"Music for Egon Schiele" war einer der kammermusikalisch
betörenden Höhepunkte des letzten Jahres. "The sea & the
bells" [Quarterstick/EFA], das dritte Album von Fredrickson/Grimes/Noble,
ist in der Form offener geworden: Die einzelnen Stücke unterwerfen
sich nicht mehr einer musikalischen Einheit, sondern stellen autonome
Kompositionen im Dreieck Klassik, Experimentalmusik, Post-Rock dar.
[hu] Reggae-
und Dub-Spezialist Bim Sherman macht auf Easy Listening. Von der
stimmbegabten Anne Marie ist allerdings auf dem Album "Be Tough"
(Echo Beach/Indigo) nicht in jedem Song etwas zu hören. Manche Titel
blubbern auch instrumental vor sich hin. Dabei wirkt sich der Einfuß
des Dub nur in den Bass-Riddims aus. Insgesamt ist es die House-Musik
der Dub-Stars Sherman, Wimbish, LeBlanc und McDonald, die mit einer
ganz anderen Seite ihres Könnens aufwarten.
[mz] Die englischen Stereolab, kombiniert mit der Gitarrenästhetik
von Felt scheinen die musikalischen Vorbilder von Seely aus Atlanta,
Georgia zu sein. Auf ihrem von John McEntire (Tortoise) produzierten
Debütalbum "Julie Only" [Too pure/Rough Trade] erklingen
die Gitarren lieblich wie einst unter den Händen von Felts Lawrence,
während das gesangliche Zusammenspiel von Steven Sattlerfield und
Joy Waters mitunter an den Chorgesang von Laetitia Sadier und Mary
Mansen erinnert, manchmal aber auch in 4AD-Gefilde abdriftet.
[tb] Ältere
LeserInnen werden sich vielleicht noch an die wunderbaren dB`s und
deren großartige Gitarrenpopsongs Anfang der achtziger Jahre erinnern.
Vor allem die ersten beiden dB`s-Alben "Stands for decibels"
(81) und "Repercussion" (82) sind echte Klassiker. 1990
trafen sich die beiden songschreibenden Gitarristen Chris Stamey
und Peter Holsapple noch einmal für ein Duo-Album. Seither von Holsapple,
abgesehen von seinem Nebenherprojekt, den formidablen "Continental
Drifters", vorwiegend als Studio-und Livemusiker (ua. REM)
zu hören. "Out Of My Way" (Blue Rose/RTD) heißt das erste
Soloalbum von Peter Holsapple, das auf angenehme Art unspektakuläre
Rocksongs bringt. Das biedert sich weder beim Alternative-Rock an,
noch versackt es im Mainstream.
[mo] Daß der
Simply-Red-Sänger Mick Hucknall eine Schwäche für Reggae hat, kann
man nicht nur an seinen roten Dreadlocks sehen. Auf seinem eigenen
Blood-And-Fire-Label veröffentlicht er nun schon seit einigen Jahren
längst verschollen geglaubte Klassiker der Reggae-Geschichte. Für
Neueinsteiger gibt es nun den hervorragenden zweiten Sampler des
Labels "2 Heavyweight" (Blood & Fire/Indigo). Mit
King Tubby, den Congos oder I Roy sind hier einige der wichtigsten
Künstler des Siebziger-Jahre-Reggaes mit zum Teil unveröffentlichten
Aufnahmen vertreten. Soul Food!
[tb] Vom Image
des Folkrockers will sich Pat Thomas lösen. Der Gründer des San
Franciscoer Heyday-Labels hat sich jetzt sogar einen Stempel mit
dem Aufdruck "Not Folk Rock" angeschafft. Der prangt fett
auf dem Begleitschreiben zum neuen Album "Steal This Riff Live
Evil Volume 2". Begleitet von seiner Band und dem "Street
Choir" zeigt sich Thomas in der Tat eher psychedelisch rockend
als folkrockig. In den 70s-inspirierten Rock haben sich zudem Elemente
deutschen Krautrocks (Can, Faust, etc.) eingeschlichen. Das live
aufgenommene Werk gibt es ürigens nur über Mailorder zu beziehen:
Pat Thomas Archives, PO Box 411141, San Francisco/CA 94141-1141.
Die nächste reguläre CD erscheint im April beim deutschen Label
Strange Ways.
[hu] Neal Casal hätte selbst nicht geglaubt, so schreibt er in einer
persönlichen Note auf dem Plattencover zu "Rain, wind and speed"
(Glitterhouse/EfA), einmal ein akustisches Album aufzunehmen. Sein
Leben war bislang von der Tournee mit der Band durch die USA, die
Aufkündigung des Vertrages durch seine Plattenfirma, Autopannen
auf der Strecke zwischen Pittsburgh und Kalifornien inklusive fünftägiger
nervender Wartzeit und anderen Unwägbarkeiten des Lebens geprägt.
Zum Ausgleich ist "Rain, Wind and Speed" ein äußerst entspannendes,
beruhigendes Album geworden. Die sanfte Stimme wird durch melodisches
Gezupfe auf der Klampfe unterstützt.
[tb] Ordentlich
was auf die Ohren gibt`s beim Debüt der Revelators, einem Trio aus
dem Mittleren Westen der USA. "We told you not to cross us"
(Crypt/EfA) ist brachialer Garagen-Punk, ass-kickin` gespielt, rumpeligst
aufgenommen, doch hundert mal lebendiger als alle Green Days und
Offsprings dieser Welt.
[ab] Die Jazz-Grunge-Band
"Matalex" legte erst kürzlich ein Tondokument ihrer diesjährigen
Tourneen, "Live `96" (Lipstick Records, vor. Die meisten
Stücke sind von der zweiten CD "Jazz Grunge" her bekannt.
Aber live klingt das dann doch etwas anders: Frisch, spontan und
mit dem nötigen Drive versehen, rocken Gitarrist Alex Guinea, Keyboarder
Mat Junior, Bassist Arnd Geise und Schlagzeuger Jost Nickel munter
drauflos. Live spielen die Jazz-Grunger jazziger, geschlossener
und weniger hardrockend als auf "Jazz Grunge". Auch läßt
man sich mehr Zeit, um mittels langer Intros Stimmungen aufzubauen.
[tb] Ed Kuepper produziert wie ein Wahnsinniger. Mit "Frontierland"
(Hot/RTD) ist dem einstigen Wegbegleiter von Chris Bailey bei den
Saints ein wunderbares Album gelungen. Melodien zum sich-reinlegen,
Ohrwurmstücke wie "All Of These Things" oder "How
would you plead?". Dazu ein Kuepper, der wie schon zuletzt
beim Mailorder-Only-Werk "The Exotic Mail Order Moods"
mit der Dance-Szene liebäugelt: "The Weepin` Willow" bringt
treibende Rhythmen, satte Bläser und die sprichwörtlich schönen
Kuepper-Gitarren zusammen.
[hu] Ist schon
eine Weile her, daß OnU-Sound und E-Motion uns mit richtungsweisenden
Dub-Platten überhäuft haben. Da zu der Zeit kein LEESON gedruckt
wurde, hier nachträglich noch der kurze Hinweis auf ein paar wichtige
Werke: Dubnology 2, "Lost in Bass" heißt eine Doppel-CD,
bei dem das Preis-Leistungsverhältnis einfach stimmt: Von African
Headcharge bis Mad Professor wirbeln alle umher, die Rang und Namen
in der Dub-Szene haben. Bei Dub Ghecko, "Love to the power
of each" ist zu hören, was die Szene in Bristol und die Ehemaligen
von Massive und Portishead ausgekocht haben. "Infinite density
of dub" der Disciples schließlich verdeutlicht, was altgediente
Musiker unter Hardcore-Dub verstehen.
[tb] "Ventilator" (Glitterhouse/EfA), das dritte Werk
der Bielefelder Hip Young Things ist schon etwas länger draußen.
Weil ich das Quartett um Gitarrist/Sänger Schneider jüngst jedoch
erstmals live gesehen haben (bei einem miserabelst besuchten Konzert
im Konstanzer "Kulturladen") hier doch noch der kurze
Hinweis auf dieses wunderbare Album. POP-Songs! POP-Songs! Und dazu
klasse, ambient-dance-artige Instrumentals.
[nf] Jüngster
Neuzugang zu dem, was Kollege sg einmal so treffend die "Krachgitarrenliga"
genannt hat sind Nada Surf aus den Staaten, deren Single "Popular"
nebst dazugehörigem Video seit Wochen auf MTV in "heavy rotation"
läuft. Druckvolle, kompakte Rocksongs, oft recht ungestüm in die
Mikrophone hineingedonnert, finden sich auf "High/Low"
[WEA], dem Debütalbum der Youngsters. - Nicht gerade der Knaller
der Saison in Sachen Originalität, aber genau das richtige Futter
für all diejenigen, die nun schon seit Monaten sehnsüchtig auf eine
neue Whipping-Boy-CD warten.
[tb] "70
Minuten Musik ungeklärter Herkunft" (Motor) heißt das neueste
Werk von Girlie-Liebling Andreas Dorau. Auch wenn manche Texte wieder
unter extremem Reimzwang stehen, ist das netter Deutsch-Pop mit
Disco- und Houseinflüssen. Neben der schon bekannten Single "Girls
In Love" ein gutes Dutzend seltsamer Obskur-Pop-Perlen. "Haleeee-luja,
die Meisen sind da...."
[nf] Ihren Ruf,
die besten Pearl Jam zu sein, die es je gab, untermauern Bush aufs
Nachdrücklichste mit "Razorblade Suitcase" [MCA/BMG],
ihrem zweiten Album, mit dem sie kürzlich in den USA gar die Spitze
der Billboard-Charts erklommen haben. In Good Old Germany wird´s
wohl noch eine Weile dauern bis zum großen Durchbruch - was der
Band aber vermutlich nur gut tun kann und nicht zuletzt auch ihren
Fans. Dürften die britischen (!) Grunge-Rocker, die sich ja schon
mit der Vorgänger-CD "Sixteen Stone" allen Freunden des
ruppigeren Gitarrensounds bestens empfohlen haben, zunächst einmal
bis auf weiteres noch in vergleichsweise kleinen Etablissements
zu sehen sein. Anspieltip: "Swallowed", die neue Single
- Eddie Vedder & Co. müßten hier doch eigentlich glatt vor Neid
erblassen.
[tb] Irgendwo
zwischen moderner Electronic-Listening-Music, Easy Listening und
dem Space-Age-Pop der 50er/60er ist das angesiedelt, was der Wiesbadener
Computer-Künstler Marcel Immel alias der Low-Fi Generator macht.
Auf "Stereo" (Normal/Indigo) werden dabei Fitzelchen von
einer alten NDW-Band wie Hans-a-plast ebenso gesampelt wie Fragemente
von XTC, den Who, dem Ramsey Lewis Trio oder Juan Garcia Esquivel.
Diverse DDR-Polit-Größen kommen bei "Übersteigerung der Beatrhythmen"
zu Wort: "Ist es denn wirklich so, daß wir jeden Dreck, der
von Westen gommt, mitmachen müssen?" Angenehmes Listening.
[mz] Keine andere
Band kultiviert live einen auf den Punkt gebrachteren Gitarrenlärm
als Wedding Present (was sie erst jüngst wieder im feinen, kleinen
Dynamo Club in Zürich eindrücklich bewiesen haben). "Saturnalia"
[Cooking Vinyl/Indigo], das zehnte Album von David Lewis Gedge und
seiner Band ist nicht schlechter als die neun zuvor und ein Muß
für den Fan (zu denen, das ganz nebenbei, nicht nur John Peel zählt).
tb] Kein LEESON
ohne Max Goldt: "Objekt mit Souvenircharakter" (45/Indigo)
ist bereits die vierte Lese-CD unseres Lieblings, ehe im Frühjahr
sogar noch bei Motor Music eine Best-Of-Lese-CD erscheinen wird.
Ebenfalls im Frühjahr kommt übrigens bei Haffmans der dritte Titanic-Kolumnen-Band
heraus. Live lesen wird Max Goldt am 9. Juni in Konstanz (K 9) und
die folgenden vier Tage in der Schweiz (St.Gallen, Zürich, Luzern
und Basel).
[hu] Hinter den Trance Vision Steppers steckt eine gehörige Portion
deutscher Dub/Reggae-Kultur. Der Schlagzeuger von Vision, Fe Wolter,
hat sich mit Musikern aus Hannover zusammengetan, die sich aus mir
bislang unbekannten Gruppen wie Cree-Mix, Miss D oder Konf Fu rekrutieren.
Herausgekommen ist bei "TV 5" (Fünfundvierzig/Indigo)
ein Mischung aus bassintensivstem Dub, einer übermächtigen Portion
Trance sowie einiger feinverästelter Einflüsse rhythmisch-ethnischer
Natur. Eine vollbepackte CD liegt vor, die die Zuhörerinnen und
Zuhörer in andere Sphären versetzt.
Von Thomas Bohnet
Die Ostschweizer Aeronauten entfernen sich immer weiter vom Soul-Punk
à la Family Five (das ist die inzwischen aufgelöste Düsseldorfer
Band des ehemaligen Fehlfarben-Sänger Peter Hein), mit dem sie noch
auf Album Nummer "1:72" zurecht verglichen wurden. Für
"Jetzt Musik" (Tom Produkt/L`Age D`Or/RTD), das dritte
Album, wird nun auch in Deutschland ordentlich Promotion gemacht,
so daß sogar die Zeitschrift für ältere Rockherren, "Rolling
Stone", den Schweizern eine lange Plattenkritik widmet. Recht
so. Denn "Jetzt Musik" ist eine ganz wunderbare Platte
geworden. Neben den hitverdächtigen Ohrwürmern "Game Over"
und "Sexy Welt" (ganz groß!) haben die fünf Freunde aus
der Ostschweiz diesesmal auch zwei leckere Instrumentals untergebracht:
"Extremadura", das den guten Ennio Morricone über die
Alpen zieht und "Roter Stern", eine flashy Surfnummer.
"Am Tag als der Maler kam" ist eine Blumfeld-artige Persiflage?
und mit "Countrymusik" macht man sich über alternde Szenegänger
lustig (fühle mich ertappt, höre "Kauntry" allerdings
schon länger!), die mit zunehmendem Alter Country entdecken.
Wenn er nicht gerade mit den Aeronauten herumtollt, jagt Sänger
Olifr Maurmann - der mit den fleischigen, fetten Kotelleten - unter
dem Namen Big Olifr M. Guz oder schlicht Guz von Bühne zu Bühne.
Seit 1985 hat Guz auch vier Cassetten, eine EP und zwei Platten
veröffentlicht. "In Guz we trust" - Anthology 1984-95
(Tom Produkt/RecRec) bringt - zusammengestellt vom bayrischen Schriftsteller
Franz Dobler - vierzig (!) Stücke aus den verschiedensten Schaffensphasen
des Lo-Fi-Musikers. Das reicht von Kinderorgel-meets-Gitarre-Kurzinstrumentals
wie "Im Wunderland" und Milkshakes-artigen Beatnummern
("The one"), Lo-Fi-Ska ("Poor Boy") über frühe
Surf-Nummern ("Sandsturm"), Pop-Ohrwürmer ("In dieser
illegalen Bar") und dengelig-quengeligen Schrammelsound ("Mir
sin so härt") bis hin zu Elektronik-Selbstversuchen ("Tanzbär").
Produziert hat übrigens wieder der Schaffhauser Tom Etter, der mit
seiner eigenen Band "Starfish" jüngst auch eine CD veröffentlicht
hat. "Slamming The Door" (Sound Service) heißt das zweite
Album des Quartetts, bei dem inzwischen Alboth!-Bassist Christian
Pauli von Hans Ermel ersetzt worden ist. Vor zwei Jahren hatten
Starfish mit "Rain comes falling down" einen wunderhübschen
kleinen Hit, den schönsten TripHop-Song der Bristol-Schule, der
nicht aus Bristol kam. TripHop, wenn man so will hört man jetzt
eigentlich mehr in der Art zu produzieren bzw. in den wieder, sehr
ausgeklügelten Schlagzeugsounds (Tom Etter ist der Drummer). Ansonsten
grast das Quartett um Sänger Gabi Fischer mit ihrer lovely Stimme
ein weites Feld zwischen groovendem Funk, balladeskem Rock und so
was wie Folk ab. Live sind Starfish übrigens am 14. April in Konstanz
im K 9 Foyer zu sehen.
Sind Starfish
und die Aeronauten so was wie die Underdogs der Schweizer Szene
so ist die Mundartrockkapelle Patent Ochsner neben Züri West die
beliebteste Rockgruppe der Schweiz. Auch die Berner Band hat wieder
ein neues Album verbrochen, Titel "Stella Maris" (BMG
Ariola). Wobei hier etwaige Modernismen (die triphoppigen Drums
bei "Sunnechünig") nicht darüber hinwegtäuschen, daß wir
es hier mit einer der verschnarchtesten Rockcombos der Jetztzeit
zu tun haben. In gewißer Weise sind Patent Ochsner sozusagen das
eidgenössische Pendant zu BAP - und wie das Coverfoto zeigt, nicht
weniger häßlich. Wobei auch die Texte (im Heft sogar auf hochdeutsch
abgedruckt!) gelegentlich jeglicher Beschreibung spotten (Sensibel!
Einfühlsam! Kritisch!). Unser freier Mitarbeiter Christian Gasser
hat im Zürcher Jugendblatt "Toaster" das so formuliert:
"Tonnenweise wehleidiger Kitsch." - Ach ja, 100 Minuspunkte
für die peinliche Techno-DJ-Bobo-Persiflage "Freespirit".
Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen. Denn liebe
Patent Ochsner, was ihr das so rumsingt, ist auch nicht besser als
"ein bisschen freedom is all we need!"
Auch er ist
ein ganz Sensibler und, zumindest in Frankreich ein echter Star:
Stephan Eicher. Gerne erinnere ich mich noch ans Jahr 1984 zurück,
als der Zürcher nur mit Gitarre und Bandmaschine bewaffnet im alten
Kreuzlinger Bellevue (RIP) einen feinen Soloset hingelegt hat. Inzwischen
sind die Haare länger geworden (man trägt nun Mob!) und ein Mehrtagebart
ziert das Kinn. Doch auch sein neues Album "1000 Vies"
(Mercury) mag ich in all seiner Geschmäcklerischkeit eigentlich
ganz gerne: vor allem den Titelsong und "Oh ironie".
Ein reichlich
seltsamer Songwriter ist Polar alias Eric Linder, ein in Genf lebender
Ire. Auf seinem, zuhause in der Küche aufgenommenen Album "Polar
1" (How I feel records/RecRec/EfA) suhlt sich der 24jährige,
zumindest auf den ersten paar Songs (Lieblingsworte: "dead"
und "death") geradezu in Selbstmitleid, so daß man fast
schon Angst haben muß, um den Kerl. Mit zunehmender Dauer des Albums
legt sich das dann allerdings ein wenig und die Lieblingsworte werden
"kill", "killer" und "murder". Von
innen nach außen sozusagen, ahem!
Kaum Informationen
habe ich leider zu Heaven Deconstruction, einem "side project"
der Young Gods, wie auf der CD zu lesen ist. Als "an instrumental
experimental" bezeichnen Franz Treichler und Üse Hiestand ihre
Klangforschungen. Dem bedrohlichen "December" folgen die
Wasserspiele "Aoacu", ehe man Post-EBM-artig losbrettert.
Anderers wiederum klingt Weltraum-Opernartig oder Ambientmäßig |