"Dreckschwein
H muss runter von der Leiter"
Der österreichische
Musiker Hans Platzgumer geht neue Wege
Von Thomas Bohnet
"Wir sehen
die Zeit schnell rechts an uns vorüberschreiten/können nicht stoppen,
was wir ewig schon anstreiten/die braune Brut will wieder heim/der
Bauernfänger hat die Massen hinter sich." Während ein Pianomotiv
über einen groovenden TripHop-Beat aus Drums, Percussion, Geräuschfetzen
und gescratchten Passagen tänzelt, singt Hans Platzgumer in einer
Art Sprechgesang über das "Dreckschwein H", das "Monster,
das entstand im stummen" und das sich jetzt anschickt, die
Macht zu übernehmen.
"H" ist natürlich Jörg Haider, Österreichs rechtsradikaler
Volkstribun mit Ambitionen die Nummer 1 im Staat zu werden. Hans
Platzgumer ist einer der bekanntesten Rockmusiker Österreichs. Seine
inzwischen aufgelöste, in den USA ansässige Band "HP Zinker"
war nicht nur in Alternative-Rock-Kreisen sehr bekannt, wurde ihr
letztes Album "Moutains Of Madness" vor zwei Jahren doch
sogar für einen Grammy nomiert. Inzwischen lebt Platzgumer wieder
in Europa. In Hamburg. Seit gut einem Jahr ist er Mitglied im hanseatischen
Polit-Rock-Ensemble "Die Goldenen Zitronen" und derzeit
ist er gleich in mehreren Formationen aktiv.
"Dreckschwein"
ist einer der Songs seiner Solo-CD "Aura Anthropica" (L`Age
D`Or/RTD), mit der der einst als "Wundergitarrist" oder
gar "Gitarrengott" bezeichnete Musiker neue Wege geht.
Weg vom Rock hin zum Dancefloor, zu Techno, zur Elektronik. Die
elf Stücke des Albums, darunter sieben reine Instrumentals, sind
im weitesten Sinne irgendwo im Umfeld von TripHop angesiedelt.
"Mit HP
Zinker war ich an einem Punkt angelangt, wo mir künstlerisch nichts
mehr neues eingefallen ist", erzählt Hans Platzgumer, den ich
im Münchner "Baader Café" zum Interview treffe. Aus der
Alternative-Rock-Band war der "Biß raus", da "war
kein Feuer mehr da". "Stagnation ist für mich musikalisch
das schlimmste was es gibt", sagt der kleine, schlaksige Musiker.
Sechs Jahre lang hat er in den USA, in New York und Los Angeles
gelebt und der ganze Rockzirkus sei ihm auf die Nerven gegangen.
Parallell dazu habe er es "mit den Amis nicht mehr ausgehalten":
"Die amerikanische Lebensweise, die Mentalität, all diese extreme
Oberflächlichkeit, die zwar ein Klischee ist, die aber auch stimmt."
Am Schluss seiner amerikanischen Zeit habe er sogar überall vorgegeben,
er verstehe kein englisch, nur um mit niemandem mehr reden zu müssen.
Für ihn und seine Freundin war klar, dass man wieder nach Europa
zurückmüsse. Sechs Jahre weg vom alten Kontinent, habe er nun, so
erzählt er, Europa glorifiziert. "Ich habe mir da so ein Traumbild
ausgemalt, daß da alles perfekt und gut sei, die Menschen seien
alle klug und aktiv, ernstzunehmend. Eben alles was mir in Amerika
gefehlt hat, habe ich in Europa reininterpretiert." Zurück
in Europa lebt man für zwei Monate im kleinen Lochau in Vorarlberg.
Dort, wo seine Freundin herkommt. Die extreme Enge und das Konservative
verpasst ihm "einen extremen Schock", sagt er. Ein Schock,
der aber auch "ziemliche Kreativität" entfacht habe: Fast
die ganze Platte "Aura Anthropica", zumindest in der Rohfassung,
ist dort im Frühjahr vor zwei Jahren entstanden. "Ich war dort
extrem depressiv drauf, deshalb sind auch die Texte so extrem verbittert
und emotional." "Dreckschwein" aber auch "Binnenland",
in dem er sich mit der "laxen Art, die einem in die Wiege gelegt
ist" auseinandersetzt oder "Blindes Volk" sind unverblümte
Abrechnungen mit seiner Herkunft. Den Einwand, daß die Texte gelegentlich
platt klingen, manchmal zu sehr agitprop-artig daherkommen, lässt
er gelten. Heute, sagt Hans Platzgumer, würde er die Texte auch
anders machen, obwohl er sie trotzdem okay findet. Aber sie sind
ihm ein bißchen zu allgemein gehalten, zu emotional und zu wenig
analytisch. "Aber mich hat das einfach so schockiert, als wir
da nach Österreich zurückkamen und das ganze Land erstickt so in
der kompletten kleinbürgerlichen Idylle und niemandem fällt es groß
auf." Die absolute Lethargie habe ihn auch zum Haider-Stück
inspiriert. Schließlich habe er selbst noch, vor zehn Jahren in
Östrreich Anti-Haider-Festivals und -Konzerte mitorganisiert. "Und
jetzt ist Haider größer denn je, wird wahrscheinlich nächstes Jahr
Kanzler und keiner macht mehr was gegen den. Jeder hat sich daran
gewöhnt, es ist alles normalisiert worden." Andererseits wollte
Platzgumer mit den Texten auch einen Gegenpunkt zur Musik setzen.
Zur Musik, die eher angenehmenes Listening ist, gut im Hintergrund
gehört werden kann und auch im Autoradio funktioniert. "Da
wollte ich dann nicht auch noch nette TripHop-Love-Texte machen
sondern eher Punkrock-Texte oder von der Punkhaltung inspirierte
Texte."
Überraschend
wenig Gitarren hört man auf dem neuen Album, von ihm, dem gerne
auch schon mal der Titel "Wundergitarrist" verpasst worden
ist. "Die Gitarre war für mich immer nur ein Ausdrucksmittel,
zur Zeit interessiert mich elektronische Musik, interessieren mich
Geräusche mehr". Obwohl er auf die wenigen Gitarrenparts, "minimal
und sehr subtil", sehr stolz sei. "Grade weil man mich
als Gitarrist kennt, wollte ich hier besondere Sounds hinbekommen,
die auch zu der Elektronik passen."
Elektronische
Musik ist für den studierten Elektroakustiker ein Genre, "wo
man im Moment komplett herumexperimentieren kann und obwohl es das
schon lange gibt, immer noch ein weites Feld." Umgekehrt sei
im Rock doch schon längst alles festgelegt und auch bereits alles
durchexperimentiert. Vor allem der Indierockbereich gebe nicht mehr
viel her. "Seit das Ganze von der Industrie komplett eingekauft
worden ist, sowieso, und der Begriff Alternativrock ist kompletter
Humbug. Seit Nirvana hat jeder Major begriffen, wie man Indiebands
einkauft, wie man sie ködert und wie man sie dann vermarktet. Wie
man die selber und das Publikum an der Nase herumführt." Im
Elektronik- und Technobereich seien dagegen im Underground eher
noch Dinge zu bewegen.
Derzeit ist
Hans Platzgumer in Hamburg gleich in mehreren Projekten aktiv: Unter
dem Namen "Der Separator" hat er unlängst eine eher Techno-orientierte
CD eingespielt, die im Mai beim Münchner Label Disko B erscheinen
wird. Immer noch besteht sein Improvisations-Duo "Platzlinger"
mit dem Berliner Drummer Peter Hollinger und mit dem schrägen Hamburger
Entertainer Rocko Schamoni tritt er zudem als "Disco Bros."
auf, was eher "etwas partymässiges" sei. Mit Schamoni,
Zitronen-Sänger Schorsch Kamerun und Albert Oehlen macht er andererseits
unter dem Namen "Euphrat und Tigris" improvisierte, freie
Lärmelektronik ohne Beats" und mit einem Hamburger DJ zusammen
widmet er sich ganz Remix-Projekten.
In Hamburg fühlt
sich der von den USA enttäuschte, von Österreich schockierte Musiker
"sehr wohl". "Die Stimmung dort ist einfach liberaler,
frischer und irgendwie ist immer etwas los." |