Raus aus den
Galerien, heim ins Wohnzimmer
Die Multimediaband
"Die Veteranen"
Am Anfang war
die Malerei. Und der Maschinenbau. Dann kam die "Wende",
und mit ihr ein neueingerichtetes Institut in Leipzig. Seither beherrschen
die Veteranen die digitale Kunst. Zusammen mit den Residents gehören
sie zur Multimedia-Avantgarde.
Von Harald Fette
"Ich habe
empfunden, daß die Malerei für mich Grenzen hat." Die Umbruchstimmung
in Leipzig kam für Tjark Ihmels gerade recht. Und KP Ludwig John
erinnert sich: "Leipzig war zu Beginn der 90er Jahre ein ganz
kreativer Platz. Neugier traf aufeinander mit technischen Möglichkeiten."
Die beiden gehören zur Gruppe Die Veteranen. Zusammen mit Stephan
Eichhorn und Michael Touma sitzen wir am Ausstellungsstand auf der
"Milia", wo ihre neueste CD-ROM an einem PC zu begutachten
ist.
Die
Scheibe "Venetian Deer" ist die zweite ROM des Quartetts.
Neben künstlerisch gestalteten Bildschirmseiten finden sich darauf
auch 42 Minuten Musik, abspielbar auf dem CD-Player der Stereoanlage.
Die Musik stammt allerdings nicht aus Leipzig, sondern aus Manchester.
Die Gruppe Stock, Hausen & Walkman - mit denen die Veteranen
am Rande eines Festivals über Kunst und neue Medien in Liverpool
Freundschaft schlossen - hat für den Sound gesorgt. Und wer noch
zusätzliches Material benötigt, findet unter der Internet-Adresse
"http://www.systhema.de/veteranen" weitere Musikclips
und Zeichnungen. Bald könnte dort auch zu sehen sein, was Fans mit
dem Material der Veteranen und mit deren Mal- und Kreativprogrammen
auf der CD-ROM geschaffen haben.
Kennengelernt
haben sich die Veteranen während des Studiums. An der Werkstatt
für elektronische Medien an der Hochschule sammeln sich Talente,
die neue Wege gehen möchten. Denn die Leipziger Hochschule steht
im Ruf, insbesondere in traditionellen Druckverfahren, in Malerei
und handwerklicher Kunst förderlich zu sein. Gleichzeitig sind die
Räume zu Beginn der 90er Jahre auch mit damals hochmoderner Computertechnik
vollgestopft worden. Leipzig hat sich damit schnell einen Namen
in punkto Modernität verschafft. "1991 war Leipzig die bestausgerüstetste
Hochschule", sagt KP Ludwig John. "Wir hatten oft Besuch
gehabt, und die sind alle hintenuntergefallen, was bei uns rumstand."
Tjark Ihmels,
der in Israel aufgewachsen ist, erinnert sich zudem an den Golf-Krieg:
"Der Computer kann benutzt werden um eine Aussage und eine
bestimmte andere Empfindung und Erlebnis von Krieg zu transportieren.
Ich habe das als Fernsehkrieg, als Computerspiel empfunden."
Er beschäftigt sich mit Computerzeichnung und Animation. Er trifft
auf Gleichgesinnte. Die Veteranen gründen sich. Unterstützend ist
für sie, wie Stephan Eichhorn bemerkt, "daß die Stadt die Möglichkeit
bietet, sich auf das zu konzentrieren, was man tut. Menschen dort
beschäftigen sich mit Sachen, die sie im Kopf haben. Die Voraussetzungen
für die Veteranen waren gut."
Ihr Erstling
(Die Veteranen) ist 1995 fertiggestellt. Die CD-ROM findet in Fachkreisen
exzellente Besprechung und wird mit Preisen wie dem "Emma Ward"
ausgezeichnet. Mit "Venetian Deer" gehen sie über das
Konzept der CD-ROM hinaus. Sie versuchen mittlerweile als kreative
Gruppe verschiedene Medien zu bedienen. Sie haben genug Material
gesammelt, um eine etwa 80minütige Bühnenshow durchzustehen. Ihr
Material kann losgelöst von der visuellen Kunst im Radio gespielt
werden. Für`s Fernsehen können sie aus der ROM Videoclips auskoppeln.
Und schließlich finden sie mit ihrer Kunst den Weg zum Rezipienten,
wie er "nicht auf die Galerie institutionsbasiert" ist,
sondern mittels PC und Internet "für die private Umgebung"
zu haben ist.
"Wir haben
den Begriff der Multimediaband geprägt. Dabei muß zum Ausdruck kommen:
Es gibt nicht mehr die individuelle Arbeit, von der wir alle kommen.
Wir haben über die Jahre festgestellt, daß Teamarbeit ein ganz wesentlicher
Bestandteil geworden ist. Das ist das eine, dieser Gruppenteamcharakter.
Dann wollen wir nicht, daß unsere Arbeit ein Video ist, das still
in einer Galerie vor sich hinläuft, sondern daß es Verwendung wie
Musik-CDs findet, also raus aus Galerieumfeld und in die Wohnzimmer-
oder private Atmosphäre. Da ist Multimediaband noch eine hilflose
Umschreibung, aber es ist immerhin unser Ansinnen, in diese Richtung
wollen wir uns verstanden wissen."
Werke:
Die Veteranen.
Systhema Verlag München, 1995
Venetian Deer.
Click! Create! Communicate! Systhema Verlag München, 1997, Preis:
49 Mark
Online: Die
Veteranen Homepage |