Jenseits von
Folkrock
Der Songwriter
Pat Thomas kämpft mit "Valium" gegen sein Image an
Songwriter,
Musiker und Labelgründer. 1993 stellte Pat Thomas für die deutsche
Musikzeitschrift "SPEX" den Neo-Folk-Sampler "Hit
me with a flower" zusammen. Inzwischen will er vom Folk nichts
mehr hören und Zuschreibungen wie "King of Neo-Folk" nerven
ihn. LEESON traf Pat Thomas in seiner Heimatstadt San Francisco.
Von
Thomas Bohnet
"Um ehrlich
zu sein, das ganze Folkrockding hat mich doch zusehends gelangweilt",
erzählt Pat Thomas, der mir in einem kleinen Café in San Franciscos
Bush Street, am Rande Chinatowns, gegenübersitzt. Vor vier Jahren
hat der einstige Gründer des Heyday-Labels noch für die deutsche
Musikzeitschrift SPEX das San Francisco-Album "Hit me with
a flower" zusammengestellt: Neo-Folk, Folkrock oder Soft Core
von Bands und MusikerInnen wie Penelope Houston, Sonya Hunter, X-tal,
Swell, den Bedlam Rovers galten damals als hip, waren sozusagen
die Alternative zum "offiziellen" Alternative-Rock sprich
Grunge & Co., der längst zum Stadion-Kommerz-Rock mutiert war.
Inzwischen spricht kaum jemand mehr von Soft Core oder Neo-Folk.
Penelope Houston und die Walkabouts haben sich zwar ihr Publikum
erobert, doch der Rest der Singer/Songwriter führt eher ein Schattendasein.
Der Zeitgeist, der auch vor den Undergroundmoden nicht halt macht,
ist weitergezogen. Hin zum Lo-fi-Pop, Brit-Pop und später zum Post-Rock.
Auch Pat Thomas
hat sich vom Folkrock gelöst. Längst. Denn schon das 95er Album
"Fresh" hat nicht mehr viel mit Folkrock zu tun. Was jedoch
vor allem die deutschen Veranstalter und Journalisten, so Pat, nicht
davon abhält, immer noch vom "King of Folkrock" zu sprechen.
"Das nervt", sagt er. Weshalb sich Pat schlauerweise auch
einen Stempel mit dem Aufruck "Not Folk Rock" hat anfertigen
lassen. Der prangt zum Beispiel auf dem Infoblatt zu seiner letzten
Mail-order-CD "Steal this riff". "Auf die Idee haben
mich meine Freunde von "Fuck" gebracht", erzählt
Pat. "Viele Leute denken, eine Band mit diesem Namen müsste
Hardcore machen. Nun spielen "Fuck" aber alles andere
als Hardcore, also haben sie sich einen Stempel machen lassen: Not
Hardcore."
Mit der neuen
Platte "Valium" segelt Pat Thomas weiter auf Abgrenzungskurs.
"Das Konzept war in etwa: Mach was anderes und erforsche deine
andere Seite neben Bob Dylan, Richard Thompson & Co", erzählt
Pat. Er habe in der letzten Zeit viel Soft Machine gehört, 70s Miles
Davis, King Crimson, den Bowie der "Heroes"- und "Low"-Zeit,
aber auch Can und Faust. - "Prog-Rock", so Pat, habe er
schon vor fast zwanzig Jahren gehört, als er fünfzehn war. "Ich
gehe jetzt wieder dorthin zurück.
Seventies-Rock,
Krautrock, Art-Rock - auf dem neuen Album finden wir aber auch Stücke,
die an den Post-Rock der Tortoise erinnern. Das Instrumental "Let`s
talk about sex" etwa. "Ja definitiv", sagt Pat, "wobei
manche Leute sagen, das klänge nach Stereolab. Für mich klingt das
Stück ein bißchen wie Miles Davis trifft Can."
Instrumentals
interessieren Pat Thomas besonders. Bei der anstehenden Livetour
im Herbst soll es neben dem "normalen Set" auch einen
einstündigen Set mit Instrumentalmusik geben.
Textlich sind
die Songs stark von Pats Sarkasmus geprägt, wobei er betont, daß
die Love-And-Hate-Songs vor der Trennung von seiner Frau enstanden
sind. "Zwei Tage bevor es an die Aufnahmen zum Album ging,
hat mich meine Frau Katherine nach sechs Jahren verlassen",
erzählt Pat. "Witzigerweise sind aber Stücke wie "You
treat me like dirt" vorher entstanden. Während ein Song wie
das schöne "I got no vices" sarkastisch ist, kommt "My
mother should know" als Fun-Song daher. Ungewohnte Töne auf
"Mass Media" und "Revolution", sind das doch
fast schon politische Songs. "Diese Stücke habe ich geschrieben
als ich 16 war", erzählt Pat. "Die waren auf einer Cassette
und hatte ich schon fast vergessen. Interessanterweise sind also
mit die ersten Songs, die ich geschrieben habe, politische Songs.
Heute schreibe ich ja keine politischen Songs mehr. "Slacker
generation" ist eine böse Replik auf eben jene. "An dem
Stück scheiden sich die Geister", sagt Pat. "Viele Leute,
zum Beispiel meine Plattenfirma mögen das Stück nicht". Warum,
zu offensiver Text? "Wahrscheinlich. Ich meine, was ich sagen
will: Ich war kein Fan von Kurt Cobain. Ich war schon immer gegen
dieses ganze Grunge-Heroin-Ding. Ich meine, diese Leute sind ein
Haufen Looser." - "Don`t touch me I`m sick" heißt
ein Song. Hat der etwas mit dem Mudhoney-Stück "Touch me I`m
sick" zu tun? - "Das hat mich schon mal jemand gefragt",
sagt Pat, "aber ich kenne das Stück überhaupt nicht."
Sehr hippiesk klingt dagegen "You`re only as pretty as you
feel", ein alter Jefferson-Airplane-Song, den Pat neu eingespielt
hat.
Pat Thomas ist
in Europa bekannter als in den USA. "Definitiv", unterstreicht
Pat. Seine Plattenfirma, Strange Ways, sitzt in Deutschland. Die
letzten Alben seien in den USA überhaupt nicht erschienen, weil
er keine Firma finden konnte, die daran interessiert war. "Du
wirst meine Platten in dieser Stadt kaum finden", sagt er.
"Ich habe sogar aufgegeben hier in San Francisco Konzerte zu
geben. Ich spiele einmal im Jahr - in Europa." Kann er denn
von seiner Musik leben? "Nein, nicht wirklich. Okay, wenn ich
mein Haus nie verlassen und nur Reis essen würde, wäre das vielleicht
möglich". Pat lacht. Vier Tage in der Woche arbeitet er in
einem Plattenladen in Berkeley, wo er im Mailorder Sixties- und
Seventies-Reissues verschickt: "Soft Machine, Fairport Convention,
alles mögliche", erzählt Pat. "Der Job gefällt mir, weil
ich die Musik eh gerne höre. Drei Tage kann ich dann an meinen Projekten
arbeiten." |