Nr. 6 / Juli 1997

















Gästebuch


Jenseits von Folkrock

Der Songwriter Pat Thomas kämpft mit "Valium" gegen sein Image an

Songwriter, Musiker und Labelgründer. 1993 stellte Pat Thomas für die deutsche Musikzeitschrift "SPEX" den Neo-Folk-Sampler "Hit me with a flower" zusammen. Inzwischen will er vom Folk nichts mehr hören und Zuschreibungen wie "King of Neo-Folk" nerven ihn. LEESON traf Pat Thomas in seiner Heimatstadt San Francisco.

Von Thomas Bohnet

"Um ehrlich zu sein, das ganze Folkrockding hat mich doch zusehends gelangweilt", erzählt Pat Thomas, der mir in einem kleinen Café in San Franciscos Bush Street, am Rande Chinatowns, gegenübersitzt. Vor vier Jahren hat der einstige Gründer des Heyday-Labels noch für die deutsche Musikzeitschrift SPEX das San Francisco-Album "Hit me with a flower" zusammengestellt: Neo-Folk, Folkrock oder Soft Core von Bands und MusikerInnen wie Penelope Houston, Sonya Hunter, X-tal, Swell, den Bedlam Rovers galten damals als hip, waren sozusagen die Alternative zum "offiziellen" Alternative-Rock sprich Grunge & Co., der längst zum Stadion-Kommerz-Rock mutiert war.

Foto Inzwischen spricht kaum jemand mehr von Soft Core oder Neo-Folk. Penelope Houston und die Walkabouts haben sich zwar ihr Publikum erobert, doch der Rest der Singer/Songwriter führt eher ein Schattendasein. Der Zeitgeist, der auch vor den Undergroundmoden nicht halt macht, ist weitergezogen. Hin zum Lo-fi-Pop, Brit-Pop und später zum Post-Rock.

Auch Pat Thomas hat sich vom Folkrock gelöst. Längst. Denn schon das 95er Album "Fresh" hat nicht mehr viel mit Folkrock zu tun. Was jedoch vor allem die deutschen Veranstalter und Journalisten, so Pat, nicht davon abhält, immer noch vom "King of Folkrock" zu sprechen. "Das nervt", sagt er. Weshalb sich Pat schlauerweise auch einen Stempel mit dem Aufruck "Not Folk Rock" hat anfertigen lassen. Der prangt zum Beispiel auf dem Infoblatt zu seiner letzten Mail-order-CD "Steal this riff". "Auf die Idee haben mich meine Freunde von "Fuck" gebracht", erzählt Pat. "Viele Leute denken, eine Band mit diesem Namen müsste Hardcore machen. Nun spielen "Fuck" aber alles andere als Hardcore, also haben sie sich einen Stempel machen lassen: Not Hardcore."

Mit der neuen Platte "Valium" segelt Pat Thomas weiter auf Abgrenzungskurs. "Das Konzept war in etwa: Mach was anderes und erforsche deine andere Seite neben Bob Dylan, Richard Thompson & Co", erzählt Pat. Er habe in der letzten Zeit viel Soft Machine gehört, 70s Miles Davis, King Crimson, den Bowie der "Heroes"- und "Low"-Zeit, aber auch Can und Faust. - "Prog-Rock", so Pat, habe er schon vor fast zwanzig Jahren gehört, als er fünfzehn war. "Ich gehe jetzt wieder dorthin zurück.

Seventies-Rock, Krautrock, Art-Rock - auf dem neuen Album finden wir aber auch Stücke, die an den Post-Rock der Tortoise erinnern. Das Instrumental "Let`s talk about sex" etwa. "Ja definitiv", sagt Pat, "wobei manche Leute sagen, das klänge nach Stereolab. Für mich klingt das Stück ein bißchen wie Miles Davis trifft Can."

Instrumentals interessieren Pat Thomas besonders. Bei der anstehenden Livetour im Herbst soll es neben dem "normalen Set" auch einen einstündigen Set mit Instrumentalmusik geben.

Textlich sind die Songs stark von Pats Sarkasmus geprägt, wobei er betont, daß die Love-And-Hate-Songs vor der Trennung von seiner Frau enstanden sind. "Zwei Tage bevor es an die Aufnahmen zum Album ging, hat mich meine Frau Katherine nach sechs Jahren verlassen", erzählt Pat. "Witzigerweise sind aber Stücke wie "You treat me like dirt" vorher entstanden. Während ein Song wie das schöne "I got no vices" sarkastisch ist, kommt "My mother should know" als Fun-Song daher. Ungewohnte Töne auf "Mass Media" und "Revolution", sind das doch fast schon politische Songs. "Diese Stücke habe ich geschrieben als ich 16 war", erzählt Pat. "Die waren auf einer Cassette und hatte ich schon fast vergessen. Interessanterweise sind also mit die ersten Songs, die ich geschrieben habe, politische Songs. Heute schreibe ich ja keine politischen Songs mehr. "Slacker generation" ist eine böse Replik auf eben jene. "An dem Stück scheiden sich die Geister", sagt Pat. "Viele Leute, zum Beispiel meine Plattenfirma mögen das Stück nicht". Warum, zu offensiver Text? "Wahrscheinlich. Ich meine, was ich sagen will: Ich war kein Fan von Kurt Cobain. Ich war schon immer gegen dieses ganze Grunge-Heroin-Ding. Ich meine, diese Leute sind ein Haufen Looser." - "Don`t touch me I`m sick" heißt ein Song. Hat der etwas mit dem Mudhoney-Stück "Touch me I`m sick" zu tun? - "Das hat mich schon mal jemand gefragt", sagt Pat, "aber ich kenne das Stück überhaupt nicht." Sehr hippiesk klingt dagegen "You`re only as pretty as you feel", ein alter Jefferson-Airplane-Song, den Pat neu eingespielt hat.

Pat Thomas ist in Europa bekannter als in den USA. "Definitiv", unterstreicht Pat. Seine Plattenfirma, Strange Ways, sitzt in Deutschland. Die letzten Alben seien in den USA überhaupt nicht erschienen, weil er keine Firma finden konnte, die daran interessiert war. "Du wirst meine Platten in dieser Stadt kaum finden", sagt er. "Ich habe sogar aufgegeben hier in San Francisco Konzerte zu geben. Ich spiele einmal im Jahr - in Europa." Kann er denn von seiner Musik leben? "Nein, nicht wirklich. Okay, wenn ich mein Haus nie verlassen und nur Reis essen würde, wäre das vielleicht möglich". Pat lacht. Vier Tage in der Woche arbeitet er in einem Plattenladen in Berkeley, wo er im Mailorder Sixties- und Seventies-Reissues verschickt: "Soft Machine, Fairport Convention, alles mögliche", erzählt Pat. "Der Job gefällt mir, weil ich die Musik eh gerne höre. Drei Tage kann ich dann an meinen Projekten arbeiten."

Letzte Änderungen: 28.12.2001
Produziert von
Peter Pötsch