Nr. 6 / Juli 1997

















Gästebuch


Kurztips

[tb] Wenn es meinem Tamagotchi wieder einmal nicht so besonders gut geht und drei der vier "Happy"-Herzen leer sind, dann spiele ich ihm "Fütter die Katze" von Ja König Ja vor. Danach geht`s besser. Ehrlich! So beschwingt ist dieser Happy-Club-Pop mit Banjo und Cello, den Ebba Durstewitz und Jakobus Siebels sowie Stefan Barg und Marco Dreckkötter (die heißen wirklich so!) hier anrichten. Wenngleich dieser osbkure Pop, nach der "Katze" und dem wunderbaren "Rotkohl" ein wenig abbaut, empfehle ich das zweite Album (Musikproduktion Detlef Diederichsen/Indigo) der einstigen Golden-Pudel-Club-Hausband nicht nur Tamagotchi-Besitzern.

[mz] "Ladies and gentleman we are floating in space"[Pias/Rough Trade] nennen Spiritualized ihr drittes Album, das an die komponierten Pophymnen von "Pure Phase" und "Ladies guided Melodies" anknüpfen möchte, mitunter aber Gefahr läuft in einem "zuviel" an Ambition zu ertrinken. Auch hier bestimmt ein Cocktail aus Gitarren, Flöten, Streichern, Trompeten und Pianomelodien den Ton. Vieles ist großartig, manches belanglos, anderes gräßlich. Spiritualized bewegen sich auf diesem Album irgendwo zwischen Brian Wilson, den Beatles, Inspiral Carpets und Pink Floyd.

[tb] Aus Ulm kommen Fox Force Five, in deren Reihen auch ein LEESON-Mitarbeiter rumschrubbt (Matthias Schneider). Nach einer EP haben die Fünf nun ihr erstes Album eingespielt, das nebem dem FFF-typischen Trash-Beat die Ulmer auch von anderen Seiten zeigt. Mit "Discolina" frönt man 70s Disco, "Quando" ist ein schrammeliger Brasil-Hit (von wem ist das Original?) und auch "Ich will nicht werden was mein alter ist" kenne ich von irgendwoher, Miss Penny ist ein sexy 60s Instrumental. Produziert hat "White, middle class, suburban, heterosexual moods - and we are bored" (Buback) übrigens Ted "Goldene Zitronen" Gaier, ein Garant dafür, daß hier nichts geglättet daherkommt und manche Songs den typischen Zitronen-Nerv-Groove ("Communist Girl") haben.

(tb) Ganz so schlimm wie der Einstieg ins Album befürchten läßt, ist Stumpwhoopt (Strange Ways/Indigo) der gleichnamigen Band dann doch nicht. Der opener "Big River" klingt in all seiner Mundharmonikahaftigkeit ziemlich hausbacken und abgegriffen. Doch der Rest ist dann schon weniger erdig-ausgelutscht - abgesehen vom überflüssigen Standard "The battle of New Orleans" - und man kann sich vorstellen, weshalb die schräge Cow-Band u.a. mit Souled American, Uncle Tupelo oder den formidablen Texas-Boys der Bad Livers getourt ist. Gegenüber Genannten ist das freilich dann doch doch nur dritte Liga. Sorry.

Cover [mz] Dream City Film Club kommen aus dem Norden Londons und haben eine Vorliebe für düstere Sujets. Ihre erste Single zitierte den Titel des Vigin Prunes-Klassikers "If I die I die". Auf ihrem Debütalbum [Beggars Banquet/Rough Trade] reihen sich Stücke über die "Nacht der Nächte" mit der Textzeile "I don’t care if we die", "Pissboy", "Filth Dealer", "Porno Paradiso" oder "Situation Desperate" aneinander. Musikalisch erinnert das in seinen besten Momenten an englische Ausnahmebands wie die Tindersticks, Delicatessen oder Jack, in seinen schlechteren an Düsternis à la Bauhaus, Flesh for Lulu oder gar Marilyn Manson.

[hu] Die CD von Dunkelziffer mit dem Titel "III" ist nicht neu (Fünfundvierzig/Indigo). Aber was die einstige Kölner Formation schon 1985 eingespielt hat, verdient es gerade in diesen Zeiten wieder, verstärkt gehört zu werden. Denn was im Bereich Ambient und Psychedelic derzeit ausgeheckt wird, das haben Dunkelziffer auf ungemein rhythmische Art längst vorweggenommen.

[tb] Abgesehen von albernen Slogan-Aufdrucken auf dem Cover wie "DJ Liberation Front" - wem fällt so was ein? - oder "Fight For Your Right To Blend" ist Volumne 4 des Samplers "Free Zone" (Crammed/EfA) wieder einmal eine schöne Zusammenstellung des State-Of-The-Art jüngerer Dancefloor-Stile. Mit dabei auf diesem Doppel-CD u.a. Dimitri From Paris, Funky Porcini, Tosca (featuring Dorfmeister), aber auch weniger bekannte wie das Berliner Projekt Four Ears oder Stada aus Genf. Zusammengestellt wurde der Sampler übrigens von DJ Morpheus, der hier einen Song der amerikanischen Rockband Morphine remixt hat.

(tb)Strange-Ways-Chef Lothar Gärtner hat wieder einmal für den Sampler Bouquet Of Dreams, Vol. 3 (Strange Ways/Indigo), sein musikalisches Herz sprechen lassen. Herausgekommen ist eine sehr durchwachsene Compilation mit einigen schönen Nummern von Gun Club, Tocotronic, Hip Young Things oder We Smile, ein wenig okayem Zeug (Play the tracks of, FM Einheit, Renaissance) und teilweise unsäglichem Grufti-Schrott von Wolfsheim, aufgeblasenem Kammer-Pop (Chandeen) oder Synthie-Dreck von Zoon Politicon respektive Carlos Peron.

[tb] Neues aus dem Hause Crippled Dick Hot Wax in Schwenningen. Sideburn ist ein neues Sub-Label der umtriebigen Firma, das sich, so scheint`s, elektronischer Musik verschrieben hat. Erster output: das Album "Delirio caldo" (Sideburn/EfA) des DJs Higher Than God. Ziemlich nett und reichlich gediegen, was da zwischen Acid-Jazz und Trip Hop hin- und herpluckert.

Cover [tb] Beat und Jazz, Bossa Nova und schräger Latin aus italienischen Filmen der 60s und 70s, vorwiegend schräger B-Produktionen, bringt der Sampler "Beat at cinecittà" (Crippled Dick Hot Wax/EfA). Wie immer, wenn das Schwenninger Sleazy-Listening-Label zulangt (Gert Wilden, Vampyros Lesbos), mit umfangreichem, sehr schönem Booklet ausgestattet.

[tb] Eigentlich müssten Howe Gelb und Lisa Germano mit "Sand" die direkte Nachfolge von Nick Cave und Kylie Minogue in den oberen Chartsregionen antreten. So gänsehaut-reizend hat diesen Klassiker seit den Tagen von Lee Hazlewood/Nancy Sinatra niemand mehr gesungen. Obwohl Herr Bargeld von den Neubauten anno 84auch schon eine feine Coverversion von "Sand" unternommen hatte (findet sich auf der Maxi-Single "Yü-Gung"). Auch der Rest auf dieser Koproduktion der Band Giant Sand mit Lisa Germano, die sich OP 8 ("other project 8") nennt, ist große Klasse. Titel: "Slush" (V 2).

Cover [tb] "Money" (Yo Mama/Indigo) ist schon das zweite Album der Hamburger disjam, die sich als Live-Begleitband der Fanta 4 einen Namen gemacht haben. Was zu Beginn noch sehr gewöhnlich funky dahergroovt wird mit zunehmender Spieldauer interessanter, da man sich in Richtung neuer Elektronik, Trip Hop und so was wie Krautrock öffnet.

[tb] Von New Rose zu Blues Rose. Hab` schon gedacht, den gibt`s nicht mehr. Mit dem Best-Of-Album "Going Through Something - The Best Of 1978 - 1991" (Blue Rose/Rough Trade) meldet sich der in Paris lebende US-amerikanische Songwriter Elliot Murphy auf der Bildfläche zurück. Mit dabei sind alte Rocker wie "Continental Kinda Girl" (von "Murph the surf", 1982) bis zu schönen Balladen wie "The Loser" vom vorletzten Werk "12".

[tb] Chris Cacavas als Neil Young Jr. zu bezeichnen würde wohl etwas zu weit greifen, obwohl der sympathische Ex-Keyboarder und inzwischen zum eigenständigen Songwriter (Gitarristen und Sänger) emanzipierte Musiker durchaus in den selben Gewässern fischt, wie Herr Young, dessen Unfall beim Sandwich-schneiden verhindert, daß er dieses Jahr auf Europa-Tournee kommt. Wie Young schwankt auch Cacavas zwischen folkigen, ruhigen Balladen und exzessiverem Gitarrenkrach. Und auch die Stimme ist nicht so weit vom Quengelorgan Neil Youngs entfernt. "Anonymous" (Normal/Indigo) nennt Cacavas sein fünftes Soloalbum, das ingesamt eher ruhiger daherkommt als der Vorgänger. Altmodische Platte? Sicher, aber eine sehr sehr schöne.

[tb] Richtig netten Alternative-Pop machen Number One Cup aus Chicago auf ihrem zweiten Album "Wrecked by lions" (V 2/Rough Trade). Anscheinend hat Sänger Seth Cohen seine Mitspieler über eine Kleinanzeige gefunden, in der nach Musikern, die sich für eine Mixtur aus Sounds à la Gastr del sol, Unrest und Stereolab interessieren, gesucht wurde. Nun, so klingt das aber nicht. Eher schon wie eine Mixtur aus Pavement und der Bostoner Melody-Punk-Schule.

Letzte Änderungen: 28.12.2001
Produziert von
Peter Pötsch