"You always
start off in the dumps"
Nochmal San
Francisco: Die außergewöhnliche Band Tarnation
Wochenend und
Sonnenschein, glaubt man der Gruppe Tarnation, bestimmen das Leben
in Kalifornien. Aber hier spricht keine Surf-Band, sondern eine
eigenwillige Formation, die neue Wege geht. LEESON sprach mit der
Sängerin Paula Frazer und dem Bassisten Jamie Meagan.
Von
Harald Fette
In San Francisco
eine Band hochzubringen, ist kein Zuckerschlecken. Aber Paula Frazer,
Sängerin des Quartetts Tarnation, hatte dabei ihren Spaß. "Die
Auftrittsmöglichkeiten sind sehr begrenzt," erinnert sie sich.
"Wenn man aber einmal eine Kassette aufgenommen hat und jemanden
kennt, der jemanden kennt, der in einem Club arbeitet, dann ist
es für Bands relativ einfach, einen Auftritt zu bekommen."
Immerhin gäbe es in San Francisco für jede musikalische Stilrichtung
geeignete Clubs.
Bassist Jamie Meagan ergänzt: "Anfangs spielst du immer in
den letzten Löchern - bis man einmal einen kleinen Fankreis aufgebaut
hat". Daran arbeiten Tarnation nun schon seit fünf Jahren.
Allerdings mit wechselnder Besetzung. Die Band ist in dieser Zeit
dreimal umgebaut worden. Grund des ersten Auseinanderbrechens, so
erklärt Paula, sei das Engagement ihrer Mitmusiker in anderen Bands
gewesen, so daß für Tarnation keine Zeit mehr blieb. Die zweite
Formation ging dann im Streit auseinander: Paula wollte sich mit
ihrer Stimme nicht länger im Hintergrund halten, während die anderen
Bandmitglieder auch eigene Vorstellungen in die Musik einbringen
wollten.
Zum Glück für
Paula Frazer steht die gegenwärtige Formation auf stabilen Beinen,
denn in ihrem eigentlichen Job "gab es in letzter Zeit wenig
zu tun - die Saison war verregnet". Paula ist gelernte Archäologin
und buddelt ansonsten nach Zeugnissen der amerikanischen Ureinwohner,
der Anaszasi. Dann arbeitet Jamie Meagan, gebürtiger Ire, bei einem
PA-Verleih, Gitarrist Alex Oropeza komponiert für Computerspiele
oder arbeitet für Ambient-DJs im digitalen Mastering, während Schlagzeuger
Joe Burns für Futter sorgt - als Koch bruzzelt er in einem Café.
Doch über allem
steht für sie die Musik. Der Sound von Tarnation wird stark von
Paulas Gesang geprägt. In ihrem Heimatort mit dem klingenden Namen
Sautee Nacoochee in Georgia hat sie im Kirchenchor gesungen. Zwischen
Gospel und Country, als Sängerin von Jazzstandards und schließlich,
einmal in San Francisco gelandet, als Mitglied des East Bay-Frauenchors,
der sich auf bulgarische Gesänge eingestimmt hat, verfügt Paula
über ein einzigartiges Organ. Wenn sie in obersten Tönen mit Falsetto
singt, liegt für viele Kritiker der Vergleich zu Joan Baez nahe.
Zu Unrecht, denn Paula nutzt ihre ausdrucksstarke, reine Stimme
nicht zur weinerlichen Trillerorgie, so wie die besagte Dame der
Langeweile.
Tarnation sorgen
auch für ruhige Songs, für Balladen. Musik und Texte sind, sagt
Paula, vom Treiben in San Fransicso beeinflußt. Die Vielseitigkeit
der Stadt, die Mischung der Kulturen ist für Tarnation die Chemie,
aus der Songs gebraut werden. San "nice to live" Francisco
bietet derzeit wohl die ganze Bandbreite an musikalischen Stilrichtungen.
Von den 50ern bis in die 90er Jahre, Jazz, Rockabilly, Punk, Psychobilly,
Rave - Tarnation genießen die Vielseitigkeit, statt sich einer Richtung
mit Haut und Haaren zu verschreiben.
Gemäß ihrer
Wohnsituation kommt aber doch eine Richtung etwas stärker zum Zug.
"Wir wohnen im Mission-District" erzählt Paula Frazer,
"das stark von spanischen und mexikanischen Einflüssen geprägt
ist". Das Leben in diesem Stadtteil schlägt sich mitunter auch
in Paulas Texten nieder. Insgesamt reicht das Themenspektrum von
Liebesliedern, Geschichten aus dem Freundeskreis bis zu Landschaftsbeschreibungen
von Nordkalifornien. Und natürlich ist da immer wieder San Francisco
mit im Spiel. "Big O Motel", ein Stück das bereits auf
der 1995 erschienenen CD "Gentle Creatures" zu hören ist,
handelt von Prostitution. Paula erzählt: "In diesem Song geht
es um eine Gegend nahe Mission, wo Prostituierte auf der Straße
stehen und harte Drogen gehandelt werden. Wir schreiben keine hochpolitischen
Lieder, aber in diesem Beispiel geht es um Ökonomie, somit auch
um etwas politisches. Es geht darum, daß Frauen zu etwas gezwungen
sind, was sie sonst nicht tun würden."
San Francisco
hat auch seine Schattenseiten. Aber was überwiegt ist bei Tarnation
das relaxte San Francisco. Jamie Meagan meint, in dieser Stadt würde
jeder Schauspieler werden wollen. Auch für Jamie überwiegt in der
Erinnerung "eine Menge Sonne und gute Stimmung".
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