Station 17
Scheibe
[What’s so funny about/Indigo]
[lind] Nach über 4 Jahren ist unsere liebste Hamburger
Behinderten-WG zurück mit neuem Produkt; ihrer er-sten, naja, Dance-Platte, die massiv
mit "beats and pieces" d.h. digitalem sampling arbeitet… Die Platte heißt
"Scheibe", und strotzt von Zitaten, Witzchen und Späßen dieser Art. Nicht
zuletzt die extrem liebevolle Aufmachung des schönen Booklets ist zu loben als auch die
netten Liner-Notes von Kristof Schreuf (man merkt einmal wieder richtig, was wir an diesem
Mann haben, wenn er nicht gerade sein Maul aufmacht zum Singen). - Vor Jahren einmal im
Vorprogramm der "Station" aufgetreten zu sein, war sicher einer der Höhepunkte
meiner eher bescheidenen Musikanten-Karriere: Die improvisatorischen Energien dieser Band,
ihr ironisches und doch ernsthaft-selbstsicheres Auftreten verbunden mit dem sicheren
Bewußtsein ganz weit draußen zu sein, teilt sie mit ganz wenigen, vielleicht mit dem Sun
Ra Arkestra, wennschon. Leider gelingt es der Band auf Ihren Platten selten, diesen Moment
einzufangen, was – schade aber toll – auch auf "Scheibe" zutreffend
ist: Sind sie live definitiv CAN (beliebter Vergleich, der auch im aktuellen Pressehandout
wieder auftaucht - immerhin war Holger Czukay ein gefragter Mitspieler auf früheren
Alben) sind sie auf Konserve allerhöchstens TRAFFIC (um mal eine CAN personell verwandte
Band zu zitieren), was aber gleichzeitig auch schon viel ist. Grandios der Text des
Openers "1mal denken", der Diskurspop hin oder her, auch jetzt schon zu den
Songs des Jahres gehört. "1mal denken" rezitiert die erst mal 17-jährige
Heimbewohnerin Birgit Hohnen mit einer so kalkuliert wirkenden Mi-schung aus Wahn, Sinn
und Reflektion, die wirklich nachdenklich werden läßt, warum man heute (noch immer!)
solche Menschen als "behindert" bezeichnet. Ein Hoch auf die rockende
Stationären und ihre "Fehlerpfleger" – hoffentlich demnächst auch in
einem Club in Ihrer Nähe! |