Nr. 8 / Juni 1998

















Gästebuch


Juan Garcia Esquivel –
Musik für die Junggesellenbude im Raumfahrtzeitalter

Von Christian Gasser

esquival.gif (17619 Byte)In den fünfziger Jahren schuf der mexikanische Bandleader, Komponist und Arrangeur Juan Garcia Esquivel die komplexesten Arrangements diesseits der Milchstraße. Die Kritiker feierten ihn als Pop-Avantgardisten, doch das Publikum nahm ihn nicht ernst. Erst heute hat der alte Meister Jünger gefunden, die in seine Fußstapfen treten wollen. Kein Wunder: Seine futuristischen Phantasien klingen heute noch so frisch, witzig, ungewöhnlich, verblüffend – und letztlich unnachahmlich – wie vor 35 Jahren.

Er sei glücklich, sehr glücklich, betont Juan Garcia Esquivel. Nach jahrzehntelanger Vergessenheit erscheint seine Musik neu auf CDs, junge Pop-Musiker wie die Pioniere der neuen Easy-Listening-Welle Combustible Edison aus den USA oder die Isländerin Björk verehren und zitieren ihn, den bald 80jährigen, Quentin Tarantino verwendete zwei seiner Aufnahmen im Episodenfilm „Four Rooms", und auch im Soundtrack von Wayne Wang und Paul Austers „Blue In The Face" erklangen seine Arrangements.

„Das kommt so überraschend", Esquivel schüttelt staunend den Kopf, „und besonders freut mich, daß die jungen Menschen den Eindruck haben, brandneue Musik zu entdecken, Musik für die Zukunft."

Kein Wunder – die Aufnahmen sind zwar zwischen 30 und 40 Jahre alt, doch klingen sie auch heute verblüffend schräg und originell: Ganze Meuten munterer Mars-Mutanten scheinen da auf Weltraum-Tamtams zu hauen, Slidegitarren rutschen achterbahnmäßig die Ton- leitern rauf und runter, während im linken Lautsprecher unvermittelt Bläser reinschmettern und rechts ein Chor „Pow! Pow!" poltert oder die Spannung mit süßen „sususuus" oder zartbitteren „rareriis" auflöst. Alle paar Se-kunden geschieht das Unerwartete, Rhythmen werden virtuos gebrochen, unidentifizierbare Geräusche schwirren schwerelos in weiten Echoräumen herum, und der Zuhörer wähnt sich mal in einem Trickfilm, dann in einer Space-Oper oder in einem Fernsehdschungel, um schließlich, wenn Esquivel einen wunderbar perlenden Pianolauf in seinen bizarren Klangkosmos zaubert, im Nachtleben von Las Vegas einzutauchen.

Die fünf Lieben des Juan Garcia Esquivel

Juan Garcia Esquivel lebt zurückgezogen im Haus seines Bruders Sergio in der Nähe von Cuernavaca, eine Stunde südlich von Mexico City. Alt sieht er aus und gebrechlich, und seit er sich vor vier Jahren die Hüfte brach, kann er nicht mehr gehen. Sein Händedruck aber ist kräftig, und in seinen lebhaften Augen erkennt man den Esquivel von den Plattenumschlägen wieder: Ein selbstbewußter Lateinamerikaner mit dicker Hornbrille und charmantem Lächeln.

platte1.gif (13291 Byte)Daß er das Haus kaum je verlassen kann, bedrückt ihn. „Manchmal", gibt er zu, und sein Blick schweift zum Swimming Pool vor seinem Fenster, „langweile ich mich ganz fürchterlich." Dafür hat er die Muße, neue Ideen zu sammeln und in den Erinnerungen an die goldenen Jahre seines Ruhms zu schwelgen. „Ich liebe Frauen, ich liebe Geld, ich liebe Musik, ich liebe Autos, ich liebe Anzüge", ist der Lieblingsausspruch des stilbewußten Señors, „aber nicht unbedingt in dieser Reihenfolge." Er ist immer das Auto des Jahres gefahren, hat viel Geld für Anzüge ausgegeben und hat eine Gehweise entwickelt, bei der die Oberseite seiner Schuhe nicht knickte. Er war vier Mal verheiratet, und seine Ehen, beteuert er, scheiterten an der Eifersucht seiner Gattinnen. „Ein kluger Mann", erklärt er, „sagte einmal, ein Musiker sei immer mit der Musik verheiratet, und die Frau könne nur seine Geliebte sein."

"Nennt mich einfach Maestro!"

Esquivel kam 1918 in der Küstenstadt Támpico zur Welt. Als er sechsjährig war, lernte er autodidaktisch das Klavierspiel. Ein paar Jahre später, seine Familie war unterdessen nach Mexico City gezogen, lungerte er in der Eingangshalle des Radiosenders XEW herum. Eines Tages sprach ihn der Besitzer an. Wer er sei, was er hier wolle. "Meine Hände auf einen ihrer wundervollen Konzertflügel legen", erwiderte der kleine Juan. Als eines Tages ein Pianist nicht erschien, fragte ihn der Radioboss, ob er einspringen wolle. "Natürlich! – So spielte ich ein paar Lieder, alle waren begeistert, und ich erhielt eine Gage von zwei Pesos und 17 Centavos. Das reichte für ein Sandwich, eine Limonade und die Taxifahrt nach Hause. Ich fühlte mich wie im Paradies."

Mit 14 war er Solo-Pianist im Radio, mit 18 gründete er seine erste Band. „Ich war noch ein Kind, und die Musiker wußten nicht, ob sie mich mit Juan oder Señor Esquivel anreden sollten. ´Nennt mich einfach Maestro!´ empfahl ich ihnen." 1940 bat ihn Panseco, der berühmteste Komiker Mexikos, seine tägliche Radioshow zu vertonen. „´Panseco´, erwiderte ich, ´das ist eine große Ehre, aber leider habe ich keine Zeit zum Komponieren.´ – ´Ausgezeichnet´, entgegnete er, ´denn ich habe keine Zeit, meine Sketche zu schreiben! Sie entstehen sehr spontan; Du mußt mir einfach gut zuhören und auf der Stelle die passende Musik dazu komponieren.´"

Esquivel konnte dieser Herausforderung nicht widerstehen und willigte in die ungewöhnliche Zusammenarbeit ein. Morgens beschrieb Panseco ihm die Szenen. „Er liebte es, mich mit merkwürdigen Wünschen auf die Probe zu stellen – eines Tages verlangte er etwa Musik für einen traurigen Chinesen, der fröhlich durch Rußland wandert …"

Tagsüber schrieb Esquivel die gewünschten Lieder und Hintergrundmusiken und übte sie mit seinem Orchester ein, und abends begleiteten sie Pan-secos Live-Auftritte. „Das war meine Schule", sagt Esquivel rückblickend: „Tag für Tag unter diesen Be-dingungen mit einem Orchester zu arbeiten, zeigte mir genau, was in jedem Instrument steckt, und je mehr ich wußte, desto anspruchsvoller wurde ich mit meinen Musikern."

Konventionen vermochten ihn je länger je weniger zu bremsen. Auf der Suche nach dem definitiven „Sonorama", so hatte er sein bisweilen 54köpfiges Orchester getauft, schrieb Esquivel die musikalischen Regeln für seine Bedürfnisse um und experimentierte immer hemmungsloser mit Klängen, Rhythmen, Harmonien und Stilbrüchen. Als die Zusammenarbeit mit Panseco endete, erhielt er seine eigene, tägliche Radio-Live-Show, daneben trat er auch in Theatern und Konzertsälen auf, und für seine Filmsoundtracks wurde er mit vier Ariels, mexikanischen Oscars, ausgezeichnet.

platte2.gif (10383 Byte)Mars-Mutanten im amerikanischen Traum

Esquivel wurde berühmt – und blieb umstritten. „Für viele Leute war das unverständliche Mars-Musik, und ich mußte immer wieder harsche Kritik einstecken. Aber mich kümmerte das nicht, denn ich mochte meine Musik und verdiente Geld damit." Als jedoch seine mexikanische Plattenfirma einige Aufnahmen nicht veröffentlichen wollte, und sich dafür ihr amerikanischer Mutterkonzern RCA für den Audio-Alchimisten interessierte, zog Esquivel 1958 ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten und pendelte fortan zwischen Hollywood, New York und Las Vegas hin und her.

Dort sahen die Autos noch aus, wie man sich amerikanische Autos vorstellt, wie Raumschiffe, das Ozonloch gab´s nicht mal in den düstersten Science-Fiction-Alpträumen, die Kühlschränke waren voll, und die Menschen genossen ihre Zigaretten, ohne auf Nichtraucher Rücksicht nehmen zu müssen – kurz: Die Wirtschaft boomte, die Zukunft hatte begonnen, die Sterne waren in Griffnähe gerückt, und die weiße Mittelklasse amüsierte sich ohne Schuldgefühle.

Weil der Jazz zu abstrakt geworden war, um noch als Tanz- oder Hintergrundmusik für den „American Dream" zu taugen, heischte der moderne Mensch einen neuen Soundtrack für seinen Alltag. Kleine Orchester und große Bands stellten sich in den Dienst seiner Bedürfnisse und verwandelten Hits und Evergreens in entspannende Musik für alle Lebenslagen. Easy Listen-ing war geboren und bald allgegenwärtig.

Während die meisten Band-Leader sich damit begnügten, ihre Big-Band-Wurzeln für die Hi-Fi-Ära aufzurüsten und aus Easy Listening bald ein Synonym für fade Schubidudeleien machten, fiel Juan Garcia Esquivel scheinbar von einem anderen Stern in diese harmonische neue Welt der unverbindlichen Unterhaltungsmusik und wirbelte sie mit seiner verspielten Mutation von Pop, Exotica, Latin und Jazz gehörig durcheinander. Er machte zwar dasselbe wie die anderen – er leitete große Bands und interpretierte beliebte Ohrwürmer –, doch bei ihm klang alles ganz anders: "Ich wollte neue Sounds schaffen, Klänge, die noch nie jemand gehört hatte."

Extravagante Puppen im Studio

Die Stereophonie stand noch in ihren Kinderschuhen, und sofort machte sich Esquivel daran, ihr Spektrum zu erweitern, indem er für jedes seiner Arrangements zwei Partituren schrieb – eine für den linken, die an-dere für den rechten Kanal. Damit nicht genug: Als einer der ersten Musiker überhaupt spielte er mit dem Studio selber wie mit einem Instrument. Für die Aufnahmen seines ersten amerikanischen Albums „Other Worlds, Other Sounds" behing der detailbesessene Perfektionist die eine Studiowand mit Vorhängen, „und dort stellte ich die Instrumente auf, deren Klang gedämpft sein sollte. Einen anderen Teil des Studios bedeckte ich mit Spiegeln und Glas, um den Hall und die Brillanz anderer Instrumente zu schärfen. Ein drit-ter Teil war ganz offen, weil auch die Witterung den Sound stark beeinflusst: Trockenes Wetter macht den Sound knackig, feuchtes hingegen dumpf."

platte3.gif (9946 Byte)Noch extravaganter fielen die Aufnahmen zu seinem 62ger Album „Latin-Esque", dem wildesten Stereo-Abenteuer seiner Zeit, aus: „Ich verteilte das Orchester auf drei verschiedene Studios in verschiedenen Gebäuden. Die Musiker wurden mit Kopfhörern miteinander verbunden, und mich sahen sie auf Bildschirmen."

Berühmt wurde Esquivel weniger durch sei-ne Eigenkompositionen als durch seine Arrangements, und ganz bewußt wagte er sich mit Vorliebe an möglichst populäre Songs wie „La Paloma", „Harlem Nocturne", „Third Man Theme" oder „Boulevard Of Broken Dreams". "Das Publikum", begründet er sein Repertoire, „kann die Originalität eines Arrangements nur würdigen, wenn es ein bekanntes Lied in einer ganz neuen Form hört."

Mit einer Melodie spielte er wie mit einer Puppe: „Als erstes ziehe ich sie nackt aus. Dann kleide ich sie wieder ein, allerdings mit anderen, meinen Kleidern. Und wenn ich Lust dazu habe, schiebe ich ihr noch eine Zigarre in den Mund." Ähnlich eigenwillig behandelte er seine lateinamerikanischen Wurzeln – er verleugnete sie nicht, verfremdete Mambo, Bossa Nova, Rumba und ChaChaCha aber so, daß man ihn unmöglich als Latin-Traditionalisten einordnen konnte. Mit Absicht: „Ich liebe die lateinamerikanische Musik, aber ich wollte mir kein Etikett an-heften lassen. Ich wollte international sein."

Verrücktheit in meiner Musik

platte4.gif (12407 Byte)„Space Age Bachelor Pad Music" wurden seine futu-ristischen Phantasien nachträglich genannt, Musik für die Junggesellen des Raumfahrtzeitalters also, die ihrem Damenbesuch mit ihrer modernen Hi-Fi-Anlage zu imponieren versuchten und mit Esquivel-Platten wie „Exploring New Sounds In Stereo" und „Infinity In Sound" bestens bedient waren. „Meine Plattenfirma hielt mich zwar für absolut verrückt", wieder lächelt er spitzbübisch, „doch finanzierte sie meinen Wahnsinn ohne Widerspruch, auch wenn sich meine Platten anfänglich nicht sehr gut verkauften." Die Kritiker aber liebten den smarten Soundzauberer: Er sei, feierte ihn das Magazin Variety, ein Pop-Avantgardist, der für die Pop-Musik das sei, was John Coltrane, der Vater des Freejazz, für den Jazz war. Esquivel war einmalig und unvergleichlich, und darauf ist er heute noch stolz. Deshalb wehrt sich hartnäckig gegen alle Vergleiche und Einordnungen. "Laßt mich einfach mich selber sein", bittet er, "allein in meiner Ecke." Ganz besonders stört, daß seine Musik heute, als Folge des gegenwärtigen Easy-Listening-Re-vivals, bisweilen als Easy Listening bezeichnet wird. "Das höre ich gar nicht gern," entrüstet er sich. "Meine Musik ist kein Easy Listening! Würde sie im Warenhaus oder im Lift laufen, die Leute würden ja durchdrehen!" In der Tat sind seine vielschichtig blitzenden Arrangements alles andere als leicht zu hörende Hintergrundmusik. "Ich wäre todunglücklich, wenn ich etwas spielen würde und nicht die ungeteilte Aufmerksamkeit des Publikums hätte." Da ist es dem alten Herrn wesent-lich lieber, wenn man ihn verrückt schimpft. „Das ist in Ordnung, denn", lacht er verschmitzt, „es gibt eine gewisse Verrücktheit in meiner Musik."

Jet-Set-Gaucho in Las Vegas

Zeit für die Siesta. Es ist heiß und still; die Zikaden kreischen, die Vögel sind erstummt. Der alte Señor unterbricht das Gespräch und klingelt. „Drei Krankenschwestern betreuen mich rund um die Uhr. Das ist praktisch, da ich oft mitten in der Nacht komponieren will." Ob er sich ausruhen wolle? „Nein, nein", er schüttelt den Kopf. Sein Rücken sei vom Sitzen im Rollstuhl ermüdet, und er möchte liegend weiterreden.

Die Blütezeit des Pop-Instrumental oder Space Age Pop dauerte von 1956 bis 1964. Die gesellschaftli-chen Veränderungen der sechziger Jahre machten deut-lich, daß die unbeschwerte Nachkriegsparty vorläufig unterbrochen war, und die britische Pop-Invasion machte ihrem Soundtrack den Garaus. Für ernsthafte Rock- und Pop-Fans war Easy Listening absolut uncool, und die Platten ihrer Eltern landeten in Second-Hand-Läden und auf Flohmärkten.

sinatra.gif (10625 Byte)Als Esquivel sah, daß die Ära der Big Bands sich ihrem Ende zuneigte und seine Musik zu schräg war, um kommerziell wirklich erfolgreich zu sein, stellte er 1962 eine kleine Band aus sechs Musikern und vier Sängerinnen zusammen, mit der er bis 1976 regelmässig im Stardust Hotel in Las Vegas gastierte. Zu den größten Fans des Jet-Set-Gauchos gehörten Henry Mancini und Frank Sinatra, der „keine meiner Shows verpaßte, wenn er in Las Vegas war. Und meistens kam er in Begleitung anderer Berühmtheiten, mit Ella Fitzgerald etwa, Barbra Streisand, Edgar G. Robinson oder diesem kahlen Schauspieler, wie hieß er noch? … genau, Yul Brynner. Es war eine so schöne Zeit!"

In den Siebziger Jahren begann Esquivel, für Hollywoods TV-Produktionsfirmen Songs und Hintergrundmusiken für alle möglichen Situationen und Stimmungen aufzunehmen, die in rund 200 Serien, darunter „Kojak", „Magnum" und „Dragnet", eingesetzt wurden. 1978 kehrte er nach Mexiko zurück und feierte mit dem zwei Millionen Mal verkauften Soundtrack für die Kindersendung „Burbujas" seinen größten Erfolg. Der-weil erlosch sein Stern außerhalb seiner Heimat langsam.

Das 6. Leben des Juan Garcia Esquivel

Vor ein paar Jahren begann eine neue Generation von Sammlern und Jägern, die Flohmärkte nach den Platten aus der Jugend ihrer Eltern zu durchstöbern. Anfänglich ließen sie sich in erster Linie von den kitschigen Umschlägen betören, doch mit der Zeit erkannten sie, daß allen Vorurteilen zum Trotz auch die Musik auf gewissen dieser Platten höchst reizvoll ist. So entpuppten sich in den neunziger Jahren die güldenen Klänge von damals, unter dem etwas unseligen Stilbegriff Easy Listening, als eine modische Alternative zu Techno-Beats und Rock-Gitarren: Disc-Jockeys legen in hippen Clubs verkratztes Vinyl auf, und junge Bands wie Combustible Edison und Tipsy aus den USA, die britischen Broadcast oder die japanischen Pizzicato 5 versuchen sich an der schicken Oberflächlichkeit der leichten Welle. Und Juan Garcia Esquivel wird endlich die Anerkennung als genialer Pop-Visionär zuteil.

„Man schickt mir oft Aufnahmen von Bands, die behaupten, in meine Fußstapfen treten zu wollen," Esquivel formuliert seine Kritik an den zeitgenössischen Lounge-Kombos sehr vorsichtig, denn natürlich schmeichelt ihn die Bewunderung junger Musiker, „aber ich habe noch keine gehört, die begriffen hat, worum es mir wirklich ging." Nicht um seicht plätschernde Wohlklangklischees jedenfalls, sondern um ein bunt funkelndes und bis weit ins 21. Jahrhundert sprühendes Pop-Feuerwerk.

So ein Feuerwerk möchte Esquivel noch einmal zünden – allein schon, um den Jungen zu zeigen, wie man’s macht. „Ich hoffe, man nennt mich nicht respektlos, weil ich mit Herrn Mendelssohn herumspiele." Ebenso stolz wie verschmitzt weist er auf einen Stapel Notenpapier. Er sei, seit seinem unglücklichen Sturz zu Bewegungslosigkeit verurteilt, fast verrückt geworden. Ermutigt vom neuen Erfolg seiner alten Mu-sik hat er sein Klavier herbringen lassen und will nun wie-der Musik schreiben, „solange ich ein Publikum habe." „As Time Goes By" und den „Hochzeitsmarsch" hat er bereits neu arrangiert, und auch eine Eigenkomposition, „Guacamole", benannt nach einer scharfen Avocado-Chili-Salsa, ist in Arbeit. „Entweder wird das Publikum meine neuen Arrangements lieben, oder es gibt ein Desaster", weiss er, „aber ich bin mein ganzes Leben lang Risiken eingegangen – warum soll ich das auf meine alten Tage hin ändern?"

Der Abend dämmert über Cuernavaca. Das sanfte Zirpen der Grillen hat die Zikaden abgelöst, ein leiser Windhauch kühlt die Luft ab. „Ich bin fast wie eine Katze: Ich habe fünf wunderbare Leben gelebt, und mit meinen neuen Arrangements beginne ich nun mein sechstes Leben. Ich habe nur noch einen Wunsch: Wieder gehen zu können und endlich wieder mal in den Swimming Pool zu springen." Juan Garcia Esquivels Blick schweift erneut zum Fenster. "Ich bin alt geworden, ohne es zu merken. Mein Alter ist mir völlig egal, denn ich stecke noch voller Energie und Ideen, und solange die Menschen meine Musik mögen, bin ich glücklich, sehr glücklich."

 

Juan Garcia Esquivels Musik wurde auf bisher drei Sammelalben wiederveröffentlicht: „Space Age Bachelor Pad Music“, „Music From A Sparkling Planet“ (beide Bar-None/Import), „Cabaret Mañana“ (BMG). Diverse Original-Alben wurden auch neu aufgelegt: “Infinity In Music”, “Other Worlds, Other Sounds”, “More Of Other Worlds, Other Sounds”, “Four Corners of the World”.

Letzte Änderungen: 28.12.2001
Produziert von
Peter Pötsch