Juan Garcia
Esquivel –
Musik für die Junggesellenbude im Raumfahrtzeitalter
Von
Christian Gasser
In
den fünfziger Jahren schuf der mexikanische Bandleader, Komponist
und Arrangeur Juan Garcia Esquivel die komplexesten Arrangements
diesseits der Milchstraße. Die Kritiker feierten ihn als Pop-Avantgardisten,
doch das Publikum nahm ihn nicht ernst. Erst heute hat der alte
Meister Jünger gefunden, die in seine Fußstapfen treten wollen.
Kein Wunder: Seine futuristischen Phantasien klingen heute noch
so frisch, witzig, ungewöhnlich, verblüffend – und letztlich
unnachahmlich – wie vor 35 Jahren.
Er sei glücklich,
sehr glücklich, betont Juan Garcia Esquivel. Nach jahrzehntelanger
Vergessenheit erscheint seine Musik neu auf CDs, junge Pop-Musiker
wie die Pioniere der neuen Easy-Listening-Welle Combustible Edison
aus den USA oder die Isländerin Björk verehren und zitieren ihn,
den bald 80jährigen, Quentin Tarantino verwendete zwei seiner Aufnahmen
im Episodenfilm „Four Rooms", und auch im Soundtrack von
Wayne Wang und Paul Austers „Blue In The Face" erklangen
seine Arrangements.
„Das kommt
so überraschend", Esquivel schüttelt staunend den Kopf, „und
besonders freut mich, daß die jungen Menschen den Eindruck haben,
brandneue Musik zu entdecken, Musik für die Zukunft."
Kein Wunder
– die Aufnahmen sind zwar zwischen 30 und 40 Jahre alt, doch
klingen sie auch heute verblüffend schräg und originell: Ganze Meuten
munterer Mars-Mutanten scheinen da auf Weltraum-Tamtams zu hauen,
Slidegitarren rutschen achterbahnmäßig die Ton- leitern rauf und
runter, während im linken Lautsprecher unvermittelt Bläser reinschmettern
und rechts ein Chor „Pow! Pow!" poltert oder die Spannung
mit süßen „sususuus" oder zartbitteren „rareriis"
auflöst. Alle paar Se-kunden geschieht das Unerwartete, Rhythmen
werden virtuos gebrochen, unidentifizierbare Geräusche schwirren
schwerelos in weiten Echoräumen herum, und der Zuhörer wähnt sich
mal in einem Trickfilm, dann in einer Space-Oper oder in einem Fernsehdschungel,
um schließlich, wenn Esquivel einen wunderbar perlenden Pianolauf
in seinen bizarren Klangkosmos zaubert, im Nachtleben von Las Vegas
einzutauchen.
Die fünf Lieben
des Juan Garcia Esquivel
Juan Garcia
Esquivel lebt zurückgezogen im Haus seines Bruders Sergio in der
Nähe von Cuernavaca, eine Stunde südlich von Mexico City. Alt sieht
er aus und gebrechlich, und seit er sich vor vier Jahren die Hüfte
brach, kann er nicht mehr gehen. Sein Händedruck aber ist kräftig,
und in seinen lebhaften Augen erkennt man den Esquivel von den Plattenumschlägen
wieder: Ein selbstbewußter Lateinamerikaner mit dicker Hornbrille
und charmantem Lächeln.
Daß
er das Haus kaum je verlassen kann, bedrückt ihn. „Manchmal",
gibt er zu, und sein Blick schweift zum Swimming Pool vor seinem
Fenster, „langweile ich mich ganz fürchterlich." Dafür
hat er die Muße, neue Ideen zu sammeln und in den Erinnerungen an
die goldenen Jahre seines Ruhms zu schwelgen. „Ich liebe Frauen,
ich liebe Geld, ich liebe Musik, ich liebe Autos, ich liebe Anzüge",
ist der Lieblingsausspruch des stilbewußten Señors, „aber nicht
unbedingt in dieser Reihenfolge." Er ist immer das Auto des
Jahres gefahren, hat viel Geld für Anzüge ausgegeben und hat eine
Gehweise entwickelt, bei der die Oberseite seiner Schuhe nicht knickte.
Er war vier Mal verheiratet, und seine Ehen, beteuert er, scheiterten
an der Eifersucht seiner Gattinnen. „Ein kluger Mann",
erklärt er, „sagte einmal, ein Musiker sei immer mit der Musik
verheiratet, und die Frau könne nur seine Geliebte sein."
"Nennt
mich einfach Maestro!"
Esquivel kam
1918 in der Küstenstadt Támpico zur Welt. Als er sechsjährig war,
lernte er autodidaktisch das Klavierspiel. Ein paar Jahre später,
seine Familie war unterdessen nach Mexico City gezogen, lungerte
er in der Eingangshalle des Radiosenders XEW herum. Eines Tages
sprach ihn der Besitzer an. Wer er sei, was er hier wolle. "Meine
Hände auf einen ihrer wundervollen Konzertflügel legen", erwiderte
der kleine Juan. Als eines Tages ein Pianist nicht erschien, fragte
ihn der Radioboss, ob er einspringen wolle. "Natürlich! –
So spielte ich ein paar Lieder, alle waren begeistert, und ich erhielt
eine Gage von zwei Pesos und 17 Centavos. Das reichte für ein Sandwich,
eine Limonade und die Taxifahrt nach Hause. Ich fühlte mich wie
im Paradies."
Mit 14 war er
Solo-Pianist im Radio, mit 18 gründete er seine erste Band. „Ich
war noch ein Kind, und die Musiker wußten nicht, ob sie mich mit
Juan oder Señor Esquivel anreden sollten. ´Nennt mich einfach Maestro!´
empfahl ich ihnen." 1940 bat ihn Panseco, der berühmteste Komiker
Mexikos, seine tägliche Radioshow zu vertonen. „´Panseco´,
erwiderte ich, ´das ist eine große Ehre, aber leider habe ich keine
Zeit zum Komponieren.´ – ´Ausgezeichnet´, entgegnete er, ´denn
ich habe keine Zeit, meine Sketche zu schreiben! Sie entstehen sehr
spontan; Du mußt mir einfach gut zuhören und auf der Stelle die
passende Musik dazu komponieren.´"
Esquivel konnte
dieser Herausforderung nicht widerstehen und willigte in die ungewöhnliche
Zusammenarbeit ein. Morgens beschrieb Panseco ihm die Szenen. „Er
liebte es, mich mit merkwürdigen Wünschen auf die Probe zu stellen
– eines Tages verlangte er etwa Musik für einen traurigen Chinesen,
der fröhlich durch Rußland wandert …"
Tagsüber schrieb
Esquivel die gewünschten Lieder und Hintergrundmusiken und übte
sie mit seinem Orchester ein, und abends begleiteten sie Pan-secos
Live-Auftritte. „Das war meine Schule", sagt Esquivel
rückblickend: „Tag für Tag unter diesen Be-dingungen mit einem
Orchester zu arbeiten, zeigte mir genau, was in jedem Instrument
steckt, und je mehr ich wußte, desto anspruchsvoller wurde ich mit
meinen Musikern."
Konventionen
vermochten ihn je länger je weniger zu bremsen. Auf der Suche nach
dem definitiven „Sonorama", so hatte er sein bisweilen
54köpfiges Orchester getauft, schrieb Esquivel die musikalischen
Regeln für seine Bedürfnisse um und experimentierte immer hemmungsloser
mit Klängen, Rhythmen, Harmonien und Stilbrüchen. Als die Zusammenarbeit
mit Panseco endete, erhielt er seine eigene, tägliche Radio-Live-Show,
daneben trat er auch in Theatern und Konzertsälen auf, und für seine
Filmsoundtracks wurde er mit vier Ariels, mexikanischen Oscars,
ausgezeichnet.
Mars-Mutanten
im amerikanischen Traum
Esquivel wurde
berühmt – und blieb umstritten. „Für viele Leute war das
unverständliche Mars-Musik, und ich mußte immer wieder harsche Kritik
einstecken. Aber mich kümmerte das nicht, denn ich mochte meine
Musik und verdiente Geld damit." Als jedoch seine mexikanische
Plattenfirma einige Aufnahmen nicht veröffentlichen wollte, und
sich dafür ihr amerikanischer Mutterkonzern RCA für den Audio-Alchimisten
interessierte, zog Esquivel 1958 ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten
und pendelte fortan zwischen Hollywood, New York und Las Vegas hin
und her.
Dort sahen die
Autos noch aus, wie man sich amerikanische Autos vorstellt, wie
Raumschiffe, das Ozonloch gab´s nicht mal in den düstersten Science-Fiction-Alpträumen,
die Kühlschränke waren voll, und die Menschen genossen ihre Zigaretten,
ohne auf Nichtraucher Rücksicht nehmen zu müssen – kurz: Die
Wirtschaft boomte, die Zukunft hatte begonnen, die Sterne waren
in Griffnähe gerückt, und die weiße Mittelklasse amüsierte sich
ohne Schuldgefühle.
Weil der Jazz
zu abstrakt geworden war, um noch als Tanz- oder Hintergrundmusik
für den „American Dream" zu taugen, heischte der moderne
Mensch einen neuen Soundtrack für seinen Alltag. Kleine Orchester
und große Bands stellten sich in den Dienst seiner Bedürfnisse und
verwandelten Hits und Evergreens in entspannende Musik für alle
Lebenslagen. Easy Listen-ing war geboren und bald allgegenwärtig.
Während die
meisten Band-Leader sich damit begnügten, ihre Big-Band-Wurzeln
für die Hi-Fi-Ära aufzurüsten und aus Easy Listening bald ein Synonym
für fade Schubidudeleien machten, fiel Juan Garcia Esquivel scheinbar
von einem anderen Stern in diese harmonische neue Welt der unverbindlichen
Unterhaltungsmusik und wirbelte sie mit seiner verspielten Mutation
von Pop, Exotica, Latin und Jazz gehörig durcheinander. Er machte
zwar dasselbe wie die anderen – er leitete große Bands und
interpretierte beliebte Ohrwürmer –, doch bei ihm klang alles
ganz anders: "Ich wollte neue Sounds schaffen, Klänge, die
noch nie jemand gehört hatte."
Extravagante
Puppen im Studio
Die Stereophonie
stand noch in ihren Kinderschuhen, und sofort machte sich Esquivel
daran, ihr Spektrum zu erweitern, indem er für jedes seiner Arrangements
zwei Partituren schrieb – eine für den linken, die an-dere
für den rechten Kanal. Damit nicht genug: Als einer der ersten Musiker
überhaupt spielte er mit dem Studio selber wie mit einem Instrument.
Für die Aufnahmen seines ersten amerikanischen Albums „Other
Worlds, Other Sounds" behing der detailbesessene Perfektionist
die eine Studiowand mit Vorhängen, „und dort stellte ich die
Instrumente auf, deren Klang gedämpft sein sollte. Einen anderen
Teil des Studios bedeckte ich mit Spiegeln und Glas, um den Hall
und die Brillanz anderer Instrumente zu schärfen. Ein drit-ter Teil
war ganz offen, weil auch die Witterung den Sound stark beeinflusst:
Trockenes Wetter macht den Sound knackig, feuchtes hingegen dumpf."
Noch
extravaganter fielen die Aufnahmen zu seinem 62ger Album „Latin-Esque",
dem wildesten Stereo-Abenteuer seiner Zeit, aus: „Ich verteilte
das Orchester auf drei verschiedene Studios in verschiedenen Gebäuden.
Die Musiker wurden mit Kopfhörern miteinander verbunden, und mich
sahen sie auf Bildschirmen."
Berühmt wurde
Esquivel weniger durch sei-ne Eigenkompositionen als durch seine
Arrangements, und ganz bewußt wagte er sich mit Vorliebe an möglichst
populäre Songs wie „La Paloma", „Harlem Nocturne",
„Third Man Theme" oder „Boulevard Of Broken Dreams".
"Das Publikum", begründet er sein Repertoire, „kann
die Originalität eines Arrangements nur würdigen, wenn es ein bekanntes
Lied in einer ganz neuen Form hört."
Mit einer Melodie
spielte er wie mit einer Puppe: „Als erstes ziehe ich sie nackt
aus. Dann kleide ich sie wieder ein, allerdings mit anderen, meinen
Kleidern. Und wenn ich Lust dazu habe, schiebe ich ihr noch eine
Zigarre in den Mund." Ähnlich eigenwillig behandelte er seine
lateinamerikanischen Wurzeln – er verleugnete sie nicht, verfremdete
Mambo, Bossa Nova, Rumba und ChaChaCha aber so, daß man ihn unmöglich
als Latin-Traditionalisten einordnen konnte. Mit Absicht: „Ich
liebe die lateinamerikanische Musik, aber ich wollte mir kein Etikett
an-heften lassen. Ich wollte international sein."
Verrücktheit
in meiner Musik
„Space
Age Bachelor Pad Music" wurden seine futu-ristischen Phantasien
nachträglich genannt, Musik für die Junggesellen des Raumfahrtzeitalters
also, die ihrem Damenbesuch mit ihrer modernen Hi-Fi-Anlage zu imponieren
versuchten und mit Esquivel-Platten wie „Exploring New Sounds
In Stereo" und „Infinity In Sound" bestens bedient
waren. „Meine Plattenfirma hielt mich zwar für absolut verrückt",
wieder lächelt er spitzbübisch, „doch finanzierte sie meinen
Wahnsinn ohne Widerspruch, auch wenn sich meine Platten anfänglich
nicht sehr gut verkauften." Die Kritiker aber liebten den smarten
Soundzauberer: Er sei, feierte ihn das Magazin Variety, ein Pop-Avantgardist,
der für die Pop-Musik das sei, was John Coltrane, der Vater des
Freejazz, für den Jazz war. Esquivel war einmalig und unvergleichlich,
und darauf ist er heute noch stolz. Deshalb wehrt sich hartnäckig
gegen alle Vergleiche und Einordnungen. "Laßt mich einfach
mich selber sein", bittet er, "allein in meiner Ecke."
Ganz besonders stört, daß seine Musik heute, als Folge des gegenwärtigen
Easy-Listening-Re-vivals, bisweilen als Easy Listening bezeichnet
wird. "Das höre ich gar nicht gern," entrüstet er sich.
"Meine Musik ist kein Easy Listening! Würde sie im Warenhaus
oder im Lift laufen, die Leute würden ja durchdrehen!" In der
Tat sind seine vielschichtig blitzenden Arrangements alles andere
als leicht zu hörende Hintergrundmusik. "Ich wäre todunglücklich,
wenn ich etwas spielen würde und nicht die ungeteilte Aufmerksamkeit
des Publikums hätte." Da ist es dem alten Herrn wesent-lich
lieber, wenn man ihn verrückt schimpft. „Das ist in Ordnung,
denn", lacht er verschmitzt, „es gibt eine gewisse Verrücktheit
in meiner Musik."
Jet-Set-Gaucho
in Las Vegas
Zeit für die
Siesta. Es ist heiß und still; die Zikaden kreischen, die Vögel
sind erstummt. Der alte Señor unterbricht das Gespräch und klingelt.
„Drei Krankenschwestern betreuen mich rund um die Uhr. Das
ist praktisch, da ich oft mitten in der Nacht komponieren will."
Ob er sich ausruhen wolle? „Nein, nein", er schüttelt
den Kopf. Sein Rücken sei vom Sitzen im Rollstuhl ermüdet, und er
möchte liegend weiterreden.
Die Blütezeit
des Pop-Instrumental oder Space Age Pop dauerte von 1956 bis 1964.
Die gesellschaftli-chen Veränderungen der sechziger Jahre machten
deut-lich, daß die unbeschwerte Nachkriegsparty vorläufig unterbrochen
war, und die britische Pop-Invasion machte ihrem Soundtrack den
Garaus. Für ernsthafte Rock- und Pop-Fans war Easy Listening absolut
uncool, und die Platten ihrer Eltern landeten in Second-Hand-Läden
und auf Flohmärkten.
Als
Esquivel sah, daß die Ära der Big Bands sich ihrem Ende zuneigte
und seine Musik zu schräg war, um kommerziell wirklich erfolgreich
zu sein, stellte er 1962 eine kleine Band aus sechs Musikern und
vier Sängerinnen zusammen, mit der er bis 1976 regelmässig im Stardust
Hotel in Las Vegas gastierte. Zu den größten Fans des Jet-Set-Gauchos
gehörten Henry Mancini und Frank Sinatra, der „keine meiner
Shows verpaßte, wenn er in Las Vegas war. Und meistens kam er in
Begleitung anderer Berühmtheiten, mit Ella Fitzgerald etwa, Barbra
Streisand, Edgar G. Robinson oder diesem kahlen Schauspieler, wie
hieß er noch? … genau, Yul Brynner. Es war eine so schöne Zeit!"
In den Siebziger
Jahren begann Esquivel, für Hollywoods TV-Produktionsfirmen Songs
und Hintergrundmusiken für alle möglichen Situationen und Stimmungen
aufzunehmen, die in rund 200 Serien, darunter „Kojak",
„Magnum" und „Dragnet", eingesetzt wurden. 1978
kehrte er nach Mexiko zurück und feierte mit dem zwei Millionen
Mal verkauften Soundtrack für die Kindersendung „Burbujas"
seinen größten Erfolg. Der-weil erlosch sein Stern außerhalb seiner
Heimat langsam.
Das 6. Leben
des Juan Garcia Esquivel
Vor ein paar
Jahren begann eine neue Generation von Sammlern und Jägern, die
Flohmärkte nach den Platten aus der Jugend ihrer Eltern zu durchstöbern.
Anfänglich ließen sie sich in erster Linie von den kitschigen Umschlägen
betören, doch mit der Zeit erkannten sie, daß allen Vorurteilen
zum Trotz auch die Musik auf gewissen dieser Platten höchst reizvoll
ist. So entpuppten sich in den neunziger Jahren die güldenen Klänge
von damals, unter dem etwas unseligen Stilbegriff Easy Listening,
als eine modische Alternative zu Techno-Beats und Rock-Gitarren:
Disc-Jockeys legen in hippen Clubs verkratztes Vinyl auf, und junge
Bands wie Combustible Edison und Tipsy aus den USA, die britischen
Broadcast oder die japanischen Pizzicato 5 versuchen sich an der
schicken Oberflächlichkeit der leichten Welle. Und Juan Garcia Esquivel
wird endlich die Anerkennung als genialer Pop-Visionär zuteil.
„Man schickt
mir oft Aufnahmen von Bands, die behaupten, in meine Fußstapfen
treten zu wollen," Esquivel formuliert seine Kritik an den
zeitgenössischen Lounge-Kombos sehr vorsichtig, denn natürlich schmeichelt
ihn die Bewunderung junger Musiker, „aber ich habe noch keine
gehört, die begriffen hat, worum es mir wirklich ging." Nicht
um seicht plätschernde Wohlklangklischees jedenfalls, sondern um
ein bunt funkelndes und bis weit ins 21. Jahrhundert sprühendes
Pop-Feuerwerk.
So ein Feuerwerk
möchte Esquivel noch einmal zünden – allein schon, um den Jungen
zu zeigen, wie man’s macht. „Ich hoffe, man nennt mich
nicht respektlos, weil ich mit Herrn Mendelssohn herumspiele."
Ebenso stolz wie verschmitzt weist er auf einen Stapel Notenpapier.
Er sei, seit seinem unglücklichen Sturz zu Bewegungslosigkeit verurteilt,
fast verrückt geworden. Ermutigt vom neuen Erfolg seiner alten Mu-sik
hat er sein Klavier herbringen lassen und will nun wie-der Musik
schreiben, „solange ich ein Publikum habe." „As Time
Goes By" und den „Hochzeitsmarsch" hat er bereits
neu arrangiert, und auch eine Eigenkomposition, „Guacamole",
benannt nach einer scharfen Avocado-Chili-Salsa, ist in Arbeit.
„Entweder wird das Publikum meine neuen Arrangements lieben,
oder es gibt ein Desaster", weiss er, „aber ich bin mein
ganzes Leben lang Risiken eingegangen – warum soll ich das
auf meine alten Tage hin ändern?"
Der Abend dämmert
über Cuernavaca. Das sanfte Zirpen der Grillen hat die Zikaden abgelöst,
ein leiser Windhauch kühlt die Luft ab. „Ich bin fast wie eine
Katze: Ich habe fünf wunderbare Leben gelebt, und mit meinen neuen
Arrangements beginne ich nun mein sechstes Leben. Ich habe nur noch
einen Wunsch: Wieder gehen zu können und endlich wieder mal in den
Swimming Pool zu springen." Juan Garcia Esquivels Blick schweift
erneut zum Fenster. "Ich bin alt geworden, ohne es zu merken.
Mein Alter ist mir völlig egal, denn ich stecke noch voller Energie
und Ideen, und solange die Menschen meine Musik mögen, bin ich glücklich,
sehr glücklich."
Juan Garcia
Esquivels Musik wurde auf bisher drei Sammelalben wiederveröffentlicht:
„Space Age Bachelor Pad Music“, „Music From A Sparkling
Planet“ (beide Bar-None/Import), „Cabaret Mañana“
(BMG). Diverse Original-Alben wurden auch neu aufgelegt: “Infinity
In Music”, “Other Worlds, Other Sounds”, “More
Of Other Worlds, Other Sounds”, “Four Corners of the World”. |