Jenseits vom Post-Rock
Die Düsseldorfer Band Kreidler mit neuem
Album
Nach ihrem Debütalbum „Weekend" avancierte das
Düsseldorfer Quartett Kreidler zu einer der beliebtesten Bands der Post-Rock-Szene, die
auch im Ausland, vor allem in England und Japan, etliche Fans hat. Soeben ist beim
kleinen, feinen Hamburger Label Kiff SM das zweite Album „Appearance and the
park" erschienen. LEESON sprach mit Andreas Reihse und Detlef Weinrich.
Von Thomas Bohnet
Wie kommt man eigentlich auf einen solch seltsamen
Bandnamen? Hat das was mit den Mopeds zu tun?
Andreas Reihse: Ne, überhaupt nicht. Diese Geschichte ist
subjektiv einfach. Ich hatte da so ein Sweat-Shirt an, wo Kreidler draufstand. Wir
brauchten nen neuen Namen und: KREIDLER. Erst im Nachhinein kamen dann von außen so
verschiedene Zuschreibungen wegen diesem Namen in Richtung 70er Jahre Style. Irgend ein
Journalist hat mal geschrieben, das, was für Noel Gallagher (von „Oasis")
damals in seiner Jugend als Mod der Roller war, die Vespa oder was auch immer, das war so
im Deutschland der Beat-Jugend die Kreidler. Das fand ich ganz schön ausgedrückt. Also,
daß das so was jugendkulturelles kriegt und nicht so was nostalgisches. Aber es ist so,
wie bei Kraftwerk. Da denke ich eigentlich auch selten dran, was eigentlich ein Kraftwerk
ist. Das ist dann einfach so ein abstrakter Name.
Im Presseinfo steht, ihr hättet euch über
Spoken-Word-Performances getroffen. Wie kam denn die Band zustande?
Detlef Weinrich: Das war eigentlich so, daß ich
mich damals für spoken-word-Sachen interessiert habe, über HipHop auch so
afro-amerikanische Sachen entdeckt habe. Ich habe dann an der Kunstakademie so ne
Rauminstallation gemacht, was eigentlich so ein Hocker-DJ-Ding war, 1994. Darüber habe
ich Stefan Schneider kennengelernt. Parallell dazu haben sich die anderen Drei mit ihrer
Band Deux Baleines Blanche auch für spoken word interessiert. Zusammen haben wir einen
spoken-word-Abend organisiert. Ich hab anfangs auch nur aufgelegt bei den Konzerten. Nach
dem zweiten Auftritt schon war das ziemlich schnell klar, so DJ-Sachen mit Band das gibt
es schon. So vorher DJ oder nachher DJ, dann ist das so gewachsen, daß man mit loops
gearbeitet hat oder direkt von Platte so reinmgemischt hat. Das hat sich so verfeinert
über die Jahre.
Wie wichtig ist denn die Düsseldorfer Kunstakademie
für Euch und Eure Musik?
Detlef: Ich studiere da ja noch. Von daher ist das
schon wichtig. Es ist halt einfach auch so: in Düsseldorf gibt es nicht viel. Wenn`s
Parties gibt, die gut sind, dann sind sie von der Akademie aus. Man kann da auch leicht
auflegen, ziemlich viel machen.
Andreas: Weil es aber auch nicht nur auf diese
Kunstszene beschränkt ist. Da kommen auch von außen viele Leute. Wenn die hören , es
ist Akademie-Party, kommt halb Düsseldorf dahin. Ist halt einfach sehr hip und das war
halt schon immer so. Es gibt einfach sehr viele Leute, die da immer schon Musik gemacht
haben…
Der große Unterschied von dieser Platte zum Debüt
„Weekend" ist ja, daß ihr jetzt tatsächlich ein Stück mit Gesang drauf habt,
wenn man da von Gesang sprechen kann…
Detlef: Oh, vielen Dank (lacht)..
..und das ihr ja sogar mutigerweise als Single
auskoppelt. Wie kam`s dazu?
Andreas: Detlef meinte, er hätte auch mal Lust zu
singen und dann hab ich schnell nen Track gemacht und ihm gegeben: Hier kannste singen, da
habe ich ‘nen Text gemacht und Detlef hat gesungen. Fertig.
Detlef: Ja ganz so einfach war`s nicht, ich hab
mich am Anfang dagegen gewehrt, das auf Platte zu nehmen.
Andreas: Vielleicht mal auf ne Single-B-Seite,
aber nicht aufs Album. Kam halt dann so…
Detlef: Kam halt so gute Resonanz von
verläßlichen Leuten, denen wir das vorgespielt haben. Die meisten sagten, das wäre
wahnsinnig charmant....
Das hat schon Charme. Böse könnte man aber auch sagen,
an diesem Stück kann man merken, warum ihr Instrumental- Songs macht.
Detlef: Das ist jetzt aber… Gott, wenn man
überlegt, wer alles singt und nicht singen kann, also grade im deutschsprachigen Raum,
ich will jetzt keine Namen nennen… Ich meine jetzt nicht Guildo Horn, sondern die
anspruchsvolleren Sachen… naja, denke, so daneben liege ich im Timing auch nicht.
Außerdem haben wir es nochmal neu abgemischt, neu gesungen, ist jetzt ein bißchen
kraftvoller, das hat glaube ich auch gefehlt.
Andreas: War für mich auch so eine Entscheidung,
weg vom unprätentiösen, ruhig auch mal dick auftragen, ruhig auch so ne Absage an den
Postrock, Ist auch vom Text her eine klare Absage.
Hat ein bißchen was von 80er Synthie-Pop…
Andreas: Ja, das ist bei der letzten Platte auch
völlig unterschlagen worden, daß es auch bei der „Week-end", so 80er-
Einflüsse gab. Das ist nirgendwo thematisiert worden. Da war halt der Diskurs über
Post-Rock und Kraut-Rock. Da waren eigentlich superviele Sachen drin, von der Musik, mit
der wir auch aufgewachsen sind, die da rausgeflogen sind.
Detlef: Du mußt dir nur mal die Synthies
anhören, wie die klingen. Das waren bei „Weekend" genau dieselben Synthesizer,
bis auf einen. Ist einfach ‘ne ganz andere Welt, das hat auch nichts mit einem Moog
zu tun. Das hört man einfach. Ist viel kälter. Das hat mehr mit Pyrolator oder dem Plan
zu tun als….
Andreas: …oder mit Human League und Gary
Numan…
Ihr wehrt euch gegen den Begriff Postrock?
Andreas: Ne, früher habe ich gesagt, wir waren
nie Rock, also können wir auch nicht Postrock sein. Ich finde das nicht schlimm, so `ne
Kategorisierung. Ich finde das nur schlimm, wenn das zu so einer Aus-schließlichkeit
führt: Dieses Jahr bist du in dieser Schublade, nächstes ist die dann geschlossen und du
damit auch. Es gibt einfach mehr Einflüsse als Postrock. Genauso Krautrock, es gibt
Bezüge von so einer Art von Krautrock eben, was auch als Krautrock vereinnahmt wurde.
Sehr auffällig ist, daß ihr extrem gute Reviews in
England bekommt. Seid Ihr eigentlich dort schon mal aufgetreten?
Andreas: Ja, zweimal in London.
Detlef: War super, zwei wirklich tolle Auftritte.
Also so mit Tanzen und begeistert sein ohne Ende. Unglaublich. Der eine war von
„Wire", organisiert in einem größeren Laden…
Andreas: …der andere im Hope & Anchor.
Der legendäre Laden, wo 76, 77 Punk, alle gespielt haben: Stranglers, Damned, Pistols.
Mittlerweile ist das oben so ein blöder Hardrock-Pub. Unten im Keller hat jetzt Paul Cox
angefangen Sausage Machine zu machen, seit ein paar Jahren. Der macht da jetzt schrägere
Sachen.
Waren da auch Leute da?
Andreas: Es waren berühmte Leute da und es waren
auch ganz viele tolle Leute da, die man eben nicht kannte. Nette, mit denen man nachher
geredet hat.
Was heißt berühmte Leute?
Detlef: Daniel Miller, Momus…
Andreas: …Stereolab waren da, Laika und
Nicolette hat Platten aufgelegt davor.
Euer Vorteil ist ja in England, wie bei Mouse on Mars
auch, daß es da keine Sprachprobleme gibt?
Detlef: Die würden uns auch mögen, wenn wir
deutsch singen würden. Da würden die noch mehr ausflippen. – Wir waren mal im Der
kosmische Cub, so ein Krautrock-Club, Elektronik-Club, ein kultiger Laden. Dort spielen
wird übrigens jetzt auch zur Eröffnung. Too Pure und Kosmische Club haben einen neuen
Laden aufgemacht in London. Wir waren mal da und da gab`s einen Typ, der hatte ‘ne
Band, die hieß Ausgang und die hatten so deutsche Samples drin. Das war so ‘ne Art
Elektronik-Kraut-rock-Fusions-Ding mit eben deutschen Samples. Der hat mich gefragt, er
würde gerne wissen, was die da überhaupt sagt (lacht). Das ist bezeichnend. Das ist eine
bestimmte Art, an so ein Krautrock-Ding heranzugehen. Das hat sehr viel mit Style zu tun.
Also es geht auch um eine Oberfläche, die sie einfach toll finden. Es ist nicht so ernst.
Es ist nicht nur diese Wire-Deepness, diese Ernsthaftigkeit von Wire…
Andreas: Also als Popstil auch, oder so wie man so
was in sein Leben einbaut und wie das auch reinpaßt. Der Humor, der dabei ist. Das finde
ich einfach auch toll...
Detlef: Diese Samples klangen wie so, na wie so
ein Reisebericht einer Frau, die aus dem Bus heraus Heidelberg beschreibt, unglaublich.
Einmal heißt es: Dieser Rundbogen ist 800 Jahre alt. Sehr toll. Manchmal mag man das
total gern, wenn die Sachen einfach auch nur so benutzt werden. Das ist auch Style. Das
ist eben Pop.
Andreas: Ähnlich wie in Japan…
Wart ihr da auch schon?
Andreas: Ich war mit La Neu da, da hatten wir zwei
Auftritte und Detlef war mit Kunst da.
Detlef: Aber die Platte stand überall ‘rum
in jedem Laden, da gab`s sogar eigene Kreidler-Fächer. Und es gab ein Treffen mit Fans.
Das war wahnsinnig. Halt so mit: Kuck, hier ein Stadtplan von Düsseldorf. Da mußte ich
zeigen, in welcher Straße ich genau wohne. Wir mußten im Plattenladen dann auf die
Platten Unterschriften geben, alles war sehr respektvoll und wir bekamen sogar Geschenke.
Porno-Mangas ohne Ende von irgendwelchen Frauen.
Porno-Mangas?
Andreas: Porno-Comics, Hardcore, die sind sehr
explizit.
Japanische Frauen schenken euch Hardcore-Pornos?
Detlef: Ja, die war sogar noch Mormonin.
Eine Japanerin?
Detlef: Ja, und die hört, seit sie 15 ist,
Kraftwerk. Die war so um die 30. Konnte es nicht glauben. Also herz-zerreißend, also ganz
toll. Oder wenn dann Maki sagt, sie will unbedingt nach Düsseldorf zu Atatak und dann
Erdbeereis essen. Das hat mit diesem Plan-Stück zu tun: „Generäle und
Erdbeereis". Deshalb will die nach Düsseldorf zu Atatak. Und das hat sie auch
gemacht. Die ist nach Deutschland gefahren. |