Nr. 8 / Juni 1998

















Gästebuch


Jenseits vom Post-Rock

Die Düsseldorfer Band Kreidler mit neuem Album

Nach ihrem Debütalbum „Weekend" avancierte das Düsseldorfer Quartett Kreidler zu einer der beliebtesten Bands der Post-Rock-Szene, die auch im Ausland, vor allem in England und Japan, etliche Fans hat. Soeben ist beim kleinen, feinen Hamburger Label Kiff SM das zweite Album „Appearance and the park" erschienen. LEESON sprach mit Andreas Reihse und Detlef Weinrich.

Von Thomas Bohnet

Wie kommt man eigentlich auf einen solch seltsamen Bandnamen? Hat das was mit den Mopeds zu tun?

Andreas Reihse: Ne, überhaupt nicht. Diese Geschichte ist subjektiv einfach. Ich hatte da so ein Sweat-Shirt an, wo Kreidler draufstand. Wir brauchten nen neuen Namen und: KREIDLER. Erst im Nachhinein kamen dann von außen so verschiedene Zuschreibungen wegen diesem Namen in Richtung 70er Jahre Style. Irgend ein Journalist hat mal geschrieben, das, was für Noel Gallagher (von „Oasis") damals in seiner Jugend als Mod der Roller war, die Vespa oder was auch immer, das war so im Deutschland der Beat-Jugend die Kreidler. Das fand ich ganz schön ausgedrückt. Also, daß das so was jugendkulturelles kriegt und nicht so was nostalgisches. Aber es ist so, wie bei Kraftwerk. Da denke ich eigentlich auch selten dran, was eigentlich ein Kraftwerk ist. Das ist dann einfach so ein abstrakter Name.

Im Presseinfo steht, ihr hättet euch über Spoken-Word-Performances getroffen. Wie kam denn die Band zustande?

Detlef Weinrich: Das war eigentlich so, daß ich mich damals für spoken-word-Sachen interessiert habe, über HipHop auch so afro-amerikanische Sachen entdeckt habe. Ich habe dann an der Kunstakademie so ne Rauminstallation gemacht, was eigentlich so ein Hocker-DJ-Ding war, 1994. Darüber habe ich Stefan Schneider kennengelernt. Parallell dazu haben sich die anderen Drei mit ihrer Band Deux Baleines Blanche auch für spoken word interessiert. Zusammen haben wir einen spoken-word-Abend organisiert. Ich hab anfangs auch nur aufgelegt bei den Konzerten. Nach dem zweiten Auftritt schon war das ziemlich schnell klar, so DJ-Sachen mit Band das gibt es schon. So vorher DJ oder nachher DJ, dann ist das so gewachsen, daß man mit loops gearbeitet hat oder direkt von Platte so reinmgemischt hat. Das hat sich so verfeinert über die Jahre.

Wie wichtig ist denn die Düsseldorfer Kunstakademie für Euch und Eure Musik?

Detlef: Ich studiere da ja noch. Von daher ist das schon wichtig. Es ist halt einfach auch so: in Düsseldorf gibt es nicht viel. Wenn`s Parties gibt, die gut sind, dann sind sie von der Akademie aus. Man kann da auch leicht auflegen, ziemlich viel machen.

Andreas: Weil es aber auch nicht nur auf diese Kunstszene beschränkt ist. Da kommen auch von außen viele Leute. Wenn die hören , es ist Akademie-Party, kommt halb Düsseldorf dahin. Ist halt einfach sehr hip und das war halt schon immer so. Es gibt einfach sehr viele Leute, die da immer schon Musik gemacht haben…

Der große Unterschied von dieser Platte zum Debüt „Weekend" ist ja, daß ihr jetzt tatsächlich ein Stück mit Gesang drauf habt, wenn man da von Gesang sprechen kann…

Detlef: Oh, vielen Dank (lacht)..

..und das ihr ja sogar mutigerweise als Single auskoppelt. Wie kam`s dazu?

Andreas: Detlef meinte, er hätte auch mal Lust zu singen und dann hab ich schnell nen Track gemacht und ihm gegeben: Hier kannste singen, da habe ich ‘nen Text gemacht und Detlef hat gesungen. Fertig.

Detlef: Ja ganz so einfach war`s nicht, ich hab mich am Anfang dagegen gewehrt, das auf Platte zu nehmen.

Andreas: Vielleicht mal auf ne Single-B-Seite, aber nicht aufs Album. Kam halt dann so…

Detlef: Kam halt so gute Resonanz von verläßlichen Leuten, denen wir das vorgespielt haben. Die meisten sagten, das wäre wahnsinnig charmant....

Das hat schon Charme. Böse könnte man aber auch sagen, an diesem Stück kann man merken, warum ihr Instrumental- Songs macht.

Detlef: Das ist jetzt aber… Gott, wenn man überlegt, wer alles singt und nicht singen kann, also grade im deutschsprachigen Raum, ich will jetzt keine Namen nennen… Ich meine jetzt nicht Guildo Horn, sondern die anspruchsvolleren Sachen… naja, denke, so daneben liege ich im Timing auch nicht. Außerdem haben wir es nochmal neu abgemischt, neu gesungen, ist jetzt ein bißchen kraftvoller, das hat glaube ich auch gefehlt.

Andreas: War für mich auch so eine Entscheidung, weg vom unprätentiösen, ruhig auch mal dick auftragen, ruhig auch so ne Absage an den Postrock, Ist auch vom Text her eine klare Absage.

Hat ein bißchen was von 80er Synthie-Pop…

Andreas: Ja, das ist bei der letzten Platte auch völlig unterschlagen worden, daß es auch bei der „Week-end", so 80er- Einflüsse gab. Das ist nirgendwo thematisiert worden. Da war halt der Diskurs über Post-Rock und Kraut-Rock. Da waren eigentlich superviele Sachen drin, von der Musik, mit der wir auch aufgewachsen sind, die da rausgeflogen sind.

Detlef: Du mußt dir nur mal die Synthies anhören, wie die klingen. Das waren bei „Weekend" genau dieselben Synthesizer, bis auf einen. Ist einfach ‘ne ganz andere Welt, das hat auch nichts mit einem Moog zu tun. Das hört man einfach. Ist viel kälter. Das hat mehr mit Pyrolator oder dem Plan zu tun als….

Andreas: …oder mit Human League und Gary Numan…

Ihr wehrt euch gegen den Begriff Postrock?

Andreas: Ne, früher habe ich gesagt, wir waren nie Rock, also können wir auch nicht Postrock sein. Ich finde das nicht schlimm, so `ne Kategorisierung. Ich finde das nur schlimm, wenn das zu so einer Aus-schließlichkeit führt: Dieses Jahr bist du in dieser Schublade, nächstes ist die dann geschlossen und du damit auch. Es gibt einfach mehr Einflüsse als Postrock. Genauso Krautrock, es gibt Bezüge von so einer Art von Krautrock eben, was auch als Krautrock vereinnahmt wurde.

Sehr auffällig ist, daß ihr extrem gute Reviews in England bekommt. Seid Ihr eigentlich dort schon mal aufgetreten?

Andreas: Ja, zweimal in London.

Detlef: War super, zwei wirklich tolle Auftritte. Also so mit Tanzen und begeistert sein ohne Ende. Unglaublich. Der eine war von „Wire", organisiert in einem größeren Laden…

Andreas: …der andere im Hope & Anchor. Der legendäre Laden, wo 76, 77 Punk, alle gespielt haben: Stranglers, Damned, Pistols. Mittlerweile ist das oben so ein blöder Hardrock-Pub. Unten im Keller hat jetzt Paul Cox angefangen Sausage Machine zu machen, seit ein paar Jahren. Der macht da jetzt schrägere Sachen.

Waren da auch Leute da?

Andreas: Es waren berühmte Leute da und es waren auch ganz viele tolle Leute da, die man eben nicht kannte. Nette, mit denen man nachher geredet hat.

Was heißt berühmte Leute?

Detlef: Daniel Miller, Momus…

Andreas: …Stereolab waren da, Laika und Nicolette hat Platten aufgelegt davor.

Euer Vorteil ist ja in England, wie bei Mouse on Mars auch, daß es da keine Sprachprobleme gibt?

Detlef: Die würden uns auch mögen, wenn wir deutsch singen würden. Da würden die noch mehr ausflippen. – Wir waren mal im Der kosmische Cub, so ein Krautrock-Club, Elektronik-Club, ein kultiger Laden. Dort spielen wird übrigens jetzt auch zur Eröffnung. Too Pure und Kosmische Club haben einen neuen Laden aufgemacht in London. Wir waren mal da und da gab`s einen Typ, der hatte ‘ne Band, die hieß Ausgang und die hatten so deutsche Samples drin. Das war so ‘ne Art Elektronik-Kraut-rock-Fusions-Ding mit eben deutschen Samples. Der hat mich gefragt, er würde gerne wissen, was die da überhaupt sagt (lacht). Das ist bezeichnend. Das ist eine bestimmte Art, an so ein Krautrock-Ding heranzugehen. Das hat sehr viel mit Style zu tun. Also es geht auch um eine Oberfläche, die sie einfach toll finden. Es ist nicht so ernst. Es ist nicht nur diese Wire-Deepness, diese Ernsthaftigkeit von Wire…

Andreas: Also als Popstil auch, oder so wie man so was in sein Leben einbaut und wie das auch reinpaßt. Der Humor, der dabei ist. Das finde ich einfach auch toll...

Detlef: Diese Samples klangen wie so, na wie so ein Reisebericht einer Frau, die aus dem Bus heraus Heidelberg beschreibt, unglaublich. Einmal heißt es: Dieser Rundbogen ist 800 Jahre alt. Sehr toll. Manchmal mag man das total gern, wenn die Sachen einfach auch nur so benutzt werden. Das ist auch Style. Das ist eben Pop.

Andreas: Ähnlich wie in Japan…

Wart ihr da auch schon?

Andreas: Ich war mit La Neu da, da hatten wir zwei Auftritte und Detlef war mit Kunst da.

Detlef: Aber die Platte stand überall ‘rum in jedem Laden, da gab`s sogar eigene Kreidler-Fächer. Und es gab ein Treffen mit Fans. Das war wahnsinnig. Halt so mit: Kuck, hier ein Stadtplan von Düsseldorf. Da mußte ich zeigen, in welcher Straße ich genau wohne. Wir mußten im Plattenladen dann auf die Platten Unterschriften geben, alles war sehr respektvoll und wir bekamen sogar Geschenke. Porno-Mangas ohne Ende von irgendwelchen Frauen.

Porno-Mangas?

Andreas: Porno-Comics, Hardcore, die sind sehr explizit.

Japanische Frauen schenken euch Hardcore-Pornos?

Detlef: Ja, die war sogar noch Mormonin.

Eine Japanerin?

Detlef: Ja, und die hört, seit sie 15 ist, Kraftwerk. Die war so um die 30. Konnte es nicht glauben. Also herz-zerreißend, also ganz toll. Oder wenn dann Maki sagt, sie will unbedingt nach Düsseldorf zu Atatak und dann Erdbeereis essen. Das hat mit diesem Plan-Stück zu tun: „Generäle und Erdbeereis". Deshalb will die nach Düsseldorf zu Atatak. Und das hat sie auch gemacht. Die ist nach Deutschland gefahren.

Letzte Änderungen: 28.12.2001
Produziert von
Peter Pötsch