Nr. 8 / Juni 1998

















Gästebuch


Friedrich Cerha

Spiegel u.a.

[col legno Musikproduktion]

[fs] Die Zahl Sieben erfuhr nicht allein durch den gleichnamigen Film seine Renaissance; ob als sieben Todsünden, als Öffnung des siebenten Siegels (Bergman) am geheimnisvollen Buch Gottes, die den Beginn der Apokalypse erst mit Stille und dann mit Posaunen verkündet, oder einfach ein Stück "aus den sieben Tagen" (Stockhausen). Eher öffnet der Hörer wie einst Judith auf Herzog Blaubarts Burg (Bartok) die sieben geheimnisvollen Türen, die sich aber nicht unmittelbar wieder verschließen, sondern hinter denen sich verschiedene bereits erblickte Motive wechselseitig spiegeln und aufeinander verweisen. Jede Öffnung, jeder der Spiegel verweist spielerisch auf andere, frühere oder spätere Ansichten, die als in vorhergehenden Spiegelungen Angedeutetes oder Liegengebliebenes später im Prozeß wieder aufgenommen werden und sich im siebenten Spiegel als dem eigentlichen Höhepunkt dramatisch zu einem Netzwerk aus Reminiszenzen verdichten und dem Werk letztlich seine Form geben. Nebenbei bemerkt, ähnlich muß wohl auch dem Gespann Steed/Peel in "Too many christmas trees" zumute gewesen sein, als sie sich dort auf der Suche nach dem Weihnachtsmann im einem Spiegelsaal wiederfanden, dessen Reflektionen auch nur mit Mühe eindeutig lokalisierbar waren; dies zeigt aber auch, daß dies Unterfangen, auch wenn dies im Wesen des (Krimi-) Genres liegen mag, nicht aussichtlos ist. Jedenfalls ein beeindruckendes Verwirrspiel, das hier aus gutem Grund 2/3 dieses 2CD-Live-Komponistenportraits einnimmt und zweifellos lohnt.

Letzte Änderungen: 28.12.2001
Produziert von
Peter Pötsch