Comic-Tips
Das Geheimnis
der Superbiene
Er brach Frauenherzen
ebenso virtuos wie Männerkiefer und hatte auch in den verzwicktesten
Situationen das passende Bonmot auf den Lippen: Nick Knatterton,
der coolste aller deutschen Comic-Helden.
Sein Schöpfer
Manfred Schmidt hatte, so behauptet er zumindest, die Absicht, mit
seinem Privatdetektiv Nick Knatterton die amerikanischen Comics
so tief ins Lächerliche zu zerren, daß den Lesern der Spaß an dieser
"Schwachsinn-Literatur" hätte vergehen sollen. Doch hat
sich die angebliche Parodie, die ihre haarsträubenden Fälle von
1958 und 1962 in der Illustrierten "Quick" löste, zum
ersten echten Comic-Helden Deutschlands gemausert.
Knatterntons
Abenteuer sind meistens noch hanebüchener als sie aufregend sind.
Ob er Diamanten aus dem Gipsbein eines Diebs klaubt, ob er sich
mit der Mafia, in- und ausländischen Geheimdiensten oder korrupten
Wirtschaftsbossen herumschlagen muß, die auf den explodierenden
Rasierschaum und andere Geheimwaffen verrückter Wissenschaftler
scharf sind - der geübte Krimi-Fan begreift bald, daß die Plots
vor allem ein Vorwand sind für die Wortspiele, die anzüglichen Doppeldeutigkeiten
und unzähligen Seitenhiebe auf Politik, Armee und Gesellschaft,
die aus "Nick Knatterton" den Comic mit der größten Scherzdichte
pro Panel machen.
Das war Sex
& Crime so scharf und knisternd wie in den prüden fünfziger
Jahren nur möglich, und viele Kalauer sind absolut nicht über alle
Zweifel erhaben, ganz im Gegenteil. Aber - das gehört sich so und
nicht anders, und Manfred Schmidt servierte die ebenso süffigen
wie frivolen Krimis mit soviel Ironie und Humor, daß sie auch in
der neuen Gesamtausgabe, die zu seinem 85. Geburtstag erschienen
ist, köstliches Vergnügen bereiten.
Christian
Gasser
Manfred
Schmidt: "Nick Knatterton"
(Lappan
Verlag, Hardcover, 216 Seiten).
Waffenhändler
Der Neuanfang
nach dem Krieg scheint geschafft, Deutschlands Wirtschaft boomt,
und der zweite Weltkrieg ist Vergangenheit. In einem Hamburger
Nobelhotel wird Ende der fünfziger Jahre eine Hochzeit vorbereitet,
die die Prominenz aus Politik und Wirtschaft anzieht. Gleichzeitig
explodiert im Büro eines Dr. Krüger, Geschäftsführer einer Waffenexportfirma,
eine Bombe. Zwei Polizisten untersuchen das Attentat, werden jedoch
bald zurückgepfiffen - niemand will, daß die heimlichen Verbindungen
zwischen Terrorismus, Waffenhandel, Wirtschaft und trüber Vergangenheit
aufgedeckt werden.
Das tut an ihrer
Stelle Isabel Kreitz, eine der wenigen deutschen Comic-Schaffenden,
die ihr Augenmerk auf süffig und unterhaltsam erzählte und zeichnerisch
geschickt umgesetzte Geschichten legt. Die 31jährige Comic-Zeichnerin
aus Hamburg durchbricht ihren Wirtschaftswunderthriller "Waffenhändler"
mit zahlreichen Rückblenden und macht damit sichtbar, daß der Neubeginn
keinen echten Bruch mit dem Nationalsozialismus bedeutete, und daß
der Schwarzmarkt nach dem Krieg die beste Schule für den Kapitalismus
war.
Christian
Gasser
Isabel
Kreitz: "Waffenhändler"
(48
Seiten, s/w, 19.90.-)
Grelle Polit-Fiction
Der in Paris
lebende Enki Bilal ist sicherlich einer der wichtigsten Comic-Zeichner
der letzten Jahrzehnte, wobei der gebürtige Ju-goslawe inwzischen
auch durch seine Filmarbeiten, ob nun als Regisseur ("Tykho
Moon") oder als Zuarbeiter für "La vie est un roman"
von Alan Resnais, bekannt geworden ist. Schon als Twen schuf Enki
Bilal in den Siebzigern zusammen mit dem Autoren Pierre Christen
grandiose Science-Fiction-Geschichten mit deutlichem Polit-Bezug.
Ob es nun in "Die Kreuzfahrt der Vergessenen" um geheime
Militärexperimente mit der Schwerkraft ging oder im "Schlaf
der Vernunft" der spanische Bürgerkrieg Jahrzehnte später reaktiviert
wurde. Später ist dann unter dem eigenen Namen die grandiose, mehrfach
ausgezeichnete Nikopol-Trilogie erscheinen. Sechs Jahre nach seiner
letzten Comic-Arbeit, dem Ende der Trilogie ("Äquatorkälte"),
gibt`s nun endlich wieder einen "neuen Bilal". Und was
für Einen! Mit "Der Schlaf des Monsters" startet der 47jährige
einen neuen Zyklus, der auf dem Hintergrund des Bürgerkriegs im
ehemaligen Jugoslawiens wieder sehr geschickt Elemente der Phantastik
mit Politischem verbindet, die Science-Fiction-Geschichte auf das
aktuelle Zeitgeschehen zurückgreifen läßt. Der auf mehrere Bände
angelegte, großartige Comic-Roman schildert die Geschichte dreier
im Sarajewo des Bürgerkriegs geborener Kinder im unwirtlichen Jugoslawien
der Zukunft, in dem es von religiösen Fanatikern und weirden Mad
Scientists nur so wimmelt. Wie immer bei Bilal ist das virtuos gezeichnet,
zudem besticht der erste Band durch das geschickte Verflechten verschiedener
Handlungsstränge
Thomas
Bohnet
Enki
Bilal: Der Schlaf des Monsters
(Ehapa
Comic Collection, Hardcover, 70 Seiten, DM 34,80).
Kurz &
Knapp
[tb] "Der
Mondgucker" nennt der Oberhausener Comic-Zeichner Ulf Keyenburg
seine Sammlung mit hübschen, in schwarz-weiß gezeichneten, poetischen
kleinen Geschichten um eine Comic-Figur mit rundem Kopf und Kegelnase,
die mit den Tükken des Alltags zu kämpfen hat. Erschienen ist der
feine Band beim Bremer Klein-Verlag Edition Panel, dessen Chef Bert
Dahlmann auch das Comic-Musik-Magazin Panel herausgibt. Das Heft
gibt`s für schlappe 12 Mark bei: Panel, Postfach 102665, 28026 Bremen.
[tb] Auf zwei
preiswerte (9,95 Mark) Neuerscheinungen bei Jochen Enterprises in
Berlin (Möckernstr. 78, 10965 Berlin) sei hier kurz hingewiesen:
"Hunde über Berlin" heißt Band 3 der kleinen Reihe "Wondertüte",
in dem Atak den Teufel in Hundegestalt auftreten läßt. Auch der
pfiffige Car-Boy, der Junge mit dem Autokopf erlebt wieder spannende
Abenteuer in "Container 3", dem jüngsten Heft des grandiosen
schwedischen Comiczeichners, den Kollege Gasser schon in LEESON
5 ausführlich vorgestellt hat.
[cg] In "Jago"
(rororo, 29 Mark 90) verläßt Ralf König den heutigen Alltag bewegter
Männer und anderer Schwuler nicht zum ersten Mal - nach Aristophanes
"Lyssistrate" verarbeitet er nun die Stoffe des, so König,
mutmaßlich bisexuellen Shakespeare aus einer schwulen Perspektive.
Gekonnt und humorvoll verquirlt er Versatzstücke aus "Othello",
"Macbeth", "Romeo und Julia" und dem "Sommernachtstraum
zu seiner eigenen, ebenso lustigen wie blutigen Tragikomödie um
Leidenschaft, Knollennasen, giftige Elexiere und schwulem Lebensstil.
[tb] Ziemlich
seltsam und grotesk sind die Abenteuer eines buckligen Freaks in
"Amerika" (Jochen Enterprises, 24 Mark 90), dem jüngsten
Comicband von Reinhard Kleist, in dem ex-trem symbolüberfrachtete
Krähen U-Bahnzüge verspeisen und Haie für den Posten des Bürgermeisters
kandidieren. |