In Kürze
[tb] Akkordeon,
Piano, Gitarre, diverse Haushaltsgeräte, Tape-Recorder und
menschliche Stimmen – das New Yorker Duo Music Tapes
entführt auf seiner »1st Symphony For Nomad« [Merge/Cargo]
in eine bizarre Klangwelt. Stücke wie »1st Imaginary
Symphony By Vacuum Cleaner« oder »Song For The Death
Of Parents« liegen irgendwo zwischen obskurem Lo-Fi und durchgeknalltem
Frickel-Pop.
[mz] In einem
musikalischen Land wilder, fetter Beats, Soundtrackanleihen und
groovender Dance- und Soulversatzstücke wären Cuba
alias Christopher Andrews und Ashley Bates mit ihrem Album »Leap
of Faith« [4AD/Zomba] vielleicht Könige, zumindest
aber Helden eines zwischen Electronic und Bandformat pendelnden
Danceprojektes. Das mal so big-beat-lastig wie die Chemikal Brothers
klingt, nur um sich an anderer Stelle so zärtlich wie Morcheeba
in den Soul zu flüchten. Mit Kuba haben Cuba dabei wenig zu
tun, sieht man einmal davon ab, dass einer der beiden Kanadier kubanischer
Abstammung ist. »Leap of Face« – mit den Gastsängerinnen
Shara Nelson, Angie Brown und Rachel Goswell entstanden – entwickelt
seine Höhepunkte eigentlich immer ausgehend von atmosphärischen,
instrumentalen Soundtrackimpressionen, die sich dann in der Folge
immer tanzbarer gestalten. Anspieltips: »Devil’s Rock«,
»Peak Flow«.
[tb] Den großen
Hammer haben Consolidated auf ihrem neuen Album »Tikkun«
[Clearspot/EfA] daheimgelassen. Aus dem heftigen Industrial-Alles-Andere-Crossover
ist funklastiger, gemäßigter Kreuzüber geworden,
mäßig spannend nur, aber auch nicht wirklich schlecht.
[mz] Was mit
den beiden Samplern »BossaCucaNova« und »Brasil
2Mil« seinen Anfang nahm – die musikalische Reise durch
die Styles der neuen Brazilian Szene – findet nun mit »Sao
Paulo Confessions« von Suba und »Outro
lado« von Zuco 103 [beide Crammed/EFA] seine
Fortsetzung. Die schönen groovenden Bekenntnisse des in Sao
Paulo ansässigen Produzenten Suba [u. a. Marina Lima, Bebel
Gilberto, Arnaldo Antunes] geraten dabei zu einem Vermächtniswerk,
ist doch der gebürtige Jugoslawe jüngst bei einem Brand
in seinem Haus ums Leben gekommen. Grund genug noch einmal intensiver
Hinzuhören auf die Vermischung von akustischen und elektronischen
Klängen, von brasilianischen Einflüssen und modernen Elelctronic-Sounds,
die Subas Beitrag bereits zu einem Höhepunkt auf den »Brasil
2Mil«-Sampler machten. Souliger und jazziger gestaltet sich
der jüngste Output von Ziriguiboom, dem brasilianischen Unterlabel
von Crammed Disc: Zuco 103. Zuco 103, das sind der Amsterdamer Drummer
Stefan Kruger, der deutsche Keyboarder Stefan Schmid und die brasilianische
Chanteuse Lilian Vieira, die auf ihrem Debütalbum Jazz, Bossa
Nova, Funk und Drum & Bass mischen und immer dann spannend geraten,
wenn sie ihr Jazzwurzeln zum Teufel schicken und statt dessen den
Drum & Bass-Gehalt in den Vordergrund rücken.
[tb] »Downhill
City« [Clearspot/EfA] ist ein neuer deutscher Film, dessen
Soundtrack niemand Geringeres als die phänomenalen finnischen
22-Pistepirkko verbrochen haben. Kongenial gelingt es dem Trio Filmsounds
mit dem typischen Pistepirkko-Grummel-Rock-Shuffle zu kombinieren.
Gute Sache!
[fs] Minimal
techno der feinsten Art, die fast noch Ikeda überloopt. Auf
seiner Mini-CD »Pulse Beats« [Staalplaat] zelebriert
Akira Yamamichi die hochfrequenten Impulsschläge im
spannungsreichen Wechselspiel von Dauern und Tonhöhen, bis
die Frequenz durch das Wahrnehmungsintervall hindurchschießt
und sich im Nichts der Zeit verliert. Und dann wieder diese Impulse,
die an das bekannte Spurrillenknacken erinnern und aufgetürmt
zu einem durchdringlichen Beat die ganze organische Zerebralfläche
elektrisieren. Was für eine Spannung, High Voltage.
[tb]
Ex-Plan-Mitglied Moritz R hat ihn ausgegraben, die Ex-Plan-Kollegen
Fenstermacher und Pyrolator machen es mit ihrem Label AtaTak möglich,
dass die alte LP des Werbekonzeptionisten [er erfand die legendäre
Afri-Cola-Werbung], Fotografen und Designers Charles Wilp,
»Charles Wilp fotografiert Bunny« [AtaTak] erstmals
auf CD erscheint. Wir hören Lounge-Core und Sixties-TV-Serien-Musik,
Exotica und Hazlewood-Adaptionen, Barjazz und durchgeknallte Spoken-Word-Beiträge.
Hübsch!
[tb] Jahrelang
hatte der Australier Hugo Race immer ein wenig damit zu kämpfen,
dass er wie eine kleine Version seines bekanteren Landsmannes Nick
Cave geklungen hat. Spätestens seit »Valley Of Light«
[96] hat Race seinen eigenen Stil gefunden. Wobei sein dunkler,
reifer City-Blues auch wie bei Herrn Cave in die Abgründe der
menschlichen Seele eintaucht, dabei vorwiegend Liebe und Verlust
derselben thematisiert. Zuweilen erinnern die neuen Songs auf »Last
Frontier« [Glitterhouse/TIS/eastwest] aber auch an R.
L. Burnside und Tom Waits [»Ghosting In The City«].
Dass Hugo Race auch seine Jazz-Lektion gelernt hat, zeigt »Angels
Watching Over«, ein potentieller Soundtrack zur Verfilmung
eines James-Ellroy-Romans.
[mz] Eigentlich
schon immer etwas ganz Schlimmes waren die 4AD-Helden Dead Can Dance.
Um so erstaunlicher ist, dass das Dead-Can-Dance Gründungsmitglied
Brendan Perry nun mit »Eye of the hunter«
[4AD/Zomba] ein Solowerk vorgelegt hat, das man sich nicht sofort
auf den Müllberg der Musikgeschichte wünscht. »Eye
of the hunter« zeigt Perry als gereiften, melancholischen
Songwriter, der in so jemanden wie Tim Buckley, von dem er »I
must have been blind« covert, ein Vorbild und eine Inspirationsquelle
sieht. Hätte er den unvermeidlichen Hall, der auf vielen Tonspuren
Bombast schafft, beiseite gelassen, man würde das mit Gitarren,
Mandoline, Bass, Schlagzeug und vielfältigen Streicherklängen
eingespielte Album »Eye of the hunter« neben Buckley,
Walker und den anderen Großen einordnen. So bleibt bei diesem
eigentlich schönen Album ein merkwürdiger Beigeschmack.
[tb] Auch genervt
vom Swing-Revival! Wie man sich Duke Ellingtons Musik annehmen kann,
ohne die plumpe Nostalgie zu verbreiten – das zeigt das New
Yorker Projekt Ballin’ The Jack mit seinem Album »Jungle«
[Knitting Factory]. Dass der Zugang zum Swing hier ein eigener
ist, dafür bürgt alleine, dass sich in den Reihen des
Septetts u. a. Frank London, ansonsten Kopf der Neo-Klezmer-Band
The Klezmatics befindet.
[tb]
Mehr als ein Hauch Krautrocks wabert durch »Karoshi«
[City Slang/EfA], wenn das amerikanische Quartett Salaryman
»Thomas Jefferson Airplane« huldigt oder den »Strong
Holder« macht. Post-Rock, Neo-Elektronik, groovenden Elektro-Rock-Funk
und den erwähnten krautigen Rock verschmilzt die Band mit dem
japanischen Namen [Salaryman steht für Angestellte] zum spannenden
Gemisch. Eklektizistisch wie das Cover-Art-Work, das mit einem Yin-Yang-Symbol
aufwartet, in das Dollarzeichen eingearbeitet sind.
[mz] Auch wieder
mal ein Lebenszeichen gibt es von den amerikanischen Violent
Femmes. »Viva Wisconscin« [Volgato/Zomba]
nennen sie ihr Best-
of-Album, das in Form eines Livealbums daherkommt. Aufgenommen 1998
während einer Acoustic-Tour finden sich darauf die Hits der
vergangenen 18 [!] Jahre, unplugged eingespielt und kein bisschen
angestaubt. Den größten Teil nehmen dabei zurecht die
wegweisenden ersten beiden Alben auf Slash-Records ein. Stücke
wie »Hallowed Ground«, »Prove my Love« oder
auch »Blister in the sun« und »Country death song«
wirken auch heute noch so frisch wie am ersten Tag. Ende Februar
2000 soll übrigens mit »Freak Magnet« das erste
Studioalbum seit fünf Jahren in den Läden stehen; im März
gehen die Femmes auf ausgedehnte Tournee. Wir sind gespannt was
Gordan Gano, Brian Ritchie und Guy Hoffman [der Victor deLorenzo-Ersatz]
uns da servieren werden.
[tb] Hinter
Antonelli Electr. verbirgt sich der Düsseldorfer Stefan
Schwander, der seit fast 15 Jahren mit elektronischer Musik arbeitet,
u.a. beim Düsseldorfer Label Atatak [Der Plan] veröffentlicht.
Nach dem fulminanten Erstling »Peng Peng Baby« [1998]
mit seinem minimalistischem Techno-Pop, bringt »Me, The
Disco Machine« [Italic/EfA] nun einige Maxis sowie das
brandneue Werk »Automatic Music« zusammen. Schwander,
der nebenbei noch Möbel baut, gelingen feine Tracks zwischen
Neo-Disco und Techno-House, Dub, Achtziger-Synthie und Ohrwurm-Pop.
Anspieltips sind der Vocoder-Disco-Hit »I Don’t Want
Nobody Else But You« und »Bohannon«, eine Hommage
an den gleichnamigen Disco-König. Ein Album voller Hits!
[lind] »Musik aus der Dose« [Eigenvertrieb; phrox@
taktischklug.com] nennt der Ulmer Phrox sein selbstproduziertes
Debüt, das die verschiedenen Möglichkeiten aktueller Tanzflur-Mucke
intelligent durchdekliniert und sich keinesfalls ins »Elektropop«-Umfeld
der Ulmer Heimelektriker ein-und unterordnen lässt. Plattenfirmen
all around the world: Signt diesen Mann!
[tb] Früher
war Jay Denham vor allem wegen seiner harten, kickenden Techno-Tracks
bekannt. Seit der in Kalamazoo im US-Bundesstaat Michigan lebende
DJ, Poducer und Labeleigentümer [Black Nation Label] beim Münchner
Disko-B-Label veröffentlicht geht’s in Richtung harten
Techno-Funk und Techno-Soul. So auch auf der »Synthesized
Society« [Disko B/EfA], dem Nachfolgealbum seines 98er-Werkes
»Escape To The Black Planet« wo der 34jährige auch
erstmals mit vocals arbeitet und mit Tracks begeistert, die rocken
und nicht nur im Club sondern auch im heimischen Player gute Dienste
leisten sollten.
[fs] Was passiert,
wenn man 12 Drucker per Anleitung kommunizieren lässt? Banale
Büro-Technologie erwacht zum Leben und entwickelt ungewohnt
rhythmische Performance-Atmosphäre, wie Penderecki schon 1962
[»Fluorescences«] wusste, als er mit einem Drucker seine
Obertongewächse kolorierte. »The User« [Staalplaat]
bietet neben einer charmanten kleinen »symphonie #1 for dot
matrix printers« hierzu ein paar ASCII-Text-files zum Testen
und Remixen. Keine Scheu, »The User« wartet auf Eure
»new text files and/or sound recordings« at www.sat.qc.ca/the_user/
oder kontaktet per mail an: theuser@sat.qc.ca
[tb] Mit seiner
[immer noch existierenden?] Band Mutter macht Max Müller
eher heftige Musik. Solo hören wir da ganz andere Klänge
vom gebürtigen Wolfsburger. Das sind dann manchmal fast schon
Popsongs, was wir auf »Endlich tot« [What’s
So Funny About/EfA], seinem zweiten Soloalbum hören. Wenn da
nicht die, mal sperrigen, mal lustigen Instrumentals und Hörspielartiges
wie »Das Vermächtnis« wären. Max Müller
singt und greint von der Liebe, leidet an der Welt. Viele Stücke
lassenen einen aber auch etwas ratlos zurück.
[mz] Lange ist
es her, dass Frederick Barthelme, Steve Cunningham und Mayo Thomson
sich kompositorischen Experimenten à la »The Parable
of Arable Land« oder »Coconut Hotel« hingaben.
»Hazel«, das letzte Lebenszeichen von Red Krayola
aus dem Jahre 1996 featurte u.a. John McEntire, David Grubbs und
Jim O’Rourke und war regelrecht entspannt poppig. Härtere
Kost versteckt sich hinter »Fingerpainting« [Drag
City/Cargo], dem jüngsten Red Krayola-Output, das sich unveröffentlichten
Songs aus dem Jahre 1966 – und damit Red Crayola – zuwendet
und diese ausgehend von den 90igern neu interpretiert und elektronisch
anreichert.
[tb] Aus Boston kommt die Songwriterin mit dem schönen Namen
Merrie Amsterburg. Ganz hübsch sind die Songs auf ihrem
Debütalbum »Season Of Rain« [Zoe Records/EfA].
Mal sanft folky, mal etwas rockiger. Die Coverversion von »Walking
On The Moon« [Police] hätt’s für meinen Geschmack
freilich nicht gebraucht.
[tb] Wie bei
Stereolab scheint auch bei den befreundeten High Llamas,
dem Projekt von Sean O’Hagan zur Zeit ein wenig die Luft raus
zu sein. Natürlich hören wir auch auf »Snowbug«
[V 2/Zomba] wieder diese luftigen Popsongs zwischen Bacharach und
Brian Wilson, brasilianischen Klängen, französischem Pop
und Brit-Pop. Richtig spannend ist das im Moment leider nicht mehr.
[mz] Eine faszinierende
Hör-Reise in die für europäische Augen und Ohren
fremde Welt des Himalaya hat der französische Soundtrackkomponist
Bruno Coulais mit seiner Arbeit »Himalaya –
The Rearing of a chief« [Virgin] entworfen. Der gleichnamige
Film von Eric Valli startete am 23.12.99 in den deutschen Kinos.
Coulais gelingt es westliche Instrumente und Klänge mit einem
Stück tibetischen Lebens in Einklang zu bringen, orchestral
[Bulgarian Symphony Orchester] und zugleich doch kammermusikalisch
schlicht, Klänge und Songs zu entwerfen, die von tibetanischen
Künstlern wie Tsering Lodoe, Tensing-Phüntsock Tsalung
oder Lama Gyurme zum Leben erweckt werden.
[tb] Wenn die
Belgierin Elisabeth Esselink nicht als Solex Musik macht,
führt sie zusammen mit ihrem Freund in Amsterdam einen Second-Hand-Plattenladen.
»Pick Up« [Matador/Zomba] heißt das zweite
Album von Solex, wo sie wie schon auf dem gefeierten Debüt
»Solex vs. The Hitmeister« ziemlich durchgeknallte Popsongs
spielt.
[tb] Die neue
CD der Münchner Merricks, »Escape From Planet
Munich« [Sub Up/EfA] ist schon etwas länger draußen.
Weil das Album mit seinen Sounds zwischen Neo-Disco, Glam-Pop, perkussivem
Rock ohne Gitarren und Pop zu schön ist, sei hier noch einmal
kurz darauf hingewiesen. Leider ist die Merricks-Tour schon herum,
wenn dieses LEESON erscheint. Live sind die Münchner inzwischen
supergut geworden!
[tb] Der in
München lebende Österreicher Hans Platzgumer ist immer
für eine Überraschung gut. Nachdem er einst Kopf der Alternative-Rock-Band
HP Zinker war, kennt man ihn seither als Mitglied der Goldenen Zitronen
und als Electro-Wizzard mit Aura Anthropica, Seperator oder Fingerfood.
Beim neuesten Projekt arbeitet er nun mit dem in München ansässigen
japanischen Sänger CaMi Tokujiro zusammen. Das erste Album
des Duos mit dem blumigen Namen Shinto [Der göttliche
Weg] heißt »Liberal Bullshit« [Disko B/EfA]
und bringt eine feine Syntheses aus diversen elektronischen Dance-Stilen
und Pop mit japanischen Texten.
[tb]
Mental Blox ist das Projekt des Kaliforniers Matt Haines,
der u.a. als Remixer von Deejay Punk Rocs »Buster Speaker«
aufgefallen ist. Auf seinem ersten Album »First On The
Blox« [Airdog Recordings] zeigt Mental Blox was eine Electro-Harke
ist. Gutes Album!
[tb] Dass beim
englischen Songwriter Billy Bragg oft auch die B-Seiten besser
sind als die A-Songs vieler bekannter Kollegen, belegt die Compilation
»Reaching To The Converted« [Cooking Vinyl],
auf der allerdings auch einige rare A-Seiten sind. Demnächst
soll übrigens eine zweite Coproduktion mit den amerikanischen
Wilco erscheinen, auf der wieder Woody-Guthrie-Songs gecovert werden.
Wir sind gespannt!
[tb] Die norddeutsche
Spaßguerilla aus dem Hause Plattenmeister tobt auf
dem Sampler »Medikamentendose« [Plattenmeister/Indigo].
Blödel-Pop und Spaß-Rap, Pseudo-NDW und Dancefloor wie
er auch sein kann. Ob Fischmob mit einer Schlumpf-Version von »Bullenschweine«
oder Bio Bonsai, Kirmes, Ifa Wartburg oder Adolf Noise – eine
ganz lustige Angelegenheit. Richtig klasse: Station 17 und DJ Koze
mit »Lila Pause« – ist auch auf dem neuen Station-17-Album
[siehe Extra-Kritik] zu finden.
[tb] Papa
M ist eine Inkarnation des »Post-Rockers« David
Pajo alias Aerial M, der auf »Live From A Shark Cage«
[Domino/Zomba] seine instrumentalen Folk-Not-Folk-Rock-Not-Rock-Tracks
unters Volk jubelt. Mit Banjo und Akustikgitarren, E-Gitarren und
gesampeltem Elektrozeugs, Anrufbeantworter-Sprüchen und feinen
Rhythmus-Pattern. Irgendwo zwischen Tortoise, Palace und Sam Prekop.
Schöne Platte.
[tb] Das Londoner
Label Soulciety hat mit seinen »Nuyorican«-Sampler die
Sinne schon für die Latino-Musik New Yorks geschärft,
die Berliner Piranhas legen nach: »Central Park Rumba«
[Piranha/EfA] heißt ein Album des kubanisch-puertorikanischen
Trommlers Eddie Bobe, der für seinen Multikulti-Rumba
hier die Crème der New Yorker Latino-Szene um sich geschart
hat.
[tb] »End
Time« [Thrill Jockey] heißt das bereits sechste
Album der Countryband Freakwater, einem wunderbaren Trio
um die Eleventh-Dream-Day-Drummerin Janet Bean Beveridges. Zwölf
klasse Songs des Songwriterinnen-Duos Beveridge und Catherine Ann
Irwin, die sich hier auch beim Singen abwechseln. Klassisch mit
Dobro, Pedal-Steel, Mandoline und Banjo instrumentiert, sorgt eine
dreiköpfige String-Section sowie Gast-Drummer Steve Goulding
[u.a. Mekons] für Erweiterung. Sicher eine der besten Freakwater-Platten.
[lind]
Super! Schon in der letzten Ausgabe priesen wir das umfassende Engagement
unseres ehemaligen Konstanzer Kumpels Multipara [jetzt: Berlin]
als Mailingslisten-Host, Musiker und Plattenveröffentlicher:
Bei allem Misstrauen gegen solche Konzepte. Hier artikuliert sich
wirklich so etwas wie ein »elektronischer Underground«
zwischen Kommunikation und community. Die neue lux-nigra-vinyl-EP
»No Movement No Sound No Memories« [h0444rrf@rz.hu-berlin.de]
bringt neben den üblichen Verdächtigen der biophilia-Mailingliste
auch einen Remix des immer unerlässlicheren Berliner-Dub-Meisters
Stefan Bethke aka Pole. Bestellen!
[tb] Brit-Pop-Fans,
die sich gefragt haben, was denn wohl Pete Astor, einst Kopf der
Weather Prophets, heute macht, sollten beim Album »Stars
Of Super 8« [Matador/Zomba] des Duos The Wisdom Of
Harry ein Ohr riskieren. Gemeinsam mit dem Kollegen David Sheppard
bastelt Astor hier mit Sampler, Computern und Gitarren, hübsche
kleine Popsongs, die es auch schon mal, wie im Falle von »Fragments
Of Harris« zur Single der Woche im NME geschafft haben. Die
CD sammelt die bisher erschienen Singles und EPs von The Wisdom
Of Harry.
[tb] Die Lo-Fi-Flagge
des Hauses K Records von Calvin Johnston [Labelchef und mit seinen
Beat Happening einst »Miterfinder« der Lo-Fi-Geschichte]
halten auch die Microphones auf »Don’t Wake
Me Up« [KRecords/Cargo] hoch. Wobei der Mann hinter diesem
Soloprojekt, Phil Elvrum [auch bekannt als Drummer der D+] ganze
Gerätschaften ins heimische Wohnzimmer geschleppt hat und einen
Sound veranstaltet, der viel zu mächtig für ein Soloprojekt
ist. Auschecken!
[lind] Hurra!
Endlich mal wieder was neues von unserem Ravensburger Kumpel Mellokat
aka Christof Klaus. Der Drum-And-Bass-Mann mit dem großen
Reggae-Herzen bringt uns auf seinem sub.version-Label die »Soundboy
Haffi Run«-EP [subversionrec @hotmail.com] des Münchner
Lions Den Sound Systems. Dahinter verbergen sich der legendäre
BR-Radio-Mann Noe Noack und Hans Platzgumers Separator-Partner Albert
Pöschl. Ungewöhnlich, harsch jenseits der Klischees und
erstaunlich emanzipiert von englischen und jamaikanischen Vorbildern
... Hervorragend: das lässige »Give Me A Reason«
mit der großartigen Lady Saw!
[tb] »Save
Yourself« [K/EfA] heißt das neue Werk der amerikanischen
Make Up, die hier wieder einmal im psychedelischen Garagen-Underground
der 60s wühlen und auf eindrucksvolle Weise zeigen, dass Retro
nicht nur verschnarcht sein muss [Lenny Kravitz & Co.] sondern
auch Spaß machen kann. Sehr fein: die Live-Coverversion des
Traditionals »Hey Joe«, dessen Original fälschlicherweise
immer Herrn Hendrix zugeschrieben wird, das aber unser Held, der
Crooner Tim Rose anno 1966 schon vor Hendrix eingespielt hat.
[tb] Eine feine Gitarrenarbeit und gelegentlich zwingende Melodien
[klasse Stück: »Mesmerized«] zeichnet das Chicagoer
Quartett Ether Frolics aus. »40 K« [Trocadero/TIS]
heißt das Debüt der Band, die in besseren Momenten an
die Replacements und Big Star erinnert.
[tb] Ein bisschen
was von den amerikanischen They Might Be Giants bzw. Ween hat das
Berliner Duo No Underground, das auf »Free Transform«
[Noisolution/EfA] hemmungslosem Eklektizismus betreibt und uns einige
nette, schräge Popsongs beschert, die im Falle des Ohrwurms
»Love Machine« und des schön abgehangenen »City
Boy« Hitcharakter haben.
[tb] Ein wenig
»arty« klingt das, was das Quartett Das Weeth Experience
auf seinem dritten Album »Aural Scenic Drive«
[Strange Ways] veranstaltet. Das ist es dann wohl auch, was die
Hanseaten von ihren im Info genannten Vorbildern Giant Sand, Calexico
und Yo La Tengo unterscheidet. Ein Stück wie »Two Tracks«
kommt zum Beispiel zu bedeutungsschwer daher. Das Instrumental »Slumberqueen«
passt dann wieder besser.
[tb] Wenn Aki
Kaurismäki für einen seiner Filme eine Fake-Rockabilly-Band
benötigen würde, dann würde ich ihm das Freiburger
Liquid Laughter Lounge Quartet empfehlen. Die Vier klingen
auf ihrem feinen Debüt »Yonder Chickens...Get Lonely«
[Ritchie Records/Cargo] als h«tten sie ihre Lektionen der
Platten von Nick Cave und den Cramps, Johnny Cash und Gallon Drunk
gelernt.
[tb] Aus der
Posse des kalifornischen Quannum Labels stammen die Blackalicious,
die schon seit mehr als zehn Jahren zusammenarbeiten. Auf ihrem
Album »NIA« [Mo Wax/Connected] schrauben Gift
Of Gab und Chief Xcel zusammen mit anderen Freunden aus der Quannum-Ecke
den State Of The Art in Sachen Westcoast-Rap sehr hoch. Hitverdächtig:
»Deception«
[tb] Volume
3 der feinen Reihe »Music For Modern Living«
[Lounge Records/99 Distribution] bringt eine exquisite Mischung
verschiedener Styles zusammen: Von Brasil-Pop über Latin und
House bis zum Popklassiker. Echte Bringer dieses Samplers der Hamburger
Lounge-Posse sind dabei »der Tiger« Tom Jones mit einer
Coverversion des Sixties-Heulers der Shocking Blue »Venus«,
Astrud Gilbertos »Let Go [Canto De Ossanho] sowie das famose,
amüsante »Margaret Evening Fashion« der Berliner
Easy-Listening-Täter Les Hammond Inferno.
[lind] »poiréz« heißt die tolle
neue Platte vom For-4-Ears-Label des Baselbieter Trommelelektronikers
Günter Müller. Im Quartett trifft Müller auf
die St. Galler Elektronikpioniere von Voicecrack und den vom HipHop
kommenden jungen Marseiller Extremturntablisten Erik M: Hier werden
nicht nur Leute, die die sensationellen Voicecrack Livesets [wie
etwa vor knapp einem Jahr in Konstanz mit und gegen Borbetomagus]
kennen »gluschdig«. Die 4 breiten üppige Texturen
und Soundnetze aus, in denen sich der willige Zuhörer nur allzu
leicht verstrickt.
[tb] Wenn er
nicht gerade im Berliner Bungalow-Hauptquartier in der Skalitzer
Straße herumhängt und sich dort um acts wie Stereo Total,
Yoshinori Sunahara & Co. kümmert, bastelt Sänger und
Gitarrist Ken Steen alias Space Kelly an der eigenen Musikerkarriere.
Mit dem gleichnamigen Quartett Space Kelly gibt es auf der
Vinyl-Single »Die schönsten Mädchen gibt es in
Amsterdam« [Lounge Records/EfA] hübschen Boy-Pop
mit hymnischem Charakter. Irgendwo zwischen Die Zimmermänner
[kennt die noch jemand?], Sportfreunde Stiller und , ähem,
Echt.
[tb] Schon etwas
länger draußen, deshalb hier nur noch einmal kurz der
Verweis: Mit seinem neuen Album »Showtime« [Trikont/Indigo]
gelingt Rocko Schamoni sein Meisterwerk! Poppige Melodien
mit Funk- und Souleinflüssen treffen auf kluge Texte, die auch
mal amüsant dürfen. Stücke wie der wunderschöne
Popsong »Der Mond« oder die Coverversionen »Gegen
den Staat« und »Wegrennen« haben Hitcharakter.
[tb] Sein jüngstes
Album »Open All Night« zeigte Marc Almond wieder
von seiner besten Seite, die neue EP »Tragedy«
[XIII Bis/Blue Star] legt nach. Neben dem Titeltrack gibt’s
Remixe von »Threat Of Love« [featuring Siouxsie Sioux]
sowie »My Love«, den kein Geringerer als Almonds alter
Wegbegleiter aus Soft-Cell-Tagen Dave Ball verbrochen hat. Dazu
drei unveröffentlichte Extratracks und zwei Video-Tracks.
[lind] Schön,
dass Heimelektro Ulm [Vgl. das erleuchtende Feature des Kollegen
Hablizel in LEESON Nr. 9]
kein »in Ulm, um Ulm und um Ulm herum« Projekt bleibt,
sondern ständig seinen Horizont erweitert. Mit dem in Köln
lebenden Holländer Roger van Lunteren ist Boss Bernd Karner
ein schöner Fang gelungen, der sich gut in das zwar experimentelle
aber doch immer relaxt poppige Format der Heimelektriker einfügt.
Auch die Neigung, zu sehr langen, fast episch anmutenden Tracks
teilt van Lunteren mit den Ulmern. »tmaens« [Heimelektro
Ulm/EfA] ist der schöne, melancholische Soundtrack für
den endlosen Konstanzer Herbst! Coole Nebelmusik! Geigenschwaden.
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